VwGH vom 06.07.2011, 2007/13/0123

VwGH vom 06.07.2011, 2007/13/0123

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der S, vertreten durch die Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Bauernmarkt 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/1146-W/03, betreffend Körperschaftsteuer 1999 und 2000, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.286,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der beschwerdeführenden Partei handelt es sich um ein Kreditunternehmen (kommunale Sparkasse), das Bankgeschäfte gemäß § 1 Abs. 1 BWG betreibt und seinen Gewinn nach § 5 EStG 1988 ermittelt. Strittig ist im Beschwerdefall die gewinnerhöhende Auflösung von auf Wertpapiere des Anlagevermögens übertragenen stillen Reserven nach § 12 EStG 1988 in den Jahren 1999 und 2000.

In der Niederschrift über die Schlussbesprechung zu einer bei der beschwerdeführenden Partei im Jahr 2002 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung (Prüfungsbericht vom ) führte die Prüferin unter Tz. 18 ("Gem. § 12 EStG übertragene stille Reserven -S-19 Fonds") aus, es sei bis 1995 zulässig gewesen, stille Reserven aus der Veräußerung von Anlagevermögen gemäß § 12 EStG 1988 auf Finanzanlagen zu übertragen. Die Beschwerdeführerin habe von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und aufgedeckte stille Reserven auf die Anschaffungskosten von Bundesanleihen übertragen. Diese seien im Jahr 1999 in einen Spezialfonds eingebracht worden, der im Alleineigentum der Beschwerdeführerin stehe. Die Einbringung sei abgabenrechtlich zu Anschaffungskosten erfolgt, "stille Reserven wurden nicht aufgedeckt". Die auf die einzelnen Wertpapiere übertragenen stillen Reserven seien als Bewertungsreserve in der Bilanz der Beschwerdeführerin passiviert geblieben, "sodass der Eindruck entstehen könnte, die stillen Reserven wären auf den Spezialfondsanteil übergegangen". Seit 1996 sei allerdings eine Übertragung von stillen Reserven auf Finanzanlagen nicht mehr zulässig gewesen. Da der inländische Investmentfonds als transparent angesehen werde, sei bei der eigentumsrechtlichen Zuordnung der eingebrachten Wertpapiere keine Änderung eingetreten. Das wirtschaftliche Eigentum an den Wertpapieren, die dem Spezialfonds übertragen worden seien, sei somit gemäß § 24 Abs. 1 lit. d BAO bei der Beschwerdeführerin verblieben. Daher sei "in diesem Sonderfall" von einer Realisierung der stillen Reserven anlässlich der Einbringung in den Spezialfonds Abstand genommen worden. Die stillen Reserven hätten nach wie vor auf den im Spezialfonds befindlichen Anleihen und nicht am Spezialfondsanteil gehaftet. In der Folge seien die Bundesanleihen im Spezialfonds veräußert worden, wodurch es zur Realisation der übertragenen stillen Reserven gekommen sei. Es seien daher außerbilanzielle Hinzurechnungen für das Jahr 1999 in Höhe von rund 29,7 Mio. S und das Jahr 2000 in Höhe von rund 1,2 Mio. S vorzunehmen gewesen.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen die auf der Grundlage des Betriebsprüfungsberichtes ergangenen Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1999 und 2000 Berufung. Die Abgabenbehörde sei zu Unrecht von einer Realisierung übertragener stiller Reserven gemäß § 12 EStG 1988 in den Streitjahren ausgegangen. Ein Investmentfonds (zu denen auch ein Spezialfonds zähle) stelle ein überwiegend aus Wertpapieren bestehendes Sondervermögen dar, das in gleiche, in Wertpapieren verkörperte Anteile zerfalle und im Miteigentum der Anteilsinhaber stehe. Die Gemeinschaft erwerbe demnach Miteigentum an den im Fonds vorhandenen Wertpapieren. Dieses Miteigentum werde durch das Investmentzertifikat verbrieft. Die Anteilsscheine an einem Investmentfonds erfüllten den allgemeinen Wertpapierbegriff und seien in der Handelsbilanz als selbständig zu bilanzierendes Wirtschaftsgut zu behandeln. Der Steuerpflichtige erwerbe bzw. veräußere lediglich ein Wertpapier (Anteilsschein), ein "Durchgriff" könne nicht vorgenommen werden.

Gemäß § 12 Abs. 5 EStG 1988 habe eine Übertragung stiller Reserven eine Kürzung der Anschaffungskosten zur Folge. Da aus steuerrechtlicher Sicht die stille Reserve gemäß § 12 EStG 1988 nach erfolgter Übertragung auf ein anderes Wirtschaftsgut des Anlagevermögens "nicht mehr existiert", seien die gekürzten Anschaffungskosten (und damit auch der gekürzte Buchwert) maßgeblich für die Steuerbilanz. Da handelsrechtlich eine Kürzung der Anschaffungskosten nicht zulässig sei, sei die übertragene stille Reserve gemäß § 12 EStG 1988 als Bewertungsreserve in der Handelsbilanz auszuweisen.

Die Einbringung der Bundesanleihen in den Investmentfonds sei vor Inkrafttreten der Neuregelung des § 6 Abs. 5 InvFG durch das BGBl. I Nr. 106/1999 ("seit ") erfolgt, sodass die Einbringung zu Buchwerten möglich gewesen sei. Wegen dieser Buchwertfortführung sei es zu keiner Gewinnrealisierung gekommen. Die stillen Reserven hätten daher nach § 12 EStG 1988 - nunmehr auf den Investmentfondsanteil bezogen - weitergeführt werden können. Das durch die Einbringung entstandene Miteigentum sei "zum Alleineigentum auf Grund der 100 %igen Beteiligung" der Beschwerdeführerin am Investmentfonds geworden. Der Einbringungsvorgang habe lediglich eine "Änderung der Darstellung der Aktiva in der Bilanz" der Beschwerdeführerin zur Folge gehabt ("an die Stelle der Forderungswertpapiere treten Investmentfondsanteile bei unveränderten Wertansätzen"). Da im Beschwerdefall "der Einbringende" alleiniger Anteilseigner gewesen sei, sei kein Tausch vorgelegen, der die Realisierung von stillen Reserven bewirkt hätte. Da die durch die Einbringung der Wertpapiere in den Investmentfonds nach § 12 EStG 1988 übertragenen stillen Reserven nunmehr dem Investmentfondsanteil zuzuordnen seien, könne die Veräußerung der Wertpapiere durch den Kapitalanlagefonds nicht zu einer Auflösung der stillen Reserven nach § 12 EStG 1988 führen. Der Investmentfondsanteil, dem ertragsteuerrechtlich zweifellos Wirtschaftsguteigenschaft zukomme, sei keineswegs veräußert worden. Damit könne die Veräußerung von Wertpapieren durch den Investmentfonds nicht zur Besteuerung stiller Reserven nach § 12 EStG 1988 führen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Die belangte Behörde teile zwar die Ansicht der Beschwerdeführerin und des Finanzamtes, "wonach die Einbringung der gegenständlichen Bundesanleihen in einen Spezialfonds, dessen 100 %iger Anteilseigner die (Beschwerdeführerin) ist, keine Änderung der eigentumsrechtlichen Zuordnung der eingebrachten Wertpapiere bewirkt". Der Auffassung der Beschwerdeführerin, dass durch die Einbringung der Wertpapiere in den Investmentfonds die nach § 12 EStG 1988 übertragenen stillen Reserven nunmehr dem Investmentfondsanteil zuzuordnen seien und die Veräußerung der Wertpapiere nicht dazu führen könne, dass die stillen Reserven gemäß § 12 EStG 1988 aufzulösen seien, könne die belangte Behörde aber nicht folgen. Die belangte Behörde vertrete vielmehr - wie das Finanzamt - die Ansicht, dass die auf die Bundesanleihen übertragenen stillen Reserven nach wie vor den im Spezialfonds befindlichen Bundesanleihen zuzuordnen seien. Demgemäß habe die Veräußerung der Wertpapiere die Auflösung und Versteuerung der stillen Reserven zur Folge gehabt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde, auf die die Beschwerdeführerin repliziert hat, erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 InvFG 1993 stellt ein Kapitalanlagefonds (Investmentfonds) ein Sondervermögen dar, das in gleiche, in Wertpapieren verkörperte Anteile zerfällt und im Miteigentum der Anteilinhaber steht. Ein Spezialfonds ist nach § 1 Abs. 2 InvFG 1993 ein Sondervermögen gemäß Abs. 1 leg. cit., dessen Anteilscheine auf Grund der Fondsbestimmungen jeweils von nicht mehr als zehn Anteilinhabern, die der Kapitalanlagegesellschaft bekannt sein müssen und keine natürlichen Personen sind, gehalten werden.

Bei einem Investmentfondsanteil im Sinne des § 1 InvFG 1993 handelt es sich um ein Wirtschaftsgut (vgl. z.B. Doralt/Ruppe, Steuerrecht I9, Tz 817), das als Wertpapier eigener Art sowohl in der Handels- als auch der Steuerbilanz selbständig zu bilanzieren ist. Das bedeutet, dass - ungeachtet des für die Besteuerung der Erträge aus (inländischen) Investmentfonds geltenden Transparenzprinzips (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2006/15/0376, VwSlg. 8368/F) - beim Anteilinhaber keine anteilige Zurechnung der im Sondervermögen befindlichen Vermögensgegenstände erfolgt. Der bilanzierende Steuerpflichtige hat auch bei Kauf oder Verkauf eines Anteilscheines gedanklich nicht von einem anteiligen Kauf oder Verkauf der im Fondsvermögen befindlichen Wertpapiere auszugehen (vgl. Macher , ÖStZ 6/1999, 106 ff (108)).

Ausgehend von dieser Rechtslage (getrennte Betrachtungsweise der Anteilscheine und der im Fondsvermögen befindlichen Wertpapiere) war es nicht zulässig, wenn die belangte Behörde die auf der Ebene des Spezialfonds in den Jahren 1999 und 2000 erfolgte Veräußerung der von der Beschwerdeführerin im Jahr 1999 in den Spezialfonds eingebrachten Wertpapiere (Bundesanleihen) als Buchwertabgang bei der Beschwerdeführerin wertete und deshalb zu der Auflösung der auf diese Wertpapiere gemäß § 12 EStG 1988 (in der auf Körperschaften noch anzuwendenden Fassung vor dem StRefG 2005, BGBl. I Nr. 57/2004) übertragenen stillen Reserven gelangte.

Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Für das fortzusetzende Verfahren ist allerdings darauf hinzuweisen, dass mit der im Jahr 1999 durch die Beschwerdeführerin erfolgten Einbringung der Wertpapiere in den (von einer Kapitalanlagegesellschaft verwalteten) Spezialfonds bei ihr an die Stelle des bisherigen Wirtschaftsgutes "Wertpapier" der Anteilschein am Spezialfonds als neues Wirtschaftsgut getreten ist. Damit kam es bei der Beschwerdeführerin abgabenrechtlich - unabhängig von handels- bzw. unternehmensrechtlichen Bewertungswahlrechten - zwingend zu einer Gewinnrealisierung nach Maßgabe des im § 6 Z 14 lit. a EStG 1988 verankerten Tauschgrundsatzes (vgl. dazu etwa Jakom/Laudacher EStG, 2010, § 6 Rz 208). Daran änderte sich auch dadurch nichts, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Einbringung der Wertpapiere im Jahr 1999 in den Spezialfonds deren einzige Anteilinhaberin war und § 6 Abs. 5 InvFG 1993 (vor der Fassung durch das StRefG 2000, BGBl. I Nr. 106/1999) für Einbringungen vor dem handelsrechtlich noch einen Wertansatz unterhalb des Börsenkurses am Tag der Ausgabe der Anteilscheine ermöglichte.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am