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VwGH vom 26.01.1995, 94/16/0150

VwGH vom 26.01.1995, 94/16/0150

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde der P-GesmbH in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. 7 - 48 Pa 51/2 - 1994, betreffend Getränkeabgabe (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Unter Vorlage korrigierter Getränkeabgabe- und Speiseeisabgabeerklärungen für die Zeit von Oktober 1985 bis Feber 1991 machte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom rückwirkend geltend, zuviel Getränkeabgabe entrichtet zu haben. Sie behauptete, in der Lage zu sein nachzuweisen, daß der Fremdverbrauchsanteil in ihrer Filiale in W mehr als 72 % betrage und ersuchte darum, die zu viel bezahlten Beträge auf ihr Sparkassenkonto zu überweisen.

Mit Bescheid vom , Zl. 920-4-332/1992, wies der Bürgermeister der Marktgemeinde W das Anbringen der Beschwerdeführerin vom "" (richtig: ) als unzulässig zurück.

Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde W vom , Zl. 920-4-657/1992, abgewiesen.

Ohne daß aus den Verwaltungsakten ersichtlich wäre, welches Schicksal dieser Berufungsentscheidung mit Rücksicht auf eine von der Beschwerdeführerin dagegen erhobene Vorstellung in weiterer Folge beschieden war, findet sich in den Verwaltungsakten schließlich ein Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde W vom , Zl. 920-4-863/1993, der in völliger Übereinstimmung mit dem Spruch des seinerzeitigen erstinstanzlichen Bescheides das Anbringen der Beschwerdeführerin vom "" (richtig: ) abermals zurückweist. Der Spruch lautet wörtlich wie folgt:

"Das Anbringen der P GesmbH. durch Herrn X vom (Geltendmachung eines abgabefreien Außerortsverbrauches von Getränken und Speiseeis für den Zeitraum von Oktober 1985 bis Februar 1991) wird gemäß Art. II, § 2, Abs. 3 des Bundesgesetzes, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 1989 geändert wird, BGBl. Nr. 693 vom , iVm § 69 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung (LAO), LGBl. Nr. 158 vom i.d.g.F. als unzulässig ZURÜCKGEWIESEN."

Über die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde in der Folge am eine Berufungsentscheidung gefällt, die folgenden Spruch hat:

"Die Berufung der P GesmbH. durch Herrn P, vertreten durch die Wirtschaftstreuhandkanzlei Mag. B, S und Mag. M, gegen den Bescheid des Bürgermeisters, Zl. 920-4-863/1993 vom , wird auf Grund des Beschlusses des Regierungskommissärs vom gem. § 213 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung (LAO), LGBl. Nr. 158 vom i.d.g.F. als unbegründet

ABGEWIESEN."

In der Begründung dieser Entscheidung wird ausdrücklich referiert, daß der Regierungskommissär seine Entscheidung "in der Sitzung vom " getroffen hat.

Gegen diese Entscheidung erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung an die belangte Behörde, wobei sie sich in ihrer Rechtsmittelerklärung ausdrücklich auf die Entscheidung des Regierungskommissärs bezog.

Die belangte Behörde fällte über die Vorstellung folgenden Spruch:

"Der Vorstellung der P Ges.m.b.H. gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde W vom , GZ.: 920-4-995/1993, betreffend die Zurückweisung eines Anbringens betreffend die Ausscheidung eines getränkeabgabenfreien Außerortsverbrauchsanteiles aus der

Getränkeabgabebemessungsgrundlage wird ... KEINE FOLGE

GEGEBEN."

In der Begründung findet sich im Rahmen der Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens unter anderem folgender Satz:

"Über diese Berufung hat der Gemeinderat mit Bescheid vom

... entschieden."

In der Sache selbst wertete die belangte Behörde die vom angefochtenen Berufungsbescheid bestätigte Zurückweisung des Anbringens der Beschwerdeführerin mit Rücksicht auf die durch Art. II § 2 Abs. 3 (Verfassungsbestimmung) der Novelle zum FAG 1989, BGBl. Nr. 693/1991, geänderte Rechtslage als richtig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihren Rechten "auf Abführung eines gesetzmäßigen Abgabeverfahrens, auf Entscheidung durch das zuständige Organ, auf (nachträgliche) Selbstbemessung ihrer Getränkeabgaben, auf gesetzmäßige Festsetzung ihrer Getränkeabgabe und auf gesetzmäßige Ermittlung und Rückzahlung eines Abgabenguthabens" verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 153 der Steiermärkischen LAO lautet auszugsweise:

"(1) Wenn die Abgabenvorschriften die Selbstbemessung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, gilt die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung festgesetzt.

(2) Die Abgabenbehörde hat die Abgabe mit Bescheid festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung einer Erklärung, zu der er verpflichtet ist, unterläßt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als unrichtig erweist.

Von der bescheidmäßigen Festsetzung ist abzusehen, wenn der Abgabepflichtige nachträglich die Mängel behebt. ..."

Art. II der Novelle zum FAG 1989, BGBl. Nr. 693/1991, lautet auszugsweise:

"§ 2 (Verfassungsbestimmung) ...

...

(3) Eine Neufestsetzung der Abgaben vom Verbrauch von Speiseeis und von Getränken gemäß § 14 Abs. 1 Z. 7 FAG 1985, BGBl. Nr. 544/1984, oder § 14 Abs. 1 Z. 7 FAG 1989 aufgrund der Unrichtigkeit der Selbstbemessung gemäß den Vorschriften der Landesabgabenordnungen unterbleibt, soweit diese Unrichtigkeit damit begründet wird, daß die Abgabenerklärung auch jenes Speiseeis und jene Getränke erfaßt, die nicht in der Gemeinde verbraucht wurden, in der sie an Letztverbraucher entgeltlich abgegeben wurden."

Zunächst fällt im vorliegenden Fall auf, daß die belangte Behörde mit der angefochtenen Entscheidung sowohl nach dem Inhalt ihres Spruches als auch nach dem Wortlaut der Begründung einen Bescheid des "Gemeinderates der Marktgemeinde W" aufsichtsbehördlicher Prüfung unterzogen hat, wogegen sich die von der Beschwerdeführerin erhobene Vorstellung ausdrücklich gegen einen Berufungsbescheid richtete, den ein "Regierungskommissär" fällte.

Allein dadurch, daß die belangte Behörde nach dem Wortlaut ihrer Entscheidung einen gar nicht existenten Berufungsbescheid prüfte und bestätigte, hat sie ihre Entscheidung mit Rechtswidrigkeit belastet, weil der genauen Bezeichnung des angefochtenen Bescheides in einer Rechtsmittelentscheidung wegen der damit vorgenommenen formalen Umschreibung der Sache des Rechtsmittelverfahrens besondere Bedeutung zukommt (vgl. Stoll, BAO-Kommentar III, 2782 lit. b Abs. 1). Richtigerweise hätte die belangte Behörde über die gegen den Bescheid des Regierungskommissärs erhobene Vorstellung absprechen müssen. In diesem Zusammenhang muß erwähnt werden, daß ein (gemäß § 103 Abs. 3 stmk. Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 115/1967, bestellter) Regierungskommissär, der sich (gem. Abs. 2 der zitierten Gesetzesstelle) auf die laufenden und unaufschiebbaren Geschäfte zu beschränken hat, nach der hg. Judikatur grundsätzlich auch berechtigt ist, anstelle des zur Erledigung einer Berufung gegen einen Bescheid des Bürgermeisters an sich zuständigen Gemeinderates über die Berufung zu entscheiden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/17/0229). Die Fällung der Berufungsentscheidung durch den Regierungskommissär war im vorliegenden Fall angesichts des Datums der Antragstellung jedenfalls nicht mehr aufschiebbar und liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, daß gerade die Berufungssache der Beschwerdeführerin die für den Begriff "laufende Geschäfte" maßgeblichen Dimensionen einer "regelmäßig wiederkehrenden Angelegenheit ohne weittragende finanzielle, wirtschaftliche, politische oder ähnliche Bedeutung" (vgl. dazu Berchtold, Gemeindeaufsicht 170) überstiegen hätte. Die von der belangten Behörde zu überprüfende Berufungsentscheidung war und ist daher im Gegensatz zur Rechtsmeinung der Beschwerdeführerin nicht mit Unzuständigkeit des entscheidenden Regierungskommissärs belastet.

Die belangte Behörde hat des weiteren eine Auseinandersetzung mit der sich nach der Aktenlage geradezu aufdrängenden Frage unterlassen, welche Bedeutung den in den vorgelegten Verwaltungsakten befindlichen Bescheiden des Bürgermeisters der Marktgemeinde W vom bzw. des Gemeinderates der genannten Marktgemeinde vom zukommt. Da nicht von vornherein auszuschließen ist, daß eine Auseinandersetzung mit dieser Frage zu einer anderen Entscheidung geführt hätte (Vorliegen von res iudicata?), hat die belangte Behörde jedenfalls ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zu seiner Aufhebung führen muß.

Zu all dem kommt noch folgender Umstand, den die belangte Behörde bei Befassung mit der durch die Vorstellung angefochtenen Berufungsentscheidung des Regierungskommissärs zu beachten gehabt hätte (soferne nicht ohnehin res iudicata vorliegen sollte):

Nach ständiger hg. Judikatur bewirkt die Einreichung der Erklärung betreffend eine Selbstbemessungsabgabe kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung die Festsetzung der Abgabe. Damit verbinden sich dieselben Rechtswirkungen wie mit einer bescheidmäßigen Festsetzung. Die "Quasirechtskraft" einer solchen Festsetzung durch Erklärung wird allerdings durch die bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe, wie sie in den Fällen des § 153 Abs. 2 stmk. LAO vorgesehen ist, wieder durchbrochen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 90/17/0230 und vom , Zl. 91/17/0168). Stellt der Abgabenpflichtige nach der durch Selbstbemessung erfolgten Festsetzung der Abgabe wie im vorliegenden Fall einen Antrag auf Rückerstattung und setzt die Entscheidung eines solchen Antrages voraus, daß die Behörde die Rechtsfrage der Abgabenschuldigkeit beantwortet, dann ist der Antrag auch als Begehren auf bescheidmäßige Festsetzung der Selbstbemessungsabgabe zu werten (vgl. die hg. Entscheidungen vom , Zl. 87/17/0064; , Zl. 90/17/0187, und vom ,

Zlen. 89/17/0233-0235, 90/17/0125).

In einem solchen Fall hat die Abgabenbehörde zuerst über die Frage der Abgabenfestsetzung und danach über das Rückerstattungsbegehren zu entscheiden. Lautet die Entscheidung über die Abgabenfestsetzung dahin, daß sich daraus kein Guthaben des Abgabenschuldners ergibt, so ist der Antrag auf Rückzahlung ab- und nicht zurückzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/17/0050).

Indem die Berufungsentscheidung des Regierungskommissärs die vom Bürgermeister ausgesprochene Zurückweisung des gesamten Anbringens der Beschwerdeführerin bestätigte, wäre sie jedenfalls mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet, weil zuerst über den im Rückzahlungsantrag enthaltenen Antrag auf bescheidmäßige Festsetzung eine Sachentscheidung zu treffen gewesen und anschließend - ebenfalls meritorisch - über das Rückzahlungsbegehren abzusprechen gewesen wäre.

Mit Rücksicht auf die durch die oben zitierte

hg. Rechtsprechung klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994, wobei allerdings mit Rücksicht darauf, daß zur Zeit des Inkrafttretens der zitierten Verordnung das Beschwerdeverfahren noch nicht anhängig war, Art. III Abs. 2 der VO nicht angewendet werden konnte. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für eine überflüssigerweise vorgelegte Beschwerdeausfertigung.