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VwGH vom 25.06.1996, 94/17/0419

VwGH vom 25.06.1996, 94/17/0419

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Korneuburg, vertreten durch den Bürgermeister, dieser vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. II/1-BE-201-24/1-94, betreffend Vorstellung i.A. Kanaleinmündungsabgabe (mitbeteiligte Partei:

M Holding Aktiengesellschaft in L, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 11.300,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die ursprünglich zu HRB 1365 des Landesgerichtes Linz protokollierte Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei führte bis die Firmenbezeichnung Österreichische Schiffswerften Aktiengesellschaft Linz-Korneuburg. Am wurde die Firmenbezeichnung auf ÖSWAG Holding Aktiengesellschaft geändert. Mit Verschmelzungsvertrag vom und aufgrund des Hauptversammlungsbeschlusses vom wurde diese Gesellschaft als übernehmende Gesellschaft mit der M Holding Aktiengesellschaft als übertragender Gesellschaft zur mitbeteiligten Partei verschmolzen. Gleichzeitig wurde der Firmenwortlaut auf M Holding Aktiengesellschaft geändert.

Die damals unter der Bezeichnung Österreichische Schiffswerften AG Linz-Korneuburg firmierende Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei war im Juni 1992 Eigentümerin der an der Adresse Korneuburg, Am Hafen 6, gelegenen Grundstücke 533/17, 533/47, 533/56, 533/57, 897/1, 916/3, 1334/2, 1334/4, .262, .1326, .1327, .1328 und .1567.

An der vorgenannten Adresse hatte die ÖSWAG Werft Korneuburg GesmbH ihren Firmensitz.

Mit einem an "Firma ÖSWAG, in Korneuburg, Am Hafen 6" gerichteten Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom wurde der Adressatin gemäß § 17 Abs. 1 und 3 des Niederösterreichischen Kanalgesetzes, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung der Niederösterreichischen Landesregierung, LGBl. 8230-0 (im folgenden NÖ KanalG 1977), für "ihr Grundstück" an der genannten Adresse der Anschluß an den im Straßenzug "Am Hafen" neu gelegten Schmutzwasserkanal aufgetragen. Der Bescheid führt als Betreff ausdrücklich (nur) die obgenannten Grundstücke an. Dieser Bescheid wurde nach dem Inhalt des Rückscheines am von einem Angestellten der Österreichischen Schiffswerften Aktiengesellschaft Linz-Korneuburg übernommen.

Mit dem am zugestellten Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde wurde der ÖSWAG Holding AG für den Anschluß der "Liegenschaft, Korneuburg, Am Hafen 6" an den öffentlichen Mischwasserkanal eine Kanaleinmündungsabgabe von S 2,511.081,43 vorgeschrieben. Dagegen erhob diese Gesellschaft Berufung.

Mit Berufungsbescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom wurde der Berufungswerberin gemäß §§ 2 und 3 NÖ KanalG 1977 für den Anschluß der Liegenschaft in Korneuburg, Am Hafen 6, betreffend die im Bescheid vom genannten Grundstücke und darüberhinaus die Grundstücke .1325, 533/10, .1570, 533/24, ebenfalls der KG Korneuburg, an den öffentlichen Schmutzwasserkanal, ausgehend von einer nicht näher aufgeschlüsselten Berechnungsfläche von 14.920,27 m2 und einem Einheitssatz von S 153,-- eine Kanaleinmündungsabgabe im Gesamtbetrag von S 2.511.081,43 vorgeschrieben und ausgesprochen, daß dieser Betrag innerhalb eines Monates nach Zustellung des Bescheides zu entrichten sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die ÖSWAG Holding Aktiengesellschaft Vorstellung, in der sie vorbrachte, die gegenständlichen Liegenschaften seien an die öffentliche Kanalanlage nicht angeschlossen. Ein Anschluß an die Kanalanlage sei auch nicht möglich, weil diese noch nicht fertiggestellt sei. Der Bescheid vom habe ihr gegenüber keine Wirksamkeit entfaltet. Er sei an die ÖSWAG Werft Korneuburg GesmbH zugestellt worden. Nur diese habe ihren Sitz an der im Bescheid genannten Adresse, während der Sitz der Vorstellungswerberin Linz sei. Im übrigen bestünde auch keine Anschlußverpflichtung aus dem Grunde des § 56 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung der Niederösterreichischen Landesregierung, LGBl. 8200-0 (im folgenden: NÖ BauO 1976), weil die Anschlußleitung zur Liegenschaft der Vorstellungswerberin länger als fünfzig Meter sei. Hilfsweise werde geltend gemacht, daß der bekämpfte Abgabenbescheid eine unrichtige Bemessungsgrundlage enthalte. Mit dem Bescheid sei eine Kanaleinmündungsabgabe von S 2.511.081,43 für den Anschluß der in der Berufungsentscheidung angeführten Grundstücke vorgeschrieben worden. Nicht einmal der Bescheid vom habe sich auf sämtliche im Abgabenbescheid angeführte Grundstücke bezogen.

Die beschwerdeführende Stadtgemeinde berief sich im Vorstellungsverfahren darauf, daß die öffentliche Mischwasserkanalisation bereits im August 1993 bis zum Haupteingang "der genannten Liegenschaft" verlegt wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Vorstellung Folge, hob den angefochtenen Bescheid der Berufungsbehörde auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde.

Begründend führte sie nach Wiedergabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen aus, gemäß § 2 Abs. 1 NÖ KanalG 1977 sei die Kanaleinmündungsabgabe für den Anschluß an die öffentliche Kanalanlage zu entrichten. Der abgabenrechtliche Tatbestand sei daher die faktische Herstellung des Anschlusses an die Kanalanlage. Demgegenüber regle § 12 Abs. 1 NÖ KanalG 1977 - davon abweichend - lediglich den Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld der Kanaleinmündungsabgabe. Dieser Zeitpunkt sei für die anzuwendende Rechtslage und für den Beginn des Laufes der Verjährungsfrist von Bedeutung. Eine Vorschreibung der Abgabe sei erst nach diesem Zeitpunkt möglich, jedoch nur dann, wenn im Zeitpunkt der Vorschreibung auch schon der Anschluß an die Kanalanlage faktisch hergestellt sei.

Die Auslegung der beschwerdeführenden Stadtgemeinde, bereits die Schaffung einer Anschlußmöglichkeit und die rechtskräftige Entscheidung über die Verpflichtung zum Anschluß verwirkliche den Abgabentatbestand, führe zu unüberwindbaren Problemen bei der Berechnung der Höhe der Abgabe, zumal § 3 Abs. 2 NÖ KanalG 1977 bestimme, daß nicht angeschlossene Gebäude zur unbebauten Fläche zählten. Daß auch solche Gebäude (Geschoße), die mit der öffentlichen Kanalanlage zwar in Verbindung zu bringen, jedoch noch nicht angeschlossen worden seien, zu berücksichtigen wären, lasse sich dem Wortlaut des Gesetzes nicht entnehmen. Der angefochtene Bescheid sei daher schon deshalb rechtswidrig, weil zwischen den Parteien des Vorstellungsverfahrens unstrittig sei, daß ein tatsächlicher Anschluß der Liegenschaft an den Kanal nicht erfolgt sei.

Im übrigen liege auch kein rechtskräftiger Bescheid über die Verpflichtung zum Anschluß gegenüber der Vorstellungswerberin vor. Im Hinblick darauf, daß im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides sowohl eine "ÖSWAG Werft Korneuburg GesmbH", als auch eine "Österreichische Schiffswerften AG Linz-Korneuburg" existierten, sei aus der Adressierung des Bescheides an "ÖSWAG" nicht erkennbar, für welche dieser Gesellschaften der Bescheid bestimmt sei.

Zudem komme dem Einwand der Vorstellungswerberin, die Grundstücksnummern im Betreff des Bescheides vom stimmten nicht mit jenen im Spruch des mit Vorstellung bekämpften Bescheides überein, Berechtigung zu. Auch aus diesem Grund sei die Vorschreibung der Kanaleinmündungsabgabe durch die Berufungsbehörde rechtswidrig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die beschwerdeführende Stadtgemeinde erachtet sich erkennbar in ihrem Recht, daß ein im eigenen Wirkungsbereich ergangener letztinstanzlicher Bescheid der Gemeindebehörden nur dann von der Vorstellungsbehörde behoben wird, wenn durch ihn Rechte des Einschreiters verletzt wurden, sowie in ihrem Recht verletzt, daß die Gemeindebehörden nicht an eine unrichtige Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden werden. Die beschwerdeführende Stadtgemeinde beantragt, den bekämpften Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - wie auch die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift. In diesen Gegenschriften wird jeweils beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 2 NÖ KanalG 1977 in der Fassung der Novellen LGBl. 8230-1

und 8230-2 (das ist jene Fassung, wie sie seit in Geltung steht) lautet:

"§ 2

Kanaleinmündungsabgabe, Ergänzungsabgabe

(1) Für den Anschluß an die öffentliche Kanalanlage ist eine Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten.

(2) Eine Kanaleinmündungsabgabe ist auch für bereits an einen Kanal angeschlossene Liegenschaften, selbst wenn schon einmal eine Abgabe oder eine vergleichbare Leistung für den Kanalanschluß erbracht wurde, dann einzuheben, wenn

a) ein Regenwasserkanal in einen Mischwasserkanal umgestaltet oder durch einen solchen ersetzt wird;

b) ein Schmutzwasserkanal in einen Mischwasserkanal umgestaltet oder durch einen solchen ersetzt wird;

c) ein Mischwasserkanal für Niederschlagswässer und gereinigte Schmutz- und Fäkalwässer in einen Mischwasserkanal für Niederschlags- und ungereinigte Schmutz- und Fäkalwässer umgestaltet oder durch einen solchen ersetzt wird, oder

d) eine vorhandene Kanalanlage so umgestaltet oder durch eine neue ersetzt wird, daß dadurch ein erhöhter Reinigungsgrad der Abwässer erzielt wird.

(3) ..."

§ 3 leg. cit. in der seit in Kraft stehenden Fassung der Novelle LGBl. 8230-3 bestimmt:

"§ 3

(1) Die Höhe der Kanaleinmündungsabgabe ergibt sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche (Abs. 2) mit dem Einheitssatz (Abs. 3).

(2) Die Berechnungsfläche wird in der Weise ermittelt, daß die Hälfte der bebauten Fläche mit der um 1 erhöhten Zahl der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoße multipliziert und das Produkt um 15 v.H. der unbebauten Fläche vermehrt wird. Nicht angeschlossene Gebäude oder Gebäudeteile zählen zur unbebauten Fläche.

(3) Der Einheitssatz (Abs. 1) ist vom Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung (§ 6) festzusetzen; ..."

§§ 9, 12 Abs. 1 und 17 Abs. 3 NÖ KanalG 1977 lauten:

"§ 9

Abgabepflichtiger

Die Kanalerrichtungsabgabe und Kanalbenützungsgebühr sind unabhängig von der tatsächlichen Benützung der öffentlichen Kanalanlage von jedem Liegenschaftseigentümer zu entrichten, für dessen Liegenschaft die Verpflichtung zum Anschluß besteht oder der Anschluß bewilligt wurde. ...

§ 12

Entstehung der Abgabenschuld, Zahlungstermine

(1) Ist die Kanaleinmündungsabgabe (Ergänzungsabgabe, Sonderabgabe) anläßlich einer Bauführung zu entrichten, so entsteht die Abgabenschuld mit Eintritt der Rechtskraft der Benützungsbewilligung, wenn aber eine solche nicht erforderlich ist, mit Ablauf des Tages, an dem die Bauführung tatsächlich beendet wurde; in allen anderen Fällen mit der Rechtskraft des Bescheides über die Verpflichtung zum Anschluß (§ 17 Abs. 3) bzw. bei der Ergänzungsabgabe mit dem Eintritt der Änderung.

(2) ...

§ 17

Hauskanäle, Anschlußleitungen

...

(3) Bei Neulegung eines Hauptkanales der Gemeinde hat der Bürgermeister (Magistrat) den Liegenschaftseigentümern, für die dadurch eine Anschlußpflicht eintritt, rechtzeitig durch Bescheid den Anschluß aufzutragen. Die Liegenschaftseigentümer sind nach Rechtskraft des Bescheides verpflichtet, binnen vier Wochen um die baubehördliche Bewilligung anzusuchen und unverweilt für den rechtzeitigen Anschluß der Hauskanäle Vorsorge zu treffen. Mit der Bauführung muß spätestens zwei Wochen nach Zustellung der baubehördlichen Bewilligung begonnen und diese längstens drei Monate nach Baubeginn beendet sein. Diese Fristen können in Einzelfällen vom Bürgermeister (Magistrat) auf begründetes schriftliches Ansuchen verlängert werden.

..."

§ 56 Abs. 2 NÖ BauO 1976 in der im Zeitpunkt der von den Abgabenbehörden der Gemeinde angenommenen Rechtskraft des Bescheides über die Anschlußverpflichtung im Juni 1992 gültigen Fassung der Novelle LGBl. 8200-6 lautete:

"§ 56

Abwässerbeseitigung

(1) ...

(2) In Gemeinden mit öffentlichen Kanälen zur Beseitigung der Abwässer sind die Abwässer unter Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften durch flüssigkeitsdichte, entsprechend bemessene und in frostfreier Tiefe verlegte Rohrleitungen in diese Kanäle abzuleiten, wenn jeweils

1. die Anschlußleitung (§ 17 Abs. 2 des NÖ Kanalgesetzes 1977, LGBl. 8230-2) nicht länger als 50 m und

2. die Ableitung in den öffentlichen Kanal ohne Pumpvorgang möglich ist. ..."

Auf Basis dieser Rechtslage steht zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zunächst in Streit, ob - wie die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei meinen - der faktische Anschluß der Liegenschaft an die öffentliche Kanalanlage eine notwendige Voraussetzung für die bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe darstellt. Gemäß § 3 Abs. 1 der Niederösterreichischen Landesabgabenordnung, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung der Niederösterreichischen Landesregierung LGBl. 3400-0 (im folgenden: NÖ LAO 1977), entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschrift die Abgabepflicht knüpft. Aus dem Wesen der "Festsetzung" und aus der rechtlichen Konstruktion der Abgabenschuldverhältnisse, die bereits mit Verwirklichung eines Abgabentatbestandes, also aus dem Gesetz heraus entstehen, ergibt sich, daß der Abgabenbescheid seinen wesentlichen Merkmalen nach feststellender Natur ist. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. Stoll, BAO II, 2073 f). Daraus ergibt sich, daß die Abgabe festzusetzen ist, sobald der Abgabenanspruch entstanden ist. Da sich der Abgabenanspruch der Gemeinde aus der Sicht des Abgabepflichtigen als Abgabenschuld darstellt, folgt, daß die Abgabenfestsetzung zulässig ist, sobald die Abgabenschuld entstanden ist, also bei der Kanaleinmündungsabgabe aufgrund der ausdrücklichen Anordnung des § 12 Abs. 1 NÖ KanalG 1977 im hier vorliegenden Fall mit Rechtskraft des Bescheides über die Verpflichtung zum Anschluß im Sinne des § 17 Abs. 3 NÖ KanalG 1977.

Diese Auffassung liegt auch den hg. Erkenntnissen vom , Zl. 86/17/0090, und vom , Zl. 95/17/0452, zugrunde, in denen der Verwaltungsgerichtshof aussprach, daß die Kanaleinmündungsabgabe zwar gemäß § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 NÖ KanalG 1977 "für den Anschluß" einer Liegenschaft an bestehende öffentliche Schmutz-, Misch- oder Regenwasserkanalanlagen zu entrichten ist, jedoch aus § 12 Abs. 1 NÖ KanalG 1977 folgt, daß es auf den TATSÄCHLICHEN ANSCHLUß nicht ankommt, sondern die Gebührenschuld mit der Rechtskraft des Bescheides über die Verpflichtung zum Anschluß entsteht.

Die hier und in den zitierten Erkenntnissen vertretene Interpretation findet ihre Stütze auch in § 9 Abs. 1 NÖ KanalG 1977, welcher anordnet, daß die Kanalerrichtungsabgabe von jedem Liegenschaftseigentümer zu entrichten ist, für dessen Liegenschaft DIE VERPFLICHTUNG ZUM ANSCHLUß besteht oder der Anschluß bewilligt wurde. Die von der belangten Behörde postulierte Voraussetzung, es müsse auch ein tatsächlicher Anschluß erfolgt sein, ist der zitierten Gesetzesbestimmung nicht zu entnehmen.

Teilte man die Auffassung der belangten Behörde, der in § 12 Abs. 1 NÖ KanalG 1977 umschriebene Tatbestand sei im Sinne des § 157 NÖ LAO 1977 für den Beginn der Frist für die Festsetzungsverjährung des § 156 leg. cit. maßgeblich, sein Vorliegen allein berechtige aber nicht zur Erlassung eines Abgabenfestsetzungsbescheides, gelangte man zu dem Ergebnis, das Recht, die Abgabe festzusetzen, könne verjähren, ohne daß die Ausübung desselben überhaupt zulässig wäre.

Zweck des § 12 Abs. 1 NÖ KanalG 1977 ist es, zu vermeiden, daß der Abgabepflichtige durch Säumnis mit der Erfüllung der gemäß § 17 Abs. 3 NÖ KanalG 1977 aufgetragenen Verpflichtungen das Entstehen des Abgabenanspruches der Gemeinde verzögern kann.

An dieser Interpretation vermag auch der Hinweis der belangten Behörde auf § 3 Abs. 2 NÖ KanalG 1977 nichts zu ändern. Es trifft zwar zu, daß bei wörtlicher Interpretation nur der zitierten Gesetzesbestimmung die Berechnungsfläche vor Herstellung des faktischen Anschlusses unabhängig von der Aufteilung zwischen bebauter und unbebauter Fläche stets 15 v.H. der Gesamtfläche betragen würde. Wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Vorstellungsbescheides jedoch selbst erkennt, läßt sich diese - von ihr selbst als dem Sinn des Gesetzes widersprechend erkannte - Konsequenz durch systematisch-teleologische Interpretation der Norm dahingehend vermeiden, daß aufgrund der Anordnung des § 12 Abs. 1 NÖ KanalG 1977 Geschoße, Gebäude oder Gebäudeteile auch im Sinne des § 3 Abs. 2 leg. cit. als angeschlossen gelten, wenn sie sich auf der im Anschlußverpflichtungsbescheid angeführten Liegenschaft befinden und infolge des in ihnen auftretenden Anfalles von Abwässern in Erfüllung der Bestimmung des § 56 Abs. 2 NÖ BauO 1976 mit der öffentlichen Kanalanlage in Verbindung zu bringen sind.

Das von der mitbeteiligten Partei in ihrer Gegenschrift erwähnte hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/17/0093, steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen, zumal dort lediglich ausgesprochen wird, daß die beiden Fälle des § 12 Abs. 1 NÖ KanalG 1977 nicht verschiedene Abgabentatbestände darstellen, sondern verschiedene Zeitpunkte für das Entstehen ein und derselben Gebührenschuld. Damit wurde nur zum Ausdruck gebracht, daß eine bereits "anläßlich einer Bauführung" entstandene Gebührenschuld durch einen später erlassenen Anschlußverpflichtungsbescheid nicht nochmals begründet werden kann.

Insoweit den hg. Erkenntnissen vom , Zl. 1940/65 (= Slg. Nr. 3477/F), und vom , Zl. 82/17/0085, die Auffassung zu entnehmen wäre, für die Bemessung der Abgabe sei auch der faktische Anschluß der Liegenschaft an die öffentliche Kanalanlage notwendig, bedurfte es im vorliegenden Fall keines verstärkten Senates aus dem Grunde des § 13 Abs. 1 Z. 2 VwGG, weil diese Entscheidungen im Hinblick auf die Novellierung des § 2 NÖ KanalG 1977 durch das LGBl. 8230-1 und des § 3 NÖ KanalG 1977 durch das LGBl. 8230-3 nicht zur hier anzuwendenden Rechtslage ergangen sind.

Aus diesen Erwägungen ist die tragende Hauptbegründung des angefochtenen Bescheides, die Schaffung einer Anschlußmöglichkeit UND die rechtskräftige Entscheidung über die Verpflichtung zum Anschluß seien keine ausreichende Grundlage für die Erlassung eines Abgabenfestsetzungsbescheides, inhaltlich unrichtig.

Damit kommt aber auch der Eventualbegründung, der Bescheid über die Anschlußverpflichtung sei nicht an die Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei ergangen, weil der Bescheidadressat nicht hinreichend definiert sei, Bedeutung zu.

Der in § 17 Abs. 3 NÖ KanalG 1977 vorgesehene Bescheid ergeht nicht im Abgabenverfahren, weshalb sich die Zulässigkeit seiner Berichtigung aus dem Grunde des Art. II Abs. 2 Z. 30 EGVG nach § 62 Abs. 4 AVG richtet. Nach dieser Bestimmung kann die Behörde in ihrem Bescheid unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeiten jederzeit von Amts wegen berichtigen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. 92/14/0026, ausgesprochen, daß in einem Fall, in welchem UNTER BERÜCKSICHTIGUNG DER RECHTSLAGE und DER BEGRÜNDUNG DES BESCHEIDES eindeutig und offenkundig bloß ein Fehler in der Bezeichnung des Bescheidadressaten, also ein Vergreifen im Ausdruck und damit eine gemäß dem - der Bestimmung des § 62 Abs. 4 AVG weitgehend entsprechenden - § 293 Abs. 1 BAO berichtigungsfähige (wenn auch allenfalls noch nicht bescheidmäßig berichtigte) Unrichtigkeit gegeben ist, nicht von einem (unzulässigen) Umdeuten, sondern von einem (zulässigen und gebotenen) "Deuten" des bloß fehlerhaft bezeichneten Bescheidadressaten gesprochen werden kann. Die Anführung eines unrichtigen Bescheidadressaten steht diesfalls einer derartigen Deutung nicht entgegen (vgl. hiezu auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 91/15/0085, und vom , Zl. 92/10/0077). All diese Entscheidungen betonen, daß bei der Deutung des Bescheidadressaten auch die objektive Rechtslage und die Bescheidbegründung heranzuziehen sind. Im vorliegenden Fall ist unstrittig, daß die Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei Eigentümerin der den Gegenstand des Anschlußverpflichtungsbescheides vom bildenden Liegenschaften war. Für abweichende Eigentumsverhältnisse an den darauf errichteten Bauwerken bestehen keine Anhaltspunkte. Die Formulierung "... wird Ihnen hiemit für Ihr Grundstück ..."

in diesem Bescheid läßt eindeutig darauf schließen, daß die Behörde gemäß § 17 Abs. 3 NÖ KanalG 1977 dem LIEGENSCHAFTSEIGENTÜMER den Anschluß auftragen wollte. Unter diesem Gesichtspunkt ist aber die Bezeichnung des Bescheidadressaten mit "ÖSWAG" als "Österreichische Schiffswerften AG Linz-Korneuburg" zu deuten, wenngleich auch eine unter der genannten Adresse firmierende "ÖSWAG Werft Korneuburg GesmbH" existierte, für deren Inanspruchnahme aber unter Berücksichtigung der objektiven Rechtslage und der Begründung des Bescheides keine Anhaltspunkte vorlagen.

Bei Zutreffen der nach dem Inhalt des Rückscheines vorliegenden Voraussetzung, daß dieser Bescheid von einem Angestellten der Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei übernommen wurde und diese an der Zustelladresse eine Abgabestelle im Sinne des § 4 ZustellG hatte, wäre der Anschlußverpflichtungsbescheid vom daher gegen diese ergangen.

Damit erweist sich aber auch die Eventualbegründung der belangten Behörde, der in Rede stehende Bescheid sei nicht an die Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei adressiert gewesen, als unrichtig.

Da die Gemeindebehörden im fortgesetzten Verfahren an die von der Vorstellungsbehörde ausdrücklich geäußerte, tragende, der Rechtsauffassung der Berufungsbehörde widersprechende und objektiv unrichtige Rechtsansicht der Vorstellungsbehörde gebunden wären, ist die beschwerdeführende Stadtgemeinde durch die als rechtswidrig erkannten Begründungsteile des angefochtenen Bescheides in ihren Rechten verletzt, sodaß dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Demgegenüber wäre durch die Aufhebung des Berufungsbescheides allein mit der tragenden Begründung, die Grundstücksnummern im Betreff des Bescheides vom stimmten nicht mit jenen im Spruch des mit Vorstellung bekämpften Berufungsbescheides überein, keine Rechtsverletzung der beschwerdeführenden Gemeinde erfolgt. Der Anordnung des § 17 Abs. 3 NÖ KanalG 1977, wonach der Anschluß den Liegenschaftseigentümern aufzutragen ist, kann entnommen werden, daß die Anschlußpflicht für bestimmte, im Bescheid ausdrücklich anzuführende Liegenschaften auszusprechen ist. Unter Liegenschaften sind gemäß § 1a Z. 9 NÖ KanalG 1977 Grundstücke, die an eine öffentliche Kanalanlage anzuschließen bzw. bereits angeschlossen sind, sowie solche Grundstücke, die an ein anzuschließendes oder angeschlossenes Grundstück unmittelbar angrenzen und dem gleichen Liegenschaftseigentümer gehören, zu verstehen. Daraus ist zu folgern, daß der Auftrag gemäß § 17 Abs. 3 NÖ KanalG 1977 sich auf bestimmte Grundstücke zu beziehen hat. Dementsprechend führte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde im Betreff des Bescheides vom auch jene Grundstücke an, für die der Auftrag zum Anschluß an den Kanal gelten sollte. Nur in Ansehung dieser kann der Abgabentatbestand des § 12 Abs. 1 NÖ KanalG 1977 verwirklicht sein. Die Einbeziehung anderer Liegenschaften in die Berechnungsfläche gemäß § 3 Abs. 2 NÖ KanalG 1977 belastet den Berufungsbescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Da dieser Bescheid keine Aufgliederung in Bescheidpunkte nach Maßgabe dieser aufgezeigten Rechtswidrigkeit enthält, wäre auch seine gänzliche Aufhebung, jedoch allein aus dem von der belangten Behörde zuletzt angeführten Grund, unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Rechten der beschwerdeführenden Stadtgemeinde nicht zu beanstanden gewesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordung BGBl. Nr. 416/1994.