VwGH vom 25.03.1994, 91/17/0045
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des K L in W, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MDR - L 23/90, betreffend Pfändung und Überweisung von Arbeitseinkommen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Abgabenberufungskommission vom wurde (unter Bezugnahme auf § 10 Abs. 2 Lohnpfändungsgesetz 1985) das der Ehefrau des Beschwerdeführers R L gegen den Beschwerdeführer zustehende Arbeitseinkommen in einer Höhe von insgesamt S 60.096,-- gepfändet und gegenüber dem Beschwerdeführer ein Zahlungsverbot erlassen. In der Begründung heißt es im wesentlichen, nach § 65 Abs. 4 AbgEO könne der Drittschuldner das Zahlungsverbot anfechten. Ob und in welcher Höhe die gepfändete Forderung tatsächlich zu Recht bestehe, habe die Vollstreckungsbehörde bei der Pfändung nicht zu untersuchen. Die Berufungsbehauptung des Beschwerdeführers, daß die tatsächlichen Voraussetzungen nach § 10 Abs. 2 Lohnpfändungsgesetz 1985 nicht vorlägen, laufe auf das Vorbringen hinaus, daß die Forderung der Abgabenschuldnerin gegen den Rechtsmittelwerber nicht bestehe. Die Frage, ob eine gepfändete Forderung tatsächlich zu Recht bestehe oder nicht, könne nur im Rahmen des Verfahrens über eine Drittschuldnerklage geklärt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht darauf, "nicht als Drittschuldner mit einem Zahlungsverbot belegt zu werden", verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 65 Abs. 1 AbgEO (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 457/1992) erfolgt die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners mittels Pfändung derselben. Sofern nicht die Bestimmung des § 67 AbgEO zur Anwendung kommt, geschieht die Pfändung dadurch, daß die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner verbietet, an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Zugleich ist dem Abgabenschuldner selbst jede Verfügung über seine Forderung über das für dieselbe etwa bestellte Pfand und insbesondere die Einziehung der Forderung zu untersagen. Gemäß § 65 Abs. 3 leg. cit. ist die Pfändung mit Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen. Nach § 65 Abs. 4 leg. cit. kann der Drittschuldner das Zahlungsverbot anfechten.
Der § 57 AbgEO (in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 457/1992) bestimmt, daß das Arbeitseinkommen im gleichen Ausmaß nicht der Pfändung unterliegt, als es nach den für das gerichtliche Lohnpfändungsverfahren bestehenden Vorschriften der Pfändung entzogen ist.
Gleich wie auf Verwaltungsebene vertritt der Beschwerdeführer in der Beschwerde die Ansicht, bei dem gepfändeten Anspruch der Verpflichteten gegen ihn handle es sich äußerstenfalls um einen Anspruch gemäß § 98 ABGB und es sei ein solcher gemäß § 99 ABGB und § 291 EO u.a. der exekutiven Pfändung entzogen, solange er nicht durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden sei. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.
Das Lohnpfändungsgesetz 1955, in der Fassung der Wiederverlautbarungskundmachung BGBl. Nr. 450/1985
- Lohnpfändungsgesetz 1985 -, hatte (bis zu seiner Aufhebung durch Art. XXXIII Z. 1 der Exekutionsordnungs-Novelle 1991, BGBl. Nr. 628) in § 10 Abs. 2 bestimmt:
"(2) Leistet der Verpflichtete einem Dritten in einem ständigen Verhältnis Arbeiten oder Dienste, die nach Art und Umfang üblicherweise vergütet werden, unentgeltlich oder gegen eine unverhältnismäßig geringe Vergütung, so gilt im Verhältnis des betreibenden Gläubigers zum Empfänger der Arbeits- und Dienstleistungen eine angemessene Vergütung als geschuldet. Bei der Prüfung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, sowie bei der Bemessung der Vergütung ist auf alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Art der Arbeits- oder Dienstleistung, die verwandtschaftlichen oder sonstigen Beziehungen zwischen dem Arbeit(Dienst)geber und dem Arbeit(Dienst)nehmer und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeit(Dienst)gebers, Rücksicht zu nehmen."
§ 291 EO in der Fassung des Art. VII des Bundesgesetzes vom über Änderungen des Ehegattenerbrechts, des Ehegüterrechts und Ehescheidungsrechts, BGBl. Nr. 280/1978, hatte (vor der bereits zitierten Exekutionsordnung-Novelle 1991) u.a. bestimmt, daß Ansprüche auf Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen (§ 98 ABGB) nur pfändbar sind, wenn sie durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden sind.
Durch die letztgenannte Bestimmung wurde nun aber der (allgemeinen) Regelung über das fingierte Lohneinkommen nach § 10 Abs. 2 Lohnpfändungsgesetz, BGBl. Nr. 51/1955, für den Fall eine Lex spezialis zur Seite gestellt und insoferne derogiert, daß der Drittschuldner der Ehegatte des Verpflichteten ist und der Anspruch nach § 98 ABGB nicht durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden ist (vgl. dazu Berger, Verfahrensrechtliches zu den neuen eherechtlichen Gesetzen, RZ 1978, S 260; derselbe, Vermischte exekutionsrechtliche Fragen, ÖJZ 1982, S 434; ebenso 9 Ob A 87/88).
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß der Beschwerdeführer als Drittschuldner der Ehegatte der Verpflichteten ist und weiters ein (allfälliger) Anspruch nach § 98 ABGB nicht durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden ist. Durch die Unpfändbarkeit gemäß § 291 EO i.V.m. § 57 AbgEO in der zitierten Fassung ist die Pfändung eines solchen Anspruches nicht möglich (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/14/0020).
Die belangte Behörde hat somit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.