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VwGH vom 13.04.2000, 99/16/0507

VwGH vom 13.04.2000, 99/16/0507

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des P Fonds, vertreten durch Dr. Heimo Puschner, Mag. Martin Spernbauer und Mag. Nikolaus Rosenauer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Schubertring 6-8, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für ZRS Wien vom , Zl. Jv 4634 - 33a/99, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aufgrund einer am beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien eingebrachten Mietzins- und Räumungsklage, deren Streitwert mit S 102.871,94 bemessen wurde, entrichtete die beschwerdeführende Partei (im nachstehenden Vergleich: klagende Partei) S 6.890,-- an gerichtlicher Pauschalgebühr.

Am schloss die beschwerdeführende Partei mit der Beklagten folgenden gebührenrechtlich relevanten Vergleich:

"1.) Die Beklagte verpflichtet sich, den Betrag von

S 118.554,66 an rückständigen Mietzins bis Juni 1996 samt 4 Zinsen aus S 118.554,66 ab sowie die mit S 38.728,72 (darin enthalten S 7.120,-- Barauslagen und S 5.268,12 USt) verglichenen Verfahrenskosten an die klagende Partei zu Handen des Klagevertreters bis zu bezahlen.

2.) Die beklagte Partei verpflichtet sich weiters das Bestandobjekt 1060 Wien, Mariahilfer Straße 51/II/4/3, geräumt von eigenen Fahrnissen der klagenden Partei bis zu übergeben.

3.) Die klagende Partei verpflichtet sich, von der Räumungsverpflichtung laut Punkt 1) des Vergleichs keinen Gebrauch zu machen, wenn die Zahlungsverpflichtung laut Punkt 1) des Vergleichs eingehalten sowie die laufenden Mieten bezahlt werden."

Laut Berichtigungsbeschluss vom wurde Punkt 3.) des Vergleiches folgendermaßen geändert:

"Die klagende Partei verpflichtet sich, von der Räumungsverpflichtung laut Punkt 2) des Vergleiches keinen Gebrauch zu machen, wenn die Zahlungsverpflichtung laut Punkt 1) des Vergleiches eingehalten sowie die laufenden Mieten bezahlt werden."

Mit Zahlungsauftrag vom wurde der beschwerdeführenden Partei ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 2.799.330.-- (Verzicht auf Räumung S 7.950,--, Zahlungsverpflichtung lt. Punkt 1. S 118.554,66 und Verpflichtung zur Bezahlung des Mietzinses von mtl. S 23.756,87 auf unbestimmte Zeit, sind bei dem Zehnfachen der Jahresleistung S 2.850.824,40) die restliche Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG im Betrag von S 33.680,-- zuzüglich der Einhebungsgebühr von S 100,-- vorgeschrieben.

In dem dagegen erhobenen Berichtigungsantrag brachte die beschwerdeführende Partei vor, dass schon der Wortlaut des Vergleichspunktes 3.) gegen eine Verpflichtung zur laufenden Mietzinszahlung der beklagten Partei spreche, es liege lediglich ein von objektiven Bedingungen abhängiger Verzicht der beschwerdeführenden Partei vor. Aufgrund der gebotenen isolierten Betrachtung des Vergleichstextes stehe es der beklagten Partei frei, den laufenden Mietzins zu bezahlen. Eine Verpflichtung zur Zahlung des Mietzinses ergebe sich nur aus dem dem Streit zugrunde liegenden Mietvertrag, keinesfalls jedoch aus dem Vergleich selbst. Nach dem Räumungstermin sei ein Verzicht der beschwerdeführenden Partei infolge der erloschenen Räumungsverpflichtung nicht mehr möglich, weil die Rechtsverhältnisse nur bis zum Räumungstermin geregelt seien.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde dem Berichtigungsantrag keine Folge gegeben. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung damit, dass der Vergleichspunkt 3.) sehr wohl eine zeitlich unbegrenzte Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der laufenden Mietzinse enthalte. Im Vergleich wurde kein Endtermin für die Zahlungspflicht aufgenommen, daher bestehe diese über den Zeitpunkt der Räumungsverpflichtung hinaus bis zur tatsächlichen Räumung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtfestsetzung der überhöhten gerichtlichen Pauschalgebühr nach Tarifpost 1 GGG verletzt und bringt vor, der strittige Vergleichspunkt 3.) sei keine Erweiterung des Streitgegenstandes, sondern vielmehr eine Einschränkung des Räumungsbegehrens. Selbst bei einer allfälligen Miteinbeziehung von bis zum Räumungstermin fällig werdenden Mietzinsen werde die Streitwertgrenze von S 500.000,-- der Tarifpost 1 GGG nicht überschritten.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete die Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 14 GGG ist die Bemessungsgrundlage, soweit nicht im Folgenden etwas anderes bestimmt wird, der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN.

Nach § 58 Abs. 1 JN ist der Wert des Rechtes auf den Bezug von Zinsen, Renten, Früchten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen bei unbestimmter Dauer das Zehnfache.

Gemäß § 18 Abs. 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich.

Von dieser Regelung tritt gemäß § 18 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. eine Ausnahme ein, wenn der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert wird oder Gegenstand des Vergleiches eine Leistung ist, deren Wert das Klagebegehren übersteigt. Dann ist die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Stellenwertes zu errechnen, wobei die bereits entrichtete Pauschalgebühr einzurechnen ist.

Schließen die Parteien im Zuge eines zivilgerichtlichen Verfahrens einen Vergleich, so richtet sich die Bemessungsgrundlage nach dem Wert der Leistung, zu der sich die Parteien verpflichtet haben (vgl. insbesondere die bei Tschugguel/Pötscher, Gerichtsgebühren6 unter E 6 zu § 18 GGG referierte hg. Judikatur). Wesentlich ist allein die gerichtlich protokollierte Vereinbarung, die eine Verfügung über materielle Rechte enthält und zum Zweck der Beendigung des Rechtsstreites (siehe die Definition des Vergleiches bei Fasching, Lehrbuch des Zivilprozessrechtes2, RZ 1324) getroffen wurde. Die Verwendung des Wortes "verpflichtet" ist zur Auslösung der Gebührenpflicht nicht erforderlich, die Verpflichtung kann auch durch eine andere Formulierung ausgedrückt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/16/0384).

In seinem Erkenntnis vom , Zl. 15/2596/79, betreffend Gerichtsgebühren hat der Verwaltungsgerichtshof unter dem Hinweis auf zivilrechtliche Literatur und Judikatur zu gerichtlichen Vergleichen ausgeführt, dass diesen neben ihrem Charakter als Prozesshandlung zugleich auch der Charakter eines zivilrechtlichen Vertrages zukomme. Die herrschende Lehre und Judikatur verstehen darunter Parteienvereinbarungen, in denen unter beiderseitigem Nachgeben eine neue Festlegung strittiger oder zweifelhafter Rechte erfolgt. Der Vergleich ist, soweit seine Eigenschaft als zivilrechtlicher Vertrag in Frage steht, gemäß § 914 ABGB nicht nach dem buchstäblichen Sinn auszulegen, sondern nach Erforschung der Parteienabsicht so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht.

Aus dem im Beschwerdefall vorliegenden Vergleich ergibt sich, dass die Parteien nicht die Beendigung des unbefristet geschlossenen Mietvertrages, sondern dessen Aufrechterhaltung (als Ganzes) beabsichtigten. Für diese Auslegung des Vergleichstextes spricht, dass die beschwerdeführende Partei durch den Vergleichspunkt 3.) verpflichtet ist, auf die sich aus dem Vergleichspunkt 2.) ergebende Räumungsverpflichtung der Beklagten zu verzichten, wenn die Beklagte ihrer Leistungspflicht aus Vergleichspunkt 1.) nachkommt und darüber hinaus die laufenden Mietzinse bezahlt. Zweifellos liegt somit auch eine zum Vergleichsinhalt gehörende Zusage der Beklagten vor, die laufenden Mietzinse auf unbestimmte Zeit zu bezahlen. Dabei handelt es sich aber um eine Verfügung über materielle Rechte, weshalb der gerichtliche Vergleich auch in diesem Punkt als ein Rechtsgeschäft im Sinn des § 1380 ABGB, also ein Neuerungsvertrag, durch welchen strittige oder zweifelhafte Rechte bestimmt werden, anzusehen ist.

Wenn die beschwerdeführende Partei weiters vermeint, ihr stehe es aufgrund des Vergleichstextes frei, die Mietzinse zu zahlen oder nicht, so ist ihr zu entgegnen, dass solange die beschriebenen Merkmale eines Vergleiches vorliegen, die Ausschöpfung der den Parteien eingeräumten Gestaltungsmöglichkeiten des Prozessrechts auf die Gebührenbemessung keinen Einfluss haben kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/16/0158).

Ein Vergleich führt aber auch dann zur Neubewertung des Streitgegenstandes, wenn er in Ansehung eines gar nicht strittigen Anspruches geschlossen bzw. wenn darin eine schon vertraglich bestehende Verpflichtung neuerlich übernommen wird

(vgl. insbesondere die bei Tschugguel/Pötscher, Gerichtsgebühren6 unter E 15 zu § 18 GGG referierte hg. Judikatur).

Da sich aus dem Vergleichstext selbst eine von vornherein feststehende, bestimmte zeitliche Begrenzung der vereinbarten laufenden Mietzinse nicht ergibt, hat die belangte Behörde zu Recht das Zehnfache der Jahresleistung für die Berechnung der erhöhten Pauschalgebühr herangezogen (vgl. dazu insbesondere auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/16/0122).

Mit Rücksicht auf die durch die zitierte hg. Rechtsprechung klargestellte Rechtslage war die Beschwerde daher nach § 42 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am