VwGH vom 25.09.2002, 97/13/0070
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des H in B, vertreten durch Dr. Peter Hauser, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Haunspergstraße 33, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 7 - 924/2/95, betreffend Sicherstellungsauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 938,52 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Sicherstellungsauftrag vom ordnete das Finanzamt gemäß § 232 BAO die Sicherstellung in das Vermögen des Beschwerdeführers zur Sicherung näher bezeichneter Beträge an Einkommensteuer für 1985 bis 1992 und an Gewerbesteuer für 1985 bis 1988, 1991 und 1992 im Gesamtausmaß von S 679.800,-- an. Zur Begründung führte das Finanzamt an, dass der dringende Verdacht einer Abgabenhinterziehung gegeben sei, dass der Beschwerdeführer seine Geschäfte über eine Briefkastenfirma in Luxemburg abwickle und dass daher der begründete Verdacht einer Vermögensverschleppungsabsicht ins Ausland bestehe.
In der dagegen erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer unter Anführung eines Wohnsitzes in Ungarn das Bestehen der besicherten Abgabenansprüche und einer Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung ab und stützte sich darauf, dass im Rahmen einer am vorgenommenen Hausdurchsuchung Beweismittel aufgefunden und beschlagnahmt worden seien, welche geeignet seien, den Nachweis für die unbeschränkte Steuerpflicht des Beschwerdeführers im Inland zu erbringen. Beim Finanzamt Graz-Stadt seien von ihm durchgeführte Einfuhren (überwiegend Gänseleber) hinsichtlich Umsatzsteuer selbst angezeigt worden. Aus diesen vom Beschwerdeführer getätigten Einfuhrumsätzen sei das Zufließen entsprechender Gewinne, die bislang in Österreich weder zur Einkommen- noch zur Gewerbesteuer herangezogen worden seien, ableitbar.
Im Vorlageantrag führte der Beschwerdeführer neuerlich einen Wohnort in Ungarn an und brachte vor, dass "durch nichts erwiesen ist, dass eine Steuerpflicht des Berufungswerbers im Inland besteht". Insbesondere würden "das Ausweisen von Einfuhrumsatzsteuer beim Finanzamt Graz-Stadt nicht die Einkommen- und Gewerbesteuerpflicht in Österreich" beweisen. Tatsächlich habe der Beschwerdeführer keinen Wohnsitz in Österreich, sondern sei vielmehr an der angeführten ungarischen Anschrift wohnhaft.
In einem Bericht vom gelangte der Prüfer im Gefolge einer vom Finanzamt Graz-Stadt gemäß § 151 Abs. 1 BAO durchgeführten Prüfung der Aufzeichnungen betreffend Umsatzsteuer für 1984 bis 1992 zur Feststellung, dass "anlässlich der am in den Räumlichkeiten in Wien, A. (Wohnsitz des Beschwerdeführers) erfolgten Hausdurchsuchung" u.a. Briefpapier mit dem Aufdruck "C- S.A., (Beschwerdeführer), Repräsentant für Österreich und BRD, Bestelladresse: 1030 Wien, A., Telefon (0222) 7...", Blankorechnungen mit demselben Aufdruck und Quittungsblöcke mit dem Vermerk "Betrag inkl. MwSt bitte an (Beschwerdeführer), (Bankverbindung) - Wien, Kontonummer ... überweisen" sowie Belege über die Lebenshaltungskosten des Beschwerdeführers gefunden worden seien. Daher nehme es der Prüfer als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer die Rechnungen missbräuchlich auf den Namen und die Anschrift der C- S.A. in Luxemburg ausgestellt und im Prüfungszeitraum (1984 bis 1992) tatsächlich einen eigenen Handel mit Kaviar, Gänseleber usw. von Wien, A., aus betrieben habe. Deshalb sei nicht das Finanzamt Graz-Stadt, sondern ein Finanzamt in Wien zuständig.
Im Zuge einer Buch- und Betriebsprüfung des Finanzamtes in Wien über die Jahre 1984 bis 1994 kam der Prüfer in seinem Bericht vom u.a. zum Ergebnis (Tz 20), dass der Beschwerdeführer im Prüfungszeitraum seinen Wohnsitz in Wien, A., innegehabt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich gehabt habe. Daher sei er in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Der Prüfer stützte sich dabei u.a. auf die erwähnten, bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmten Unterlagen und auf die Aussagen mehrerer, 1994 und 1995 als Zeugen vernommener Personen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und führte zunächst an, dass der Sicherstellungsauftrag anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung (Umsatzsteuerprüfung) ergangen sei, welche auf Grund der durchgeführten Erhebungen auch festgestellt habe, dass der Beschwerdeführer an der Anschrift Wien, A., zumindest seit 1984 einen Wohnsitz habe. Diese Feststellungen seien in der Folge durch weitere Erhebungen der Betriebsprüfung bestätigt worden. Danach habe der Beschwerdeführer im Prüfungszeitraum 1984 bis 1994 in der Wohnung seines Vaters an der angeführten Anschrift ein Zimmer innegehabt bzw. diese Wohnung benutzt. Die Betriebsprüfung habe sich dabei auf Zeugenaussagen bzw. auf Unterlagen, die anlässlich einer in dieser Wohnung durchgeführten Hausdurchsuchung vorgefunden und beschlagnahmt worden seien, stützen können. Der Beschwerdeführer habe für seine Behauptung, dass er in Ungarn einen Wohnsitz habe und daher mit seinen Einkünften in Österreich nicht steuerpflichtig sei, im Zuge der Betriebsprüfung keinerlei Beweise erbringen können. Daher gehe die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer in dem für den Sicherstellungsauftrag maßgeblichen Zeitraum einen Wohnsitz iSd § 26 BAO im Inland gehabt habe und unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sei. Ebenso bestehe Gewerbesteuerpflicht, weil im Hinblick auf die Feststellung der Betriebsprüfung ein Gewerbebetrieb im Inland vorliege. Zur Entstehung des Abgabenanspruches führte die belangte Behörde weiters aus, dass der Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitraum Gänseleber und in geringem Ausmaß auch Kaviar nach Österreich eingeführt und hier verkauft habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene
Beschwerde erwogen:
§ 232 Abs. 1 BAO lautet:
"§ 232. (1) Die Abgabenbehörde kann, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden."
Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages setzt zunächst die Verwirklichung jenes Tatbestandes voraus, an den die Abgabepflicht geknüpft ist. Im Hinblick auf die auch für Sicherstellungsaufträge geltende Begründungspflicht (§ 93 Abs. 3 lit. a BAO) muss die Begründung der einen Sicherstellungsauftrag bestätigenden Berufungsentscheidung erkennen lassen, welcher konkreter Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde und welche Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung dafür maßgebend waren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 97/14/0004).
Der Beschwerdeführer rügt u.a., dass die belangte Behörde bei ihrer Annahme, der Beschwerdeführer habe im Streitzeitraum einen Wohnsitz im Inland gehabt, darauf verweist, dass die Feststellungen einer (ersten) abgabenbehördlichen Prüfung in der Folge durch weitere Erhebungen der Betriebsprüfungen bestätigt worden seien und "die Betriebsprüfung" sich dabei auf Zeugenaussagen habe stützen können. Dazu habe er sich nicht äußern können, er habe in Österreich keinen Wohnsitz, sondern lediglich in Ungarn.
Nun trifft es gewiss zu - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift hervorhebt -, dass ein Sicherstellungsbescheid kein abschließender Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO ist, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende "Sofortmaßnahme", welche dazu dient, selbst vor Feststellung der genauen Höhe der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabenschuld gefährdet oder wesentlich erschwert wäre, und dass es in der Natur der Sache einer solchen Maßnahme liegt, dass diese nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden kann, sondern dass es genügt, dass die Abgabenschuld dem Grunde nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich bedeutsamen Tatbestandes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung bzw. wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 96/15/0271, und das bereits erwähnte Erkenntnis vom ). Dies enthebt die belangte Behörde jedoch nicht der Pflicht, dem Beschwerdeführer zu denjenigen Beweisen, auf welche sie ihre Sachverhaltsfeststellungen zum Entstehen des Abgabenanspruchs dem Grunde nach - sofern dieses nicht außer Streit steht, wovon im Beschwerdefall nicht die Rede sein kann - in Ausführung der Beweiswürdigung stützt, die Gelegenheit zur Äußerung zu bieten.
Der von der belangten Behörde gezogene rechtliche Schluss, der Beschwerdeführer habe in den in Rede stehenden Jahren 1985 bis 1992 an der angeführten Anschrift in Wien, A., einen Wohnsitz iSd § 26 Abs. 1 BAO gehabt, beruht auf der Sachverhaltsfeststellung, er habe an der Anschrift in der Wohnung seines Vaters ein Zimmer innegehabt bzw. diese Wohnung benutzt. Die zu dieser Sachverhaltsannahme führende Beweiswürdigung der belangten Behörde erschöpft sich in der Wiedergabe, dass die Betriebsprüfung sich dabei auf Zeugenaussagen und auf die bei der erwähnten Hausdurchsuchung beschlagnahmten Unterlagen habe stützen können und dass der Beschwerdeführer für seine Behauptung eines Wohnsitzes in Ungarn im Zuge der Betriebsprüfung keine Beweise habe erbringen können. Dass das Ergebnis der Zeugenvernehmungen außer Betracht gelassen werden könnte, ohne dass die belangte Behörde zu einer anderen Sachverhaltsfeststellung gelangt wäre, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.
Dem Verwaltungsgerichtshof obliegt die Prüfung der Beweiswürdigung dahingehend, ob die Tatsachenfeststellungen auf aktenwidrigen Annahmen beruhen, gegen die Denkgesetze oder das allgemeine menschliche Erfahrungsgut verstoßen oder in einem mangelhaften Verfahren zustande gekommen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2000/13/0031).
In den vorgelegten Verwaltungsakten ist ein Betriebsprüfungsbericht vom enthalten, welcher ein sehr ausführliches Beweisverfahren und insbesondere die Aussagen verschiedener Zeugen wiedergibt. Dass dieser Bericht dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gelangt (zugestellt) worden wäre oder der Beschwerdeführer sich zu den Zeugenaussagen während der Betriebsprüfung hätte äußern können, geht aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht hervor. Auch könnte ein dem Beschwerdeführer (allenfalls) zur Kenntnis gebrachter Betriebsprüfungsbericht vom keine ausreichende Gelegenheit zur Äußerung bieten, wenn der auf diesen Bericht und darin enthaltene Ausführungen abstellende angefochtene Bescheid bereits am ergeht.
Da der angefochtene Bescheid weder die Namen der vernommenen Zeugen noch den Inhalt ihrer Aussagen wiedergibt, brauchte der im Berufungsverfahren wie auch in der Beschwerde einen Wohnsitz in Österreich in Abrede stellende Beschwerdeführer - unbeschadet der dem Betriebsprüfungsbericht zu entnehmenden Ansicht des Prüfers, der Beschwerdeführer habe während der Betriebsprüfung einen Wohnsitz in Österreich zugestanden - den Zeugenaussagen nichts näheres entgegensetzen.
Mit der aufgezeigten Mangelhaftigkeit des Verfahrens hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben war.
Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die Beschwerdeausführungen über die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgaben einzugehen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das abgewiesene Mehrbegehren betrifft Stempelgebühren für Beilagen, welche über die Gebühr für die erforderliche Beilage des angefochtenen Bescheides hinaus gehen. Gemäß § 3 Abs. 2 Z 2 Eurogesetz BGBl. I Nr. 72/2000 waren die Beträge in Euro auszudrücken.
Wien, am