VwGH vom 24.03.1995, 91/17/0161
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Gruber, Dr. Höfinger und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des M in B, vertreten durch Dr. I, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landesabgabenamtes für Vorarlberg vom , Zl. LAA-004, betreffend Festsetzung einer Zwangsstrafe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Landesabgabenamtes für Vorarlberg vom wurde über den Beschwerdeführer eine Zwangsstrafe von S 4.000,-- verhängt.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es im wesentlichen, die Abgabenvorschriften, im gegenständlichen Fall der 4. Abschnitt des Bodenseefischereigesetzes, bestimmten, wer zur Einreichung einer Abgabenerklärung verpflichtet sei. Nach § 57 Abs. 1 AbgVG. sei zur Einreichung einer Abgabenerklärung ferner verpflichtet, wer hiezu von der Behörde aufgefordert werde. Die Verpflichtung, Erklärungen zu erstellen und der Behörde zuzuleiten, ergebe sich somit entweder aus den gesetzlichen Bestimmungen selbst (§ 17 des Bodenseefischereigesetzes) oder aus den behördlichen Einzelanforderungen (§ 57 Abs. 1 zweiter Satz AbgVG.). In beiden Fällen könne die Erfüllung der Erklärungspflicht gemäß § 48 AbgVG. erzwungen werden. Eine auf den zweiten Satz des § 57 Abs. 1 AbgVG. gestützte Einzelaufforderung zur Abgabe der Erklärung werde sich allerdings nur dann als gerechtfertigt und damit als erzwingbar erweisen, wenn nach den gegebenen Umständen bei dem Aufgeforderten die Möglichkeit einer Abgabenpflicht überhaupt bestehe. Stehe hingegen einwandfrei fest, daß eine Steuerpflicht nicht gegeben sein könnte, dürfe die Nichtbefolgung der behördlichen Aufforderung keine Folgen (Zwangsstrafen) auslösen. Daß die Möglichkeit einer Abgabepflicht beim Beschwerdeführer, der sich selbst als Fischereieigentümer bezeichne, bestehe, könne nicht in Abrede gestellt werden. Es sei unbestritten, daß die Bezirkshauptmannschaft Bregenz den Beschwerdeführer mit Schreiben vom aufgefordert habe, die fälligen Abgabenerklärungen für das 4. Quartal 1989 sowie für das Kalenderjahr 1990 zu übermitteln. Auch sei ihm für den Fall, daß er der Aufforderung keine Folge leiste, mit demselben Schreiben mitgeteilt worden, es werde gemäß § 48 AbgVG. eine Zwangsstrafe verhängt werden. Die mit dem Schreiben vom gesetzte Frist von zwei Wochen zur Übermittlung der fälligen Abgabenerklärung habe der Beschwerdeführer fruchtlos verstreichen lassen. Die Berufungsgründe bezögen sich lediglich auf den Beitrag zur Förderung der Bodenseefischerei und in keiner Weise auf die Pflicht zur Einreichung von Abgabenerklärungen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht verletzt, "zur Abgabe der angeforderten Abgabenerklärung nicht verpflichtet zu sein und demnach wegen Nichtabgabe dieser Erklärung keine Zwangsstrafe bezahlen zu müssen".
Die belangte Behörde legte die Akten des Abgabenverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Der Beschwerdeführer erstattete eine Replik auf die Gegenschrift der belangten Behörde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird geltend gemacht, daß der Beschwerdeführer nach dem Bodenseefischereigesetz, LGBl. für Vorarlberg Nr. 34/1976, i.d.F. LGBl. für Vorarlberg Nr. 67/1976 nicht beitragspflichtig sein könne. Es sei dem Beschwerdeführer nach Inkrafttreten des Bodenseefischereigesetzes zwar einmal ein Patent zur Ausübung der Berufsfischerei erteilt worden; dasselbe sei ihm jedoch im Jahr 1981 wieder entzogen worden. Abgesehen davon stehe er auf dem Standpunkt, daß er überhaupt keine Erlaubnis zur Ausübung der Fischerei benötige, weil ihm dieses Recht bereits auf Grund von Privatrechtstiteln zustehe. Sowohl er als auch sein Sohn, welcher sein einziger Rechtsnehmer in bezug auf sein ausschließliches Fischereirecht sei, dürften im Bodensee nicht fischen, weil dies die Bezirkshauptmannschaft Bregenz bzw. das Land Vorarlberg ausdrücklich untersagten. Aus diesem Grunde sei die Bezirkshauptmannschaft Bregenz nicht berechtigt, Beiträge zur Förderung der Bodenseefischerei ausgerechnet von ihm oder seinem Sohn einzuheben und hiefür entsprechende Abgabenerklärungen zu verlangen.
In der Beschwerde werden auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des § 57 Abs. 1 zweiter Satz AbgVG. geltend gemacht. Nach Auffassung des Beschwerdeführers könnte nämlich zur Einreichung einer Abgabenerklärung nur eine Person verpflichtet werden, welche nach irgendeiner Abgabenvorschrift hiezu auch verpflichtet sei, aber keineswegs jene, welcher ohne jedwede materielle Rechtsgrundlage von der Behörde einfach dazu aufgefordert werde; so gesehen könnte die Behörde die Abgabenerklärung für die Fischereiförderung "auch von einem (nicht fischenden) Bäckermeister" verlangen, nur weil sie ihn dazu aufgefordert habe.
§ 48 Abs. 1 AbgVG. lautet:
"(1) Die Behörden sind berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen."
§ 57 Abs. 1 AbgVG. hat folgenden Wortlaut:
"(1) Die Abgabenvorschriften bestimmen, wer zur Einreichung einer Abgabenerklärung verpflichtet ist. Zur Einreichung ist ferner verpflichtet, wer hiezu von der Behörde aufgefordert wird. Die Aufforderung kann auch durch Zusendung von Vordrucken der Abgabenerklärung erfolgen."
Abgabenerklärungen stellen ein gesetzlich bestimmtes Instrument der Offenlegung dar (vgl. § 54 Abs. 2 AbgVG.). Als ein derartiges Instrument (der Offenlegungs- und Wahrheitspflichten) soll es in erster Linie den Abgabenbehörden die Erfassung und Überprüfung aller abgabenrechtlich bedeutsamen Tatsachen ermöglichen und die Abgabenbehörden in die Lage versetzen, die ihnen insbesondere im § 51 und § 52 Abs. 1 auferlegten Pflichten zu erfüllen (vgl. zu den diesbezüglich inhaltsgleichen Regelungen der BAO Stoll, BAO, Kommentar, S. 1352).
Wie bereits aus dem Wortlaut des § 57 Abs. 1 AbgVG. zu folgern ist (arg.: "ferner"), ergibt sich die Verpflichtung zur Einreichung einer Abgabenerklärung entweder schon aus den speziellen Normen des Abgabenrechts selbst oder aus einer besonderen behördlichen Aufforderung im Einzelfall (vgl. zur inhaltsgleichen Regelung des § 133 Abs. 1 BAO das
hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/75, sowie Reeger-Stoll, Die Bundesabgabenordnung5, S. 203). Besteht (schon) eine gesetzliche Verpflichtung, so ist auf Erfüllung der sich bereits aus § 57 Abs. 1 erster Satz AbgVG. ergebenden Verpflichtung zu dringen; es ist jedoch nicht durch Aufforderung nach § 57 Abs. 1 zweiter Satz eine (weitere) Einreichungsverpflichtung zu begründen (vgl. dazu auch Stoll, a. a.O., S. 1503).
Der Verwaltungsgerichtshof ist derart auch nicht der Auffassung, daß die Regelung des zweiten Satzes des § 57 AbgVG. (lediglich) dazu dient, eine Abgabenerklärung anzufordern, wenn der Abgabenpflichtige seine bereits auf Grund der Abgabenvorschriften bestehende Erklärungspflicht nicht erfüllt (in diese Richtung weisend: Trzaskalik in Hübschmann-Hepp-Spitaler, AO9, Tz. 14 zu § 149 AO). Das Gesetz stellt im zweiten Satz des § 57 Abs. 1 AbgVG. nicht auf die Durchsetzung der sich bereits nach dem ersten Satz dieser Gesetzesstelle bestehenden Verpflichtung ab, sondern stellt die Abgabenerklärungspflicht kraft behördlicher Aufforderung jener der Abgabenerklärung kraft Gesetzes gegenüber ("... ist ferner verpflichtet, ...").
Wie Stoll (a.a.O., S. 1504) darlegt, kann § 57 Abs. 1 zweiter Satz AbgVG. (§ 133 Abs. 1 zweiter Satz BAO) nicht als Ermächtigung zu generellen "Erklärungsanforderungsaktionen" verstanden werden, sie bildet nicht eine Handhabe für generelle Maßnahmen einer allgemeinen Steueraufsicht. Stünde klar und einwandfrei fest, daß eine Abgabepflicht nicht entstanden sein kann oder bestehen nicht einmal abstrakte Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer Abgabepflicht, dann läge in der Aufforderung zur Einreichung einer Abgabenerklärung ein Ermessensmißbrauch. Es müsse vielmehr in bezug auf einen konkreten, wenn auch nur potentiellen Besteuerungsfall Zweifel bestehen. In diesem Sinne ist die gesetzliche (Ermessens-)Ermächtigung des § 57 Abs. 1 zweiter Satz AbgVG. (§ 133 Abs. 1 zweiter Satz BAO) als Mittel zu verstehen, sich auf Grund entsprechender konkreter Anhaltspunkte in Erfüllung des Amtswegigkeitsprinzips Gewißheit zu verschaffen, ob die Voraussetzungen für eine Abgabepflicht erfüllt sind oder nicht (vgl. nochmals Stoll, a.a.O., S. 1504).
Vor diesem Hintergrund sind im Beschwerdefall beim Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - dahin entstanden, daß der Sinn des Gesetzes, in dem die (Ermessens-)Ermächtigung des § 57 Abs. 1 zweiter Satz AbgVG. geübt werden soll, aus dem Gesetz nicht erkennbar sei und daher im Grunde der Art. 18 Abs. 1 und 130 Abs. 2 B-VG verfassungswidrig wäre.
Im Sinne des oben Gesagten vermag der Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall aber auch keinen Ermessensmißbrauch zu erkennen. Wie in der Gegenschrift der belangten Behörde - im Einklang mit der Aktenlage - vorgebracht wird, hat der Beschwerdeführer bis einschließlich
3. Quartal 1989 die Abgabenerklärungen (für erteilte Erlaubnisse zur Sportfischerei) eingereicht. Derart - und losgelöst von der Frage der Ausübung der Berufsfischerei - kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie im angefochtenen Bescheid von der Möglichkeit einer Abgabepflicht ausging. Nach dem oben Gesagten genügt es nämlich, daß bei der Behörde Zweifel in bezug auf einen konkreten, wenn auch nur potentiellen Besteuerungsfall bestehen. Wenn nunmehr in der Beschwerde vorgebracht wird, es sei "eine Erlaubnis zur Sportfischerei (nicht) erteilt" worden, so verkennt der Beschwerdeführer, daß die Abgabenerklärung eben dazu dient, die vordargestellten Zweifel zu beseitigen.
Wenn aber der Beschwerdeführer eine Beitragspflicht im Hinblick auf die behauptete Verfassungswidrigkeit des Bodenseefischereigesetzes überhaupt leugnet und daraus offenkundig - im Hinblick auf das Fehlen von Anhaltspunkten für eine Abgabepflicht - einen Ermessensmißbrauch abzuleiten sucht, so wird verkannt, daß der staatlichen Verwaltung die Rechtsmacht fehlt, die Gesetzeslage zu ändern (vgl. dazu etwa VfSlg. 2873).
Soweit aber der Beschwerdeführer in seiner Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde anregt, beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG den Antrag zu stellen, die §§ 3, 6 bis 11 und 15 bis 17 des Bodenseefischereigesetzes als verfassungswidrig aufzuheben, so ist der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, daß diese Bestimmungen nicht präjudiziell in der Bedeutung des Art. 140 B-VG sind. Daß sich nämlich nach dem oben Gesagten nur auf Grund entsprechend konkreter Anhaltspunkte die Behörde durch eine Aufforderung nach § 57 Abs. 1 zweiter Satz AbgVG. Gewißheit verschaffen kann, ob die Voraussetzungen für eine Abgabepflicht erfüllt sind oder nicht, bedeutet noch nicht, daß die Behörde berufen wäre, die (materiellen) Abgabenvorschriften "anzuwenden". Es geht hier nicht um eine Unterstellung eines (als erwiesen angenommenen) Sachverhaltes unter eine (materielle) Abgabenvorschrift; auch nicht um eine derartige - lediglich vorläufige - Unterstellung, vorbehaltlich der endgültigen Anwendung der Rechtsvorschrift in einem anderen Verfahren (vgl. VfSlg. 13231/1992). Die Aufforderung nach § 57 Abs. 1 zweiter Satz AbgVG. dient vielmehr (erst) - wenn auch aus der Perspektive der MÖGLICHERWEISE (aber eben in der Zukunft) in einer behördlichen Abgabenfestsetzung anzuwendenden Rechtsvorschriften - der Ermittlung des tatsächlichen Sachverhaltes. In diesem Verfahrensstadium gibt es eben noch keinen Sachverhalt, auf den die Behörde eine - bestimmte - Abgabenvorschrift anwendet oder anzuwenden hätte (vgl. dazu etwa auch VfSlg. 8647/1979).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.