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VwGH vom 27.10.1999, 97/09/0361

VwGH vom 27.10.1999, 97/09/0361

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde des T M in N, vertreten durch Dr. Manfred Korn, Rechtsanwalt in Salzburg, Waagplatz 5, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg vom , Zl. LGSSBG/5/1311/1997 ABA Nr. 767311, betreffend Feststellung gemäß Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer (ein türkischer Staatsangehöriger) stellte am an die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg unter Verwendung des amtlich aufgelegten Formulars den Antrag auf "Feststellung gemäß Art. 6 Abs. 1 / 3. Gedankenstrich des Beschlusses des Assoziationsrates Nr. 1/80 (vier Jahre ordnungsgemäße Beschäftigung)". Er brachte darin vor, er sei seit 1970 in Österreich und verfüge über eine Aufenthaltsbewilligung. Zu seiner derzeitigen Beschäftigung gab der Beschwerdeführer an :

"arbeitslos - Arbeitsunfall"; Angaben zu Beschäftigungszeiten in Österreich enthält das Antragsformular nicht.

Mit Bescheid vom lehnte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg diesen Antrag des Beschwerdeführers vom mit der Begründung ab, der Beschwerdeführer habe in dem Zeitraum bis - dieser Zeitraum sei als Rahmenfrist maßgebend - nur Beschäftigungszeiten von insgesamt 1.260 Tagen (rund 3,45 Jahre) aufzuweisen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er machte darin im Wesentlichen geltend, seine Beschäftigungszeiten seien unrichtig berechnet (festgestellt) worden, weil - aus den näher dargelegten Gründen - seine Beschäftigungen in der Zeit von 1972 bis gleichfalls zu berücksichtigen gewesen wären.

Mit schriftlicher Verständigung vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vom hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vor, er habe über einen bis gültigen Befreiungsschein verfügt, gehe jedoch keiner nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bewilligten Beschäftigung nach und habe auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, weshalb er dem regulären Arbeitsmarkt nicht angehöre.

Zu diesem Vorhalt erstattete der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme vom . In dieser legte er im Wesentlichen dar, dass er (unter Berücksichtigung des Art. 6 Abs. 2 des genannten Assoziationsratsbeschlusses) das Erfordernis der vierjährigen ordnungsgemäßen Beschäftigung erfülle. Zur Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt brachte er vor, diese bestehe auch dann, wenn kein Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr vorliege. Voraussetzung (für diese Zugehörigkeit) sei nur, dass "der Arbeitslose arbeitsfähig und arbeitswillig ist". Er habe Ende 1995 einen schweren Arbeitsunfall erlitten, weshalb seine Arbeitsfähigkeit um 20 Prozent gemindert sei, er sei aber dennoch arbeitsfähig. Zur Arbeitswilligkeit verweise er darauf, dass er sich im Herbst 1996 (nach Beendigung seines Krankenstandes) sofort beim Arbeitsamt als "arbeitssuchend" gemeldet habe; er bemühe sich auch persönlich um eine Arbeitsstelle. Dass er nicht habe vermittelt werden können bzw. noch keine Anstellung gefunden habe, liege wohl an seiner durch den Arbeitsunfall bewirkten Behinderung.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 dritter Gedankenstrich des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 abgelehnt.

Diese Entscheidung wurde von der belangten Behörde im Wesentlichen damit begründet, der Beschwerdeführer habe über einen bis gültigen Befreiungsschein verfügt, er gehe derzeit aber keiner nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bewilligten Beschäftigung nach und habe auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Der Beschwerdeführer gehöre dem regulären Arbeitsmarkt nicht an. Diese Tatsache sei ihm mit Verständigung vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vom mitgeteilt worden. Der Beschwerdeführer erfülle daher nicht die Voraussetzungen gemäß Art. 6 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht "auf freien Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt, der mir nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 zukommt, verletzt". Er beantragt den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom über die Entwicklung der Assoziation

(ARB Nr. 1/80) hat folgenden Wortlaut:

"Art. 6

(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Art. 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
-
nach drei Jahren ordnungsgemäßer
Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmer aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedienungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
-
nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die Aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.

(3) Die Einzelheiten der Durchführung der Absätze 1 und 2 werden durch einzelstaatliche Vorschriften festgelegt."

Der Beschwerdeführer wiederholt in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof unter dem Gesichtspunkt seiner Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt sein bereits in der Stellungnahme vom im Verwaltungsverfahren erstattetes Vorbringen. Dass er seit seinem Unfall am bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides (im September 1997) in Österreich in einem Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis gestanden sei bzw. von einem konkreten Arbeitgeber tatsächlich beschäftigt worden sei, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Der Beschwerdeführer bestreitet auch nicht, dass er keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld besitzt. Er legte in seiner Beschwerde eine Mitteilung der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (Landesstelle Salzburg) vor, der zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer auf Grund eines vor dem Arbeits- und Sozialgericht Salzburg am geschlossenen Vergleiches für die Folgen seines Arbeitsunfalles Versehrtenrente (in dem darin näher ausgeführten Ausmaß) erhält.

Davon ausgehend zeigt der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung seiner bis zu seinem Arbeitsunfall am zurückgelegten Beschäftigungszeiten keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil die mit Art. 6 des ARB Nr. 1/80 verbundene Rechtsposition türkischen Arbeitnehmern eingeräumt ist, die erwerbstätig oder vorübergehend arbeitsunfähig sind. Hingegen bezieht sich

Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 nicht auf die Lage eines türkischen Staatsangehörigen der den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates endgültig verlassen hat. Die Bestimmung des Art. 6 Abs. 2 ARB Nr. 1/80 dient nämlich nur dazu, die Konsequenzen bestimmter (darin näher bezeichneter) Arbeitsunterbrechungen für die Anwendung von Art. 6 Abs. 1 zu regeln. Zeiten der Arbeitslosigkeit oder der Abwesenheit wegen langer Krankheit, die den Beschäftigungszeiten nicht gleichgestellt sind, werden nur berücksichtigt, um die Aufrechterhaltung von Ansprüchen zu gewährleisten, die der Arbeitnehmer auf Grund vorheriger Beschäftigungszeiten erworben hat. Diese Bestimmungen garantieren somit nur den Fortbestand des Anspruchs auf Beschäftigung und setzen zwangsläufig die Fähigkeit zu einem solchen Fortbestand, wenn auch nach einer zeitweiligen Unterbrechung, voraus (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/09/0031, und das darin angegebene Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom ).

Nach Beendigung seiner (letzten) Beschäftigung am konnte sich der Beschwerdeführer noch nicht auf einen Anspruch auf Fortsetzung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung nach den - erst mit dem Beitritt Österreich zur europäischen Union am wirksamen - Bestimmungen des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 - etwa im Lichte des (Recep Tetik gegen Land Berlin) - berufen. Daher hat schon die am erfolgte Beendigung der Beschäftigung des Beschwerdeführers zum Untergang der davor erworbenen Anwartschaft auf eine mit dem ersten bis dritten Gedankenstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 verbundenen Rechtsposition geführt (vgl. hiezu auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 98/09/0328, und vom , Zl. 97/09/0308, und die jeweils darin angegebene hg. Judikatur).

Im Beschwerdefall kann aber auch nicht davon gesprochen werden, dass der Beschwerdeführer im maßgebenden Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (September 1997) dem Arbeitsmarkt des Mitgliedstaates Österreich noch angehörte, vermag er in dieser Hinsicht doch keinen Sachverhalt darzutun, der die Beurteilung der belangten Behörde widerlegen könnte.

Dass die seit November 1994 (von ihm selbst bzw. von der Arbeitsmarktverwaltung) unternommenen Anstrengungen, ihn zu beschäftigen bzw. für ihn eine Beschäftigung zu finden, erfolglos blieben, ist auch dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinreichend zu entnehmen. Auch wenn der Beschwerdeführer dabei die im Mitgliedstaat Österreich vorgeschriebenen Formalitäten der Arbeitsvermittlung einhielt, vermag dies weder seine Zugehörigkeit zum Arbeitsmarkt auf Dauer (unbestimmte Zeit) zu gewährleisten, noch daran etwas zu ändern, dass er keine neue Beschäftigung gefunden hat.

Wie der EuGH in seinem Urteil vom in der Rechtssache C-171/95, Recep Tetik gegen Land Berlin, ausführte, ist die Voraussetzung der Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates grundsätzlich nur dann weiterhin gegeben, wenn der Betroffene alle Formalitäten erfüllt, die im betreffenden Mitgliedstaat gegebenenfalls vorgeschrieben sind, z.B. in dem er sich als Arbeitssuchender meldet und der Arbeitsverwaltung dieses Mitgliedstaates während des dort vorgeschriebenen Zeitraums zur Verfügung steht. Mit diesem Erfordernis lässt sich gewährleisten, dass der türkische Staatsangehörige innerhalb des angemessenen Zeitraums, der ihm zur Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses einzuräumen ist, sein Aufenthaltsrecht in dem betreffenden Mitgliedstaat nicht missbraucht, sondern tatsächlich eine neue Beschäftigung sucht. Es ist Sache des betreffenden Mitgliedstaates und beim Fehlen entsprechender Rechtsvorschriften die des angerufenen nationalen Gerichts, einen solchen angemessenen Zeitraum festzulegen, der jedoch lang genug sein muss, um die tatsächlichen Chancen des Betroffenen, eine neue Beschäftigung zu finden, nicht zu beeinträchtigen (vgl. die Randnummer 41, 42 und 48 des genannten Urteils).

Im vorliegenden Fall waren seit dem Arbeitsunfall des Beschwerdeführers und der Entscheidung der belangten Behörde fast drei Jahre vergangen, und der Beschwerdeführer hatte in diesem Zeitraum keine neue Arbeitsstelle gefunden. Damit war aber jener Zeitraum abgelaufen, der ihm im Sinne des Urteiles des EuGH im Fall Tetik (Randnummer 46) vernünftigerweise einzuräumen war, um eine neue Beschäftigung zu finden. Hiebei ist in Betracht zu ziehen, dass der EuGH für Angehörige aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einen der Stellensuche dienenden Zeitraum von sechs Monaten als grundsätzlich ausreichend bezeichnet hat, und für den Fall, dass der Betroffene nach Ablauf dieses Zeitraumes den Nachweis erbringt, dass er weiterhin mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht, ein weiteres Aufenthaltsrecht zugebilligt hat (vgl. das , The Queen gegen Immigration Appeal Tribunal Ex Parte Gustaff Desiderius Antonissen, Sammlung der Rechtsprechung 1991 Seite I-0745, Randnummer 21).

Die Anregung des Beschwerdeführers auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens war demnach im Hinblick auf die bereits vorliegende Rechtsprechung des EuGH nicht aufzugreifen.

Ausgehend davon, dass eine in der Vergangenheit gegeben gewesene Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt somit nicht auf Dauer (unbestimmte Zeit) eine endgültige Zugehörigkeit zum Arbeitsmarkt dieses Mitgliedstaates bewirkt, war es daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde unter Berücksichtigung des unbestrittenen Sachverhaltes, dass der Beschwerdeführer seit keine neue Beschäftigung finden konnte, im Beschwerdefall zu dem Ergebnis gelangte, der dem Beschwerdeführer tatsächlich einzuräumende angemessene Zeitraum, um ein neues Arbeitsverhältnis zu begründen, sei spätestens im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (September 1997) erschöpft. Dass für ihn eine konkrete und begründete Aussicht bestehe, in absehbarer Zeit eine Beschäftigung zu finden, hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren behauptet, noch wird dies in seiner Beschwerde dargetan. Andere Umstände, aus denen sich eine weitere Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zum Arbeitsmarkt ergeben könnte, sind seinem Vorbringen nicht zu entnehmen.

Der Beschwerdeführer konnte somit schon aus den dargelegten Erwägungen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 6 (Abs. 1) ARB Nr. 1/80 im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht erfüllen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am