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VwGH vom 26.01.2005, 2004/08/0139

VwGH vom 26.01.2005, 2004/08/0139

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der X. VertriebsgmbH in B, vertreten durch Pallauf Pullmann Meißnitzer & Partner, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Petersbrunnstraße 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom , Zl. 3/05-V/13.750/2-2004, betreffend Zuschuss zur Entgeltfortzahlung gemäß § 53b ASVG (mitbeteiligte Partei: Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter Straße 65), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung eines Zuschusses zur Entgeltfortzahlung für die Dienstnehmerin L. für die Zeit vom bis gemäß § 53b Abs. 2 Z 1 ASVG iVm § 2 der Verordnung BGBl. II Nr. 443/2002 abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe in ihrem Einspruch darauf verwiesen, dass sie lediglich etwa 30 Dienstnehmer beschäftige und damit die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Zuschusses erfülle. Dem gegenüber sei aber einer der Gesellschafter der Beschwerdeführerin die X. Sportgeräte GmbH, A, Deutschland. Diese stelle sich im Firmenportrait "www.X....de" als einer der bedeutendsten Bergsportartikelerzeuger Europas mit einem weltweiten Vertriebsnetz dar. Dies lasse den Schluss zu, dass die Beschwerdeführerin kein eigenständiges Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zu § 53b ASVG sei. Die "personelle Größe" der "Firma X." resultiere daraus, dass die Mitarbeiter aller ihrer Niederlassungen (also auch die der Beschwerdeführerin) zusammenzuzählen seien. Es sei daher davon auszugehen, dass im "Unternehmen der Firma X." insgesamt wesentlich mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigt sind. Ebenso sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin nicht befugt ist, eigenständige unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Vielmehr würde über Werbestrategien, Rohstoffbeschaffung, Investitionen, Expansionspläne und Personalpolitik zentral von der X. Sportgeräte GmbH, A, entschieden und sei die Beschwerdeführerin als Teil eines "Firmenkonglomerates" lediglich ein "Vertriebsstandort ohne unternehmerische Entscheidungsbefugnis". Es entspreche nicht der Absicht des Gesetzgebers, im Rahmen des § 53b ASVG und der dazu ergangenen Durchführungsverordnung Großunternehmen mit zentraler Entscheidungsbefugnis durch Entgeltfortzahlungszuschüsse zu unterstützen. Die Beschwerdeführerin sei Teil eines "Firmenkonglomerates", dessen einzelne Bestandteile offenbar keine eigene unternehmerische Handlungskompetenz haben und daher nicht jeweils für sich getrennt zu betrachten seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Die mitbeteiligte Partei hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 53b ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2003 lautet:

"Zuschüsse an die Dienstgeber

§ 53b. (1) Den Dienstgebern können Zuschüsse aus Mitteln der Unfallversicherung zur teilweisen Vergütung des Aufwandes für die Entgeltfortzahlung im Sinne des § 3 EFZG oder vergleichbarer österreichischer Rechtsvorschriften an bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt oder der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen unfallversicherte Dienstnehmer nach Unfällen geleistet werden.

(2) Abs. 1 ist so anzuwenden, dass die Zuschüsse gebühren

1. nur jenen Dienstgeber(inne)n, die in ihrem Unternehmen regelmäßig weniger als 51 Dienstnehmer(innen) beschäftigen, wobei die Anzahl der Dienstnehmer(innen) nach § 77a ASchG zu ermitteln ist,

2. ab dem ersten Tag der Entgeltfortzahlung bis höchstens sechs Wochen je Arbeitsjahr (Kalenderjahr) und

3. in der Höhe von 50% des entsprechenden fortgezahlten Entgelts.

(3) Die Gewährung der Zuschüsse und deren Abwicklung ist durch Verordnung, welche vom Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zu erlassen ist, zu regeln."

Der Wortlaut des § 53b Abs. 2 Z 1 ASVG geht auf Teil 1 der 61. Novelle zum ASVG, BGBl. I Nr. 145/2003, zurück und ist gemäß § 609 Abs. 1 Z 4 ASVG in der Fassung dieser Novelle rückwirkend mit in Kraft getreten.

Zuvor stand § 53b Abs. 2 Z 1 ASVG mit folgendem Wortlaut in Geltung:

"1. nur jenen Dienstgebern, die regelmäßig weniger als 51 Dienstnehmer in Betrieben (§ 77a ASchG) beschäftigen, ...".

§ 2 der zu § 53b ASVG ergangenen Durchführungsverordnung BGBl. II Nr. 443/2002 hat folgenden Wortlaut:

"Zuschussberechtigter Dienstgeberkreis

§ 2. (1) Zuschussberechtigt sind alle Dienstgeber, einschließlich der Dienstgeber von Lehrlingen, die ihren verunfallten, bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt versicherten Dienstnehmern Entgeltfortzahlung nach § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes, BGBl. Nr. 399/1974, oder nach vergleichbaren österreichischen Rechtsvorschriften geleistet haben, soweit diese Dienstnehmer in Betrieben nach Abs. 2 beschäftigt werden.

(2) Als Betriebe im Sinne des § 53b Abs. 2 Z 1 ASVG gelten Unternehmen, in denen regelmäßig insgesamt weniger als 51 Dienstnehmer beschäftigt werden, wobei sich die Zählung nach Abs. 4 richtet.

(3) Als Dienstnehmer im Sinne des Abs. 2 gelten Dienstnehmer nach § 4 Abs. 2 ASVG, auch wenn sie geringfügig beschäftigt sind, sowie Lehrlinge; alle diese, wenn für sie die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt zur Durchführung der Unfallversicherung zuständig ist.

(4) Bei wechselnder Dienstnehmerzahl liegt ein Betrieb nach Abs. 2 auch dann vor, wenn die vorhersehbare durchschnittliche Dienstnehmerzahl pro Jahr nicht mehr als 50 beträgt und an nicht mehr als 30 Tagen im Jahr mehr als 75 Dienstnehmer beschäftigt werden. Ein Betrieb nach Abs. 2 liegt auch dann vor, wenn die Zahlengrenze von 50 Dienstnehmern nur deshalb überschritten wird, weil in diesem Betrieb Lehrlinge oder begünstigte Behinderte im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, beschäftigt werden, sofern die Grenze von 53 Dienstnehmern nicht überschritten wird; Letzteres gilt nicht für Betriebe, die vorwiegend der Ausbildung Jugendlicher oder der Beschäftigung Behinderter dienen, wie Lehrwerkstätten oder integrative Betriebe."

§ 77a ASchG in der Fassung BGBl. I Nr. 159/2001 lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 77a.

...

(5) Für die Ermittlung der Arbeitnehmerzahl ist maßgeblich, wie viele Arbeitnehmer regelmäßig in der Arbeitsstätte beschäftigt werden. Für Arbeitsstätten mit wechselnder Arbeitnehmerzahl gelten die Bestimmungen für Arbeitsstätten mit bis zu 50 Arbeitnehmern auch dann, wenn die vorhersehbare durchschnittliche Arbeitnehmerzahl pro Jahr nicht mehr als 50 Arbeitnehmer beträgt und an nicht mehr als 30 Tagen im Jahr mehr als 75 Arbeitnehmer in der Arbeitsstätte beschäftigt werden. Die Bestimmungen für Arbeitsstätten mit bis zu 50 Arbeitnehmern gelten auch dann, wenn in einer Arbeitsstätte bis zu 53 Arbeitnehmer beschäftigt werden, sofern die Zahlengrenze von 50 Arbeitnehmern nur deshalb überschritten wird, weil in dieser Arbeitsstätte Lehrlinge oder begünstigte Behinderte im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, beschäftigt werden.

(6) Arbeitnehmer, die auf Baustellen oder auswärtigen Arbeitsstellen beschäftigt werden, sind bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl jener Arbeitsstätte zuzurechnen, der sie organisatorisch zugehören, im Zweifel dem Unternehmenssitz. Dies gilt nicht für Arbeitnehmer auf Baustellen, für die eine gesonderte sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung nach den §§ 77 und 82 eingerichtet ist.

(7) Abs. 5 letzter Satz gilt nicht für Arbeitsstätten, die vorwiegend der Ausbildung Jugendlicher oder der Beschäftigung Behinderter dienen, wie Lehrwerkstätten oder integrative Betriebe.

..."

Umstritten ist im vorliegenden Fall, ob die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des § 53b Abs. 2 Z 1 ASVG erfüllt. Trotz des Einspruchsvorbringens der Beschwerdeführerin, dass sie nur etwa 30 Dienstnehmer beschäftige, verneinte die belangte Behörde dies im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin Teil eines " Firmenkonglomerates" sei und keine eigenständige unternehmerische Entscheidungskompetenz habe, sodass sie nicht "für sich getrennt zu betrachten" sei.

Wenn in Bestimmungen des ASVG der Begriff des Dienstgebers verwendet wird, dann ist - sofern nicht aus besonderen Gründen davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber etwas anderes gemeint hat - dieser Begriff im Sinne des § 35 ASVG zu verstehen. Als Dienstgeber im Sinne des ASVG gilt gemäß § 35 Abs. 1 ASVG derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs-(Lehr-)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.

Die belangte Behörde stellte nicht in Abrede, dass die Beschwerdeführerin als juristische Person Dienstgeberin der Dienstnehmerin L. im Sinne des § 35 ASVG gewesen ist, bezüglich welcher ein Zuschuss zur Entgeltfortzahlung beantragt worden ist.

Wenn § 53b Abs. 2 Z. 1 ASVG von Dienstgebern spricht, die "in ihrem Unternehmen" weniger als 51 Dienstnehmer beschäftigen, dann sind damit zweifelsfrei Unternehmen gemeint, die auf Rechnung und Gefahr dieses Dienstgebers geführt werden, da die in diesen Betrieben Beschäftigten sonst nicht als Dienstnehmer dieses Dienstgebers anzusehen wären, der den Zuschuss anstrebt und um den es daher in dieser Bestimmung geht.

Die Rechtsansicht der belangten Behörde ist daher schon deshalb verfehlt, weil § 53b ASVG keinerlei Anhaltspunkt dafür bietet, dass es bei der Zählung im Sinne des § 53b Abs. 2 Z. 1 ASVG auch Dienstnehmer einzubeziehen wären, die nicht in einem Dienstverhältnis zu jenem Dienstgeber stehen, welcher die Entgeltfortzahlung geleistet hat. Einen Anhaltspunkt dafür, dass auch sonstige rechtliche oder wirtschaftliche Verhältnisse des Dienstgebers, insbesondere solche zu anderen Gesellschaften (der "Konzernmutter") entscheidungsrelevant sind, gibt es nicht.

Abgesehen davon, dass bei einem anderen Verständnis § 2 der Verordnung BGBl. II Nr. 443/2002 gesetzwidrig wäre, ist auch aus dieser Regelung in keiner Weise ableitbar, dass neben der Anzahl der Dienstverhältnisse des konkreten Dienstgebers noch sonstige rechtliche oder wirtschaftliche Beziehungen dieses Dienstgebers oder Dienstverhältnisse zu anderen Dienstgebern im Hinblick auf die Gewährung des Zuschusses zur Entgeltfortzahlung von Bedeutung sind. Die diesbezüglichen Überlegungen der belangten Behörde erweisen sich daher als solche rechtspolitischer Natur.

Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 110 ASVG geltende sachliche Abgabenfreiheit abzuweisen.

Wien, am