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VwGH vom 27.06.1991, 91/16/0028

VwGH vom 27.06.1991, 91/16/0028

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr und Mag. Meinl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des 1. A und der 2. B gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 12. Feber 1991, GZ. GA 14-1/E-112/1/1/90, betreffend Beschlagnahme eines Staubsaugers der Marke "Rainbow" mit Zubehör, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beiden Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- zur ungeteilten Hand binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte das Hauptzollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz am mit einer auf § 89 Abs. 1 FinStrG gestützten und an den Erstbeschwerdeführer gerichteten schriftlichen "Beschlagnahmeanordnung" (Bescheid) die Beschlagnahme des der Zweitbeschwerdeführerin gehörenden Staubsaugers der Marke "Rainbow" und eines Power Noccles verfügt. Zur Begründung war im wesentlichen ausgeführt worden, anläßlich einer am beim Zollamt Klingenbach durchgeführten Zollkontrolle sei unter dem Rücksitz des dem Erstbeschwerdeführer gehörenden Personenkraftwagens der nicht deklarierte Staubsauger vorgefunden worden. Der Erstbeschwerdeführer habe dazu erklärt, diesen vor ca. 6 Monaten in Österreich gekauft zu haben. Er habe in der Folge auch eine Ankaufsrechnung übermittelt, welche jedoch auf die Zweitbeschwerdeführerin laute. Laut Mitteilung eines Organwalters des Zollamtes Klingenbach sei jedoch am in der Ausreise von einem jugoslawischen Staatsbürger ein Staubsauger der Marke "Rainbow" mit einem Formular U 34 ausgeführt und die Ausfuhr bestätigt worden. Da es sich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit bei der Einreise des Erstbeschwerdeführers um diesen Staubsauger handle, begründe seine Handlungsweise den Verdacht des Finanzvergehens des versuchten Schmuggels nach den §§ 13, 35 Abs. 1 FinStrG. Die Beschlagnahme der verfallsbedrohten und als Beweismittel in Betracht kommenden Gegenstände sei gemäß § 89 Abs. 1 FinStrG anzuordnen gewesen, weil dies zur Sicherung des Verfalls und zur Beweissicherung geboten sei.

Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz gab mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 12. Feber 1991 der (Administrativ-)Beschwerde (§ 152 Abs. 1 FinStrG) der Beschwerdeführer, in der sie den Ausspruch der Beschlagnahme als rechtswidrig bezeichneten, weil einerseits jegliche Notwendigkeit der Verwendung des Staubsaugers als Beweismittel fehle und anderseits derselbe gar nicht verfallsbedroht sei, weil bei richtiger Würdigung des Sachverhaltes kein Fall des § 35 Abs. 1 FinStrG vorliege, keine Folge. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Sachverhaltes und Wiedergabe der maßgebenden Rechtslage ausgeführt, auf Grund der Verantwortung des Erstbeschwerdeführers als Verdächtigter am vor dem Hauptzollamt Wien stehe außer Zweifel, daß er beabsichtigt habe, den streitverfangenen Staubsauger nach Österreich einzuschmuggeln. Denn nur auf diese Weise hätte er die Erstattung der Umsatzsteuer lukrieren können. Es erübrige sich daher, auf diese Verfallsvoraussetzung näher einzugehen. Nach der zwingenden Anordnung des § 89 Abs. 1 FinStrG sei in diesem Fall auch die Beschlagnahme des Tatgegenstandes zur Sicherung des Verfalls vorzunehmen. Damit solle nicht nur der Verbringungsgefahr des Gegenstandes bis zur rechtskräftigen Entscheidung über einen Verfallsausspruch begegnet, sondern auch seinem möglichen körperlichen oder rechtlichen Untergang bis zu diesem Zeitpunkt vorgebeugt werden. In diesem Stadium könne noch keine Rechtsgüterabwägung iSd § 17 Abs. 6 FinStrG Platz greifen, weil eine derartige Entscheidung der meritorischen Enderledigung vorbehalten bleiben müsse. Bis dahin habe die (vorläufige) Maßnahme der Beschlagnahme aufrecht zu bleiben. Unbestritten sei allerdings bei diesem Sachverhalt, daß das beschlagnahmte Gerät nicht mehr als Beweismittel benötigt werde. Dies ändere aber im Ergebnis nichts an der rechtlichen Interessenslage der beiden Beschwerdeführer und an der durch den Gesetzesauftrag geschaffenen Situation. Richtig sei auch, daß in diesem Stadium des Verfahrens noch keine Feststellungen über das behauptete Eigentum der Zweitbeschwerdeführerin an dem Tatgegenstand getroffen worden seien. Die Finanzstrafbehörde erster Instanz werde sich damit noch sehr wohl auseinanderzusetzen und Feststellungen zu treffen haben, ob sie als Mittäterin des versuchten Schmuggels gemäß § 11 FinStrG oder als schuldlose Eigentümerin (§ 76 FinStrG) dem Verfahren gemäß § 122 FinStrG beizuziehen sei. Ebenfalls erst im Rahmen der meritorischen Entscheidung werde die Frage zu prüfen sein, ob ein Wertersatz iSd § 19 Abs. 1 lit. c FinStrG zu verhängen sein werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angfochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer nach ihrem Vorbringen in dem Recht auf Nichtbeschlagnahme des im Eigentum der Zweitbeschwerdeführerin stehenden Staubsaugers samt Zubehör verletzt. Sie tragen hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, Tatbestandsvoraussetzung für eine Beschlagnahme nach § 89 Abs. 1 FinStrG sei der dringende Verdacht der Begehung eines Finanzvergehens, die Bedrohung des Gegenstandes mit der Strafe des Verfalls und das Gebotensein der Beschlagnahme zur Sicherung des Verfalls. Feststellungen über die Verbringungsgefahr und das Gebotensein der Beschlagnahme habe die belangte Behörde nicht getroffen, weil sie in Verkennung der Rechtslage davon ausgegangen sei, daß die Prüfung der Notwendigkeit der Beschlagnahme gar nicht erforderlich sei und sich auf abstrakte Erörterungen der Tatbestandsvoraussetzungen beschränkt habe. Überhaupt nicht auseinandergesetzt habe sich die belangte Behörde mit der Frage, ob das Eigentum der Zweitbeschwerdeführerin die Beschlagnahme hindere.

Die Beschwerde ist begründet.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 89 Abs. 1 erster Satz FinStrG idF der Finanzstrafgesetznovelle 1985, BGBl. Nr. 571. Darnach hat die Finanzstrafbehörde mit Bescheid die Beschlagnahme von verfallsbedrohten Gegenständen und von Gegenständen, die als Beweismittel in Betracht kommen, anzuordnen, wenn dies zur Sicherung des Verfalls oder zur Beweissicherung geboten ist.

Bei dem Rechtsinstitut der Beschlagnahme durch die Finanzstrafbehörde nach § 89 Abs. 1 FinStrG handelt es sich um eine Art VORLÄUFIGES Verfahren, das der zwangsweisen Entziehung der Gewahrsame an einer Sache (Wegnahme) zum Zwecke ihrer Verwahrung dient und in dem Entscheidungen im Verdachtsbereich und keine endgültigen Lösungen zu treffen sind. Das Wesen der Beschlagnahme besteht darin, daß die freie Verfügungsgewalt über eine Sache vom Berechtigten auf die Finanzstrafbehörde übergeht. Als VORLÄUFIGE Maßnahme endet sie entweder durch die Freigabe bzw. Rückgabe des beschlagnahmten Gegenstandes (vgl. § 91 Abs. 2 FinStrG) oder durch den rechtskräftigen Ausspruch des Verfalls.

Daß der Beschuldigte das mit Verfall "bedrohte" Finanzvergehen begangen hat, braucht im Zeitpunkt des Ausspruches der Beschlagnahme noch nicht nachgewiesen zu sein, weil diese Aufgabe ebenso wie die Feststellung, daß bestimmte Personen den Verfall gegen sich gelten zu lassen haben, erst dem Untersuchungsverfahren nach §§ 114 ff FinStrG und dem Straferkenntnis (vgl. § 138 Abs. 2 lit. a und f FinStrG) zukommt. Es genügt, wenn gegen den Beschuldigten ein VERDACHT besteht. Es müssen hinreichende Gründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß er als Täter eines mit der Sanktion eines (teilweisen) Vermögensverlustes - in der Gestalt des Verfalls - bedrohten Finanzvergehens in Frage kommt (vgl. im Zusammenhang die Ausführungen im Erkenntnis vom , Zl. 86/16/0103, Slg. Nr. 6139/F).

Die Beschlagnahme zur Sicherung des Verfalls ist ebenso wie jene zur Sicherung des Beweismittels ("probatio ad perpetuam rei memoriam") eine vorsorgliche Maßnahme außerhalb des in der Sache abzuführenden Finanzstrafverfahrens, vor oder auch während des Schwebens eines solchen.

Da es sich bei der Beschlagnahme zur Verfallssicherung - wie oben dargelegt - um eine vorläufige Maßnahme handelt, die sicherstellen soll, daß der verfallsbedrohte Gegenstand im Falle eines Verfallsausspruches (durch die endgültige Sachentscheidung) für die Finanzstrafbehörde greifbar bleibt, ist eine Entscheidung über die Beschlagnahme vor der endgültigen Sachentscheidung grundsätzlich keinesfalls rechtswidrig.

Gemäß § 35 Abs. 1 FinStrG macht sich des Schmuggels schuldig, wer eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- oder Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzieht. Nach der Anordnung des Abs. 4 letzter Satz der zitierten Gesetzesstelle ist auf Verfall nach Maßgabe des § 17 zu erkennen. Gemäß § 17 Abs. 2 lit. a FinStrG unterliegen die Sachen, hinsichtlich derer das Finanzvergehen begangen wurde, samt Umschließungen, dem Verfall. Die im Abs. 2 genannten Gegenstände sind im Grunde des § 17 Abs. 3 erster Satz FinStrG für verfallen zu erklären, wenn sie zur Zeit der Entscheidung im Eigentum oder Miteigentum des Täters oder eines anderen an der Tat Beteiligten stehen. Stünde der Verfall zur Bedeutung der Tat oder zu dem den Täter treffenden Vorwurf außer Verhältnis, so tritt gemäß § 17 Abs. 6 erster Satz leg. cit. an die Stelle des Verfalls nach Maßgabe des § 19 die Strafe des Wertersatzes.

Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, daß der streitverfangene, von der Zweitbeschwerdeführerin nach der bei den Akten des Verfahrens erliegenden Rechnung Nr. nn der Firma Rainbow Österreich vom im Zollgebiet um 19.800 S angekaufte Staubsauger samt Zubehör eine "eingangsabgabepflichtige" Ware darstelle.

Nachvollziehbare Feststellungen, aus welchen Gründen sie zu dieser Annahme gelangte, hat die belangte Behörde trotz des ausdrücklichen Beschwerdeeinwandes, es liege bei richtiger Würdigung des Sachverhaltes kein Fall des § 35 Abs. 1 FinStrG vor, nicht getroffen.

Nun ist es zwar richtig, daß alle Waren des inländischen freien Verkehrs, die nicht im Ausgangsvormerkverkehr oder im Zwischenauslandsverkehr in das Zollausland ausgeführt werden, gemäß § 65 erster Satz ZollG durch ihren Austritt aus dem Zollgebiet (rechtlich) zu ausländischen Waren werden.

Allerdings sieht, gewissermaßen, als "contrarius actus", § 34 Abs. 2 erster Satz iVm § 3 Abs. 2 ZollG die Eingangsabgabenfreiheit für jene Waren vor, die von im Zollgebiet wohnhaften Reisenden zu ihrem persönlichen Gebrauch oder zur Ausübung ihres Berufes während der Reise in das Zollausland mitgenommen und anläßlich der Rückkehr in das Zollgebiet wiedereingeführt werden. Derartige Waren unterliegen bei Zutreffen der Voraussetzungen gemäß § 172 Abs. 1 zweiter Satz ZollG nicht der zollrechtlichen Stellungspflicht. Weiters ist nach § 42 Abs. 1 iVm § 3 Abs. 2 ZollG für ausgeführte Waren des inländischen freien Verkehrs, die innerhalb von drei Jahren nach dem Tag ihrer Verbringung in das Zollausland für den inländischen Versender wiedereingeführt werden, in der Einfuhr Eingangsabgabenfreiheit zu gewähren, wenn sie im Zollausland keiner über Abs. 2 hinausgehende Veränderung unterzogen wurden. Das Ziel dieser Eingangsabgabenbefreiung ist darin gelegen, daß ausgeführte Waren des inländischen freien Verkehrs, die im Zollausland nicht abgesetzt werden können und aus diesem Grunde für den inländischen Versender wiedereingeführt werden, ohne abgabenrechtliche Belastung wieder an diesen zurücklangen können (vgl. im Zusammenhang das Erkenntnis vom , Zl. 86/16/0221).

Der angefochtene Bescheid läßt jedenfalls eine hinreichende Begründung zu der entscheidungswesentlichen Frage vermissen, aus welchen Gründen die von den Beschwerdeführern, die als Wohnsitzinländer nicht zum Kreis der begünstigten Personen des § 7 Abs. 1 Z. 1 lit. a UStG gehören, im Wege einer vorgetäuschten Ausfuhrlieferung (§ 6 Z. 1, § 7 UStG; vgl. hiezu die Aussage des Erstbeschwerdeführers als Verdächtigter vor dem Zollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom ) versuchte Erschleichung der Befreiung von der auf den streitverfangenen Staubsauber entfallenden (inneren) Umsatszteuer in Höhe von 3.300 S im Wege einer Bestrafung wegen versuchten Einfuhrschmuggels nach §§ 13, 35 Abs. 1 FinStrG rechtens geahndet werden soll und kann. Dies wurde von der belangten Behörde unberücksichtigt gelassen und daher in Verkennung der Rechtslage dem betreffenden Vorbringen der Beschwerdeführer zu Unrecht die Beachtlichkeit für die Entlastung der Beschwerdeführer von der ihnen im Verdachtsbereich vorgeworfenen schuldhaften Pflichtverletzung versagt.

Der angefochtene Bescheid mußte deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG iVm der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.