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VwGH vom 04.11.1994, 94/16/0177

VwGH vom 04.11.1994, 94/16/0177

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der P Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , GZ B 131-7/93, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Verschmelzungsvertrag vom wurde die S.M. Aktiengesellschaft mit der beschwerdeführenden Aktiengesellschaft als aufnehmender Gesellschaft verschmolzen. Die Verschmelzung erfolgte unter Zugrundelegung der Verschmelzungsbilanz zum , wobei die abgabenrechtlichen Begünstigungen des Strukturverbesserungsgesetzes in Anspruch genommen wurden.

Das Finanzamt setzte hierauf vom Zweifachen des Einheitswertes der Liegenschaften der übertragenden Gesellschaft Grunderwerbsteuer fest.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde die Meinung vertreten, bei dem Verschmelzungsvorgang handle es sich nicht um einen Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG 1987, sondern vielmehr um einen Vorgang nach Abs. 3 leg. cit. Die Grunderwerbsteuer sei demnach mit dem Einfachen des Einheitswertes der Grundstücke zu bemessen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen, wobei die belangte Behörde den Standpunkt vertrat, daß ein Verschmelzungsvertrag ein der Grunderwerbsteuer unterliegendes Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 sei.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom , B 138/94-3, abgelehnt. Gleichzeitig wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, soweit es sich auf inländische Grundstücke bezieht. Nach Z. 2 dieser Gesetzesstelle unterliegt der Erwerb des Eigentums der Steuer, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist.

Abs. 3 dieser Gesetzesstelle lautet:

(3) Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches

Grundstück, so unterliegen der Steuer außerdem:


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1.
ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung alle Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein oder in der Hand von Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (herrschende und abhängige Unternehmen) vereinigt werden würden,
2.
die Vereinigung aller Anteile der Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne der Z. 1 vorausgegangen ist,
3.
ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung aller Anteile der Gesellschaft begründet,
4.
der Erwerb aller Anteile der Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne der Z. 3 vorausgegangen ist.

Ist die einer Verschmelzung oder Einbringung nach Art. I und III des Strukturverbesserungsgesetzes zugrunde zu legende Bilanz der übertragenden Gesellschaft oder des Einbringenden auf einen nach dem liegenden Zeitpunkt aufgestellt, so war gemäß 3. Teil Z. 1 lit. d Umgründungssteuergesetz, BGBl. Nr. 699/1991, für alle nicht endgültig rechtskräftig veranlagten Fälle die Grunderwerbsteuer für Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 oder 2 GrEStG 1987 vom Zweifachen des Einheitswertes der Grundstücke zu berechnen.

Gemäß § 4 Abs. 2 Z. 3 GrEStG 1987 ist die Steuer vom Wert des Grundstückes zu berechnen, wenn alle Anteile einer Gesellschaft vereinigt werden oder alle Anteile einer Gesellschaft übergehen. Das gleiche gilt bei den entsprechenden schuldrechtlichen Geschäften.

Dem Beschwerdefall liegt eine Verschmelzung von Aktiengesellschaften durch Aufnahme zugrunde. Eine solche Verschmelzung erfolgt gemäß § 219 Z. 1 AktG durch Veräußerung des Vermögens der Gesellschaft (übertragende Gesellschaft) als Ganzes an eine andere (übernehmende Gesellschaft) gegen Gewährung von Aktien dieser Gesellschaft. Die Verschmelzung durch Aufnahme stellt ein entgeltliches Veräußerungsgeschäft zwischen der übertragenden AG und der übernehmenden AG dar (vgl. Strasser in Schiemer/Jabornegg/Strasser, AktG3, § 219 Rz 2). Die Übertragung des Vermögens an die aufnehmende Gesellschaft ist die Verschaffung des Eigentums bzw. einer der Eigentümerstellung entsprechenden Rechtsstellung an jedem einzelnen Bestandteil dieses Vermögens (vgl. Strasser, aaO, Rz 10) und zwar im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge (vgl. Strasser, aaO, Rz 5). Daraus ergibt sich aber schon, daß es sich bei einem Verschmelzungsvertrag um ein - "anderes" - Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 handelt, das den Anspruch auf Übereignung der einen Bestandteil des Vermögens der übertragenden Gesellschaft bildenden Grundstücke begründet.

In diesem Sinne ist auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ausgegangen, daß die Verschmelzung zu den Rechtsgeschäften zählt, die einen Anspruch auf Übereignung eines Grundstückes nach der zuletzt angeführten Gesetzesstelle begründen (vgl. die Erkenntnisse vom , 3096/55, Slg. Nr. 1786/F, und vom , 1100/70). Auch der Gesetzgeber des Umgründungssteuergesetzes hat sowohl im § 6 Abs. 5 als auch in der Übergangsbestimmung des 3. Teils Z. 1 lit. d vorausgesetzt, daß ein Verschmelzungsvorgang einen Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 GrEStG 1987 darstellt.

Daß der Vermögensübergang (nur) notwendige Folge der Vereinigung der Gesellschaften ist, steht einer solchen Beurteilung der Verschmelzung als Erwerbsvorgang nicht entgegen. Auch der Umstand, daß es zwischen der aufnehmenden Gesellschaft und der übertragenden Gesellschaft zu keinem "Leistungsaustausch" kommt, ist für die Beurteilung als Erwerbsvorgang nicht maßgeblich. Die Vorschriften des Grunderwerbsteuergesetzes sind nämlich keineswegs auf entgeltliche Erwerbsvorgänge beschränkt (vgl. insbesondere die Erkenntnisse vom , Zl. 684/50, Slg. Nr. 520/F, und vom , 81/16/0021, Slg. Nr. 5646/F). Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang die Meinung vertritt, der Gegenleistungsbegriff gehe vom "bürgerlich-rechtlichen Verständnis" aus, ist ihr entgegenzuhalten, daß der Begriff der Gegenleistung nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vielmehr ein dem Grunderwerbsteuerrecht eigentümlicher Begriff ist, der über den bürgerlich-rechtlichen Begriff der Gegenleistung hinausgeht (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , 91/16/0053). Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin ist auch bei einer Verschmelzung durch Aufnahme - wie schon aus § 219 Z. 1 AktG erkennbar ist - eine Gegenleistung vorhanden (vgl. dazu die Rechtsprechung des deutschen Bundesfinanzhofes, z. B. die Urteile vom , II R/59/73, BStBl 1979 II 683, sowie vom , II R 36/89, BStBl II 418).

Das erstgenannte, auch von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Urteil des Bundesfinanzhofes vom spricht im übrigen nicht für, sondern gegen den Standpunkt der Beschwerdeführerin: Auch nach diesem Urteil handelt es sich bei einer Verschmelzung um einen Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 (hier: des deutschen) GrEStG 1940. Der Umstand, daß der Bundesfinanzhof in der Verschmelzung anders als der Verwaltungsgerichtshof einen Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 dGrEStG (entspricht der Z. 2 des § 1 Abs. 1 GrEStG 1987) erblickt, ist aus der Sicht des Beschwerdefalles bedeutungslos.

Schließlich hat die Beschwerdeführerin ihre Meinung, es handle sich bei der Verschmelzung "um einen "indirekten" Erwerb, somit um ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG" in keiner Weise näher begründet; es wurde nicht einmal dargetan, welcher der vier im § 1 Abs. 3 GrEStG angeführten Tatbestände durch eine Verschmelzung erfüllt sein sollte. Sollte die Beschwerdeführerin die Tatbestände der Z. 3 oder 4 des § 1 Abs. 3 GrEStG gemeint haben, so steht einer solchen Beurteilung einer Verschmelzung mit dem Alleinaktionär entgegen, daß durch eine Verschmelzung nach § 219 Z. 1 AktG keineswegs alle Anteile der übertragenden Gesellschaft, sondern vielmehr deren Vermögen als Ganzes an die aufnehmende Gesellschaft übertragen wird. Schließlich kann der angefochtene Bescheid mit einem solchen Hinweis auf § 1 Abs. 3 GrEStG schon deswegen nicht wirksam bekämpft werden, weil die Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG 1987 zusätzlich bzw. neben den Tatbeständen der Abs. 1 und 2 verwirklicht werden können (arg.: "außerdem" im Einleitungssatz des § 1 Abs. 3 GrEStG 1987). Sache des angefochtenen Bescheides ist jedoch die Vorschreibung von Grunderwerbsteuer aufgrund eines Tatbestandes nach § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987.

Letztlich geht auch der Einwand, die Beschwerdeführerin sei bereits "mittelbar" Eigentümerin der Liegenschaften gewesen, ins Leere, weil jeder Erwerbsvorgang grundsätzlich selbständig die Grunderwerbsteuerpflicht auslöst (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom , 81/16/0097, und vom , 88/16/0171).

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.