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VwGH vom 26.01.2011, 2007/13/0084

VwGH vom 26.01.2011, 2007/13/0084

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der L Beteiligungsgesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch die Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in 1220 Wien, Wagramer Straße 19 (IZD Tower), gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/0561-W/04, betreffend Körperschaftsteuer 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine GmbH, die den Erwerb von und die Beteiligung an anderen in- und ausländischen Gesellschaften zum Gegenstand hat und zum 31. Dezember bilanziert.

Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei im Jahr 1998 gegründet worden. An ihr sei Frau Mag. L. als Gesellschafter-Geschäftsführerin zu 100 % beteiligt (im Folgenden auch: Alleingesellschafterin). Im Gründungsjahr sei eine Widmung von 1.000 S an die D. Privatstiftung (im Folgenden nur: Stiftung) erfolgt. Für im Jahr 2002 erfolgte "Ausschüttungen" der Stiftung an die Beschwerdeführerin in der Höhe von 320.000 EUR habe die Beschwerdeführerin die Beteiligungsertragsbefreiung nach § 10 Abs. 1 KStG 1988 geltend gemacht.

Mit der Begründung, dass keine Ausschüttung einer Kapitalgesellschaft vorliege, habe das Finanzamt bei der Körperschaftsteuerveranlagung 2002 die Beteiligungsertragsbefreiung versagt. Dagegen habe die Beschwerdeführerin in der Berufung vorgebracht, dass nach dem Gebot einer verfassungskonformen Interpretation eine "konzernierend zwischengeschaltete Stiftung" ebenfalls eine Beteiligung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 1 KStG 1988 vermitteln müsse. Dies sei zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbelastung von Körperschaftsgewinnen "innerhalb eines Körperschaftskreises" erforderlich.

Mit Eingabe vom habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, dass sie beim Finanzamt einen Antrag auf Abänderung des Körperschaftsteuerbescheides 2002 gemäß § 295a BAO eingebracht habe. In diesem habe sie begehrt, die Festsetzung der Körperschaftsteuer 2002 laut den beiliegenden berichtigten Bilanzen vorzunehmen, "weil die Ausschüttungsvereinbarungen 2002 von den Vertragsparteien wegen wesentlichen Irrtums aufgehoben worden seien".

Im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides vertrat die belangte Behörde im Wesentlichen den Standpunkt, dass Zuwendungen einer Stiftung an Körperschaften nicht unter die Beteiligungsertragsbefreiung nach § 10 Abs. 1 KStG 1988 zu subsumieren seien. Die von der Beschwerdeführerin geforderte "verfassungskonforme Interpretation" gehe nach Ansicht der belangten Behörde über den Wortsinn und den Willen des Gesetzgebers hinaus. Durch die Ausschüttungsbeschlüsse und die Annahme seitens der Beschwerdeführerin sei die Ausschüttung auch tatsächlich erfolgt. Dies ergebe sich auch daraus, dass die Ausschüttung sowohl von der Stiftung als auch der Beschwerdeführerin beim Finanzamt angezeigt worden sei. Diese Steuerpflicht der Ausschüttungen könne auch durch die Anfechtung der Ausschüttungsbeschlüsse nicht rückgängig gemacht werden. Der Einwand des Irrtums könne nicht dazu führen, die Körperschaftsteuerpflicht der Zuwendungen an die Beschwerdeführerin zu beseitigen. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin auf die Ausschüttungen verzichtet hätte, wäre ihr die Steuerpflicht bewusst gewesen. Da die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung nicht vorlägen, sei auch kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO gegeben.

Die der Eingabe vom angeschlossene, mit datierte - in den vorgelegen Verwaltungsakten einliegende - Vereinbarung hat folgenden Wortlaut:

"VEREINBARUNG

über

die Aufhebung von Ausschüttungen wegen Irrtums

abgeschlossen zwischen

(1) (Stiftung)

und

(2) (Beschwerdeführerin)

wie folgt:

A. Der Vorstand der (Stiftung) hat am eine

Ausschüttung an die (Beschwerdeführerin) in Höhe von EUR 30.000,-- sowie eine weitere Ausschüttung im Jahr 2002 in Höhe von EUR 290.000,-- beschlossen.

Die (Beschwerdeführerin) hat die beiden Ausschüttungen in Höhe von insgesamt EUR 320.000,-- angenommen. Damit kamen zwischen der (Stiftung) und der (Beschwerdeführerin) zwei unentgeltliche Verträge über die beiden genannten Zuwendung zustande.

Bei Vertragsabschluss sind beide Vertragsparteien davon ausgegangen, dass durch die Ausschüttung an die Begünstigte bei dieser keine Körperschaftsteuerpflicht ausgelöst wird. Die Ausschüttungen unterliegen jedoch entgegen der ursprünglichen Annahmen in der (Beschwerdeführerin) der Körperschaftsteuer.

B. Die beiden Vertragsparteien sind daher bei

Abschluss der beiden Ausschüttungsvereinbarungen einem gemeinsamen wesentlichen und beachtlichen Irrtum unterlegen. Bei Kenntnis der wahren Sachlage, nämlich der Steuerpflicht der Zuwendungen, hätten die beiden Vertragsparteien die Vereinbarungen über die Ausschüttungen nicht abgeschlossen, die Ausschüttungen wären somit unterblieben.

Die (Stiftung) und die (Beschwerdeführerin) halten daher fest, dass die Ausschüttungsvereinbarungen aufgrund eines gemeinsamen wesentlichen und beachtlichen Irrtums mit Wirkung mit ex tunc aufgehoben sind.

C. Da der Rechtsgrund für beide Ausschüttungen an die

(Beschwerdeführerin) rückwirkend (mit Wirkung ex tunc) weggefallen ist, sind die beiden Vertragsparteien zur Rückabwicklung der Ausschüttungsvereinbarung verpflichtet.

Die (Stiftung) sowie die (Beschwerdeführerin) vereinbaren daher, dass die (Beschwerdeführerin) den Betrag von EUR 320.000,-- an die (Stiftung) zurückzuzahlen hat."

Die Behandlung der an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde hat dieser mit Beschluss vom , B 1871/06, abgelehnt. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof u.a. aus, soweit die Beschwerde insofern verfassungsrechtliche Fragen berühre, als die Rechtswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet werde, sei ihr zu entgegnen, dass es dem Gesetzgeber freistehe, die Beteiligungsertragsbefreiung des § 10 KStG 1988 im Falle von Zuwendungen von Privatstiftungen im Hinblick darauf zu versagen, dass Körperschaften strukturell nicht als Begünstigte in Betracht kommen und nicht gesichert ist, dass die Zuwendungen aus versteuertem Einkommen erfolgen (vgl. auch die nachvollziehbare Begründung der Materialien, 1132 BlgNR, 18. GP, Seite 18).

Der Verfassungsgerichtshof hat die Beschwerde über nachträglichen Antrag der Beschwerdeführerin dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - ergänzte - Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 KStG 1988 ist der Körperschaftsteuer das Einkommen zu Grunde zu legen, das der unbeschränkt Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat.

Nach § 4 Abs. 1 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Insbesondere entsteht der Abgabenanspruch u.a. bei der Körperschaftsteuer nach § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird.

Ist ein Abgabenanspruch entstanden, so ist grundsätzlich der Wegfall des Abgabenanspruches durch nachträgliche Dispositionen (rückwirkende Rechtsgeschäfte) des Abgabepflichtigen ausgeschlossen (vgl. z.B. Stoll, BAO-Kommentar, 70 f, sowie Ritz, BAO3, § 4 Tz 11, mit Hinweisen auf die hg. Judikatur).

Es ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin auf Grund der bei der Stiftung im Jahr 2002 beschlossenen "Ausschüttung" im (Wirtschafts )Jahr 2002 eine Zuwendung in Höhe von 320.000 EUR bezogen hat, für die im Sinne des § 4 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO mit Ablauf des Kalenderjahres 2002 der Abgabenanspruch entstanden ist, wobei das Finanzamt im Rahmen der Körperschaftsteuerveranlagung für dieses Jahr die geltend gemachte Beteiligungsertragsbefreiung nach § 10 Abs. 1 KStG 1988 nicht anerkannt hat.

In der Beschwerde wird vorgebracht, dass zivilrechtlich die Anfechtung eines Rechtsgeschäfts auch bei einem so genannten "gemeinsamen Irrtum" zulässig sei. Beide Parteien seien grundsätzlich einem so genannten "Rechtsfolgeirrtum" unterlegen, weil die Ausschüttung entgegen ihrer Annahme "sehr wohl eine Körperschaftsteuer ausgelöst" habe. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde sei dieser Irrtum auch wesentlich gewesen, weil sowohl die Stiftung als auch die Beschwerdeführerin bei "Kenntnis der wahren Sachlage und Kenntnis des Fehlens der Steuerfreiheit" die Ausschüttungsvereinbarung nicht getroffen "hätten".

Selbst wenn solcherart nach dem Beschwerdevorbringen ein wesentlicher Irrtum vorgelegen sein sollte, ändert dies nichts daran, dass mit der im Jahr 2006 zwischen der Stiftung und der Beschwerdeführerin abgeschlossenen "Vereinbarung über die Aufhebung von Ausschüttungen wegen Irrtums" der für das Jahr 2002 bereits entstandene - öffentlich-rechtliche - Körperschaftsteueranspruch nicht rückwirkend beseitigt werden konnte (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , 99/15/0109). Da keine materiellen Abgabenvorschriften eine derartige Rückwirkung anordnen, ist der belangten Behörde auch darin Recht zu geben, dass die Voraussetzungen für eine nachträgliche Bescheidänderung wegen Eintritt rückwirkender Ereignisse nach § 295a BAO nicht vorlagen (zum Verständnis des § 295a BAO als rein verfahrensrechtliche Bestimmung vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 2007/15/0259, und vom , 2006/15/0151).

Dass die Zuwendungen der Stiftung an die Beschwerdeführerin im Jahr 2002 nicht der Beteiligungsertragsbefreiung nach § 10 Abs. 1 KStG 1988 zu subsumieren waren, wird in der (ergänzten) Beschwerde nicht mehr weiter bekämpft. Es kann daher diesbezüglich auf die Begründung im Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes verwiesen werden (in diesem Sinne ebenso z. B. Wiesner , RdW 11/1993, 344 (347), und Vock in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger (Hrsg.), KStG 1988,§ 10 Abs. 1 Tz 55, mwN).

Dem Vorbringen in der Beschwerde, dass bei "gesetzmäßiger Anwendung des § 8 Abs 1 KStG iVm § 21 BAO und der ständigen Rechtsprechung des VwGH" die Ausschüttung an die Beschwerdeführerin als Einlage der Alleingesellschafterin zu qualifizieren gewesen wäre (weil nämlich nur der Leistungsweg abgekürzt worden sei, "dh dass eine Ausschüttung der (Stiftung) an Frau (Alleingesellschafterin) und eine daran anschließende Einlage in die (Beschwerdeführerin) durch Frau (Alleingesellschafterin) unterblieb") und daher der Zufluss der Ausschüttung an die Beschwerdeführerin keinesfalls körperschaftsteuerpflichtig sei, kann nicht gefolgt werden.

Mit diesem Vorbringen, das auch auf den gesellschaftsrechtlichen Zusammenhang der Beschwerdeführerin, der Alleingesellschafterin und der Stiftung Bezug nimmt, verliert die Beschwerdeführerin offenbar das sowohl für Kapitalgesellschaften als auch für Stiftungen geltende Trennungsprinzip (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2008/15/0097) aus den Augen. Ein Vorbringen, wonach etwa wegen nicht fremdüblicher Gestaltungen die Vereinbarungen über die Zuwendungen im Jahr 2002 entgegen ihrer äußeren Erscheinungsform nicht als solche hätte gewertet werden dürfen (damit allenfalls die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verdeckten Ausschüttungen oder zur verdeckten Einlage zum Tragen hätte kommen müssen), hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren außerdem nicht erstattet, sodass die diesbezüglich erstmals in der Beschwerde enthaltenen Überlegungen auch dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) unterliegen.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am