VwGH vom 16.03.1995, 94/16/0071
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
94/16/0072
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerden
1.) des H D und 2.) der P D, beide in B und beide vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in R, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , zu 1.) Zl. 92/2-9/Mü-1993 und zu 2.) Zl. 91/2-9/Mü-1993, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 25.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Beschwerdefall steht in Streit, ob die Voraussetzungen der Steuerbefreiung im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955 (Schaffung einer Arbeiterwohnstätte) erfüllt sind.
In der anläßlich einer Prüfung mit der Zweitbeschwerdeführerin aufgenommenen Niederschrift vom heißt es: "Im gegenständlichen Reihenhaus wurde nach Naturmaßen eine Wohnnutzfläche von
134,33 m2 ermittelt. Darin ist auch der ausgebaute Dachraum enthalten. ...". Für diesen Dachraum wird in der Niederschrift ein Ausmaß von 5,11 m2 festgehalten.
In der gemeinsam erhobenen Berufung gegen die an die beschwerdeführenden Parteien ergangenen Abgabenbescheide vom , mit denen Grunderwerbsteuer in der Höhe von S 37.898,-- festgesetzt wurde, brachten diese vor, ihnen sei die Grunderwerbsteuer wegen nachträglicher Aufgabe des begünstigten Zweckes vorgeschrieben worden. Warum dies so sein solle, sei weder aus dem Bescheid noch aus einer Zuschrift vom erkennbar und nachvollziehbar. Das Schreiben vom , welches integrierender Bestandteil des Bescheides sei, verweise auf eine Niederschrift. Aus dieser Niederschrift sei ebenfalls nicht ersichtlich, warum plötzlich ein Dachbodenraum ein Dachraum sein solle, der als Wohnraum ausgestattet sei. Es werde bestritten, daß ein Dachraum geschaffen worden sei, der im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein für Wohnzwecke ausgestatteter Raum sei. Es handle sich um einen ganz normalen Dachbodenraum. Es sei bloß die Dachhaut isoliert und aus Gründen der Wärmeisolierung eine niedrige Zwischenwand errichtet worden. Daß dadurch der Dachbodenraum zweigeteilt worden sei, sei ein unvermeidlicher, aber auch völlig untergeordneter und für die beschwerdeführenden Parteien auch völlig uninteressanter Nebeneffekt gewesen. Die beschwerdeführenden Parteien hätten weder den Willen noch die Absicht gehabt, den begünstigten Zweck aufzugeben.
Über Aufforderung legten die beschwerdeführenden Parteien in der Folge eine Kopie eines Bauplanausschnittes vor, aus welchem die Lage des Dachbodenraumes ersichtlich ist. Sie wiesen in dem Schreiben weiters darauf hin, daß dieser Raum ungeheizt sei und durch eine "T 30 Tür" zum "Flur 4" abgeschlossen sei.
Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Dies im wesentlichen mit der Begründung, bei einem Einfamilienhaus bzw. bei einem Eigenheim mit einer Wohnung sei die "Gesamtnutzfläche" mit der Nutzfläche ident. So sei auch ein in einem abgeschlossenen Wohnungsverband liegender Abstellraum der Wohnnutzfläche zuzurechnen. Das gleiche gelte für den im vorliegenden Fall als Dachraum bezeichneten Raum. Bei diesem Raum handle es sich um einen im Wohnungsverband liegenden und weder als Dachboden bzw. noch als Kellerraum anzusehenden Raum. Ihm komme wie einem Garderoberaum oder einem Bibliotheksraum die Bedeutung zu, den Wohnraum zu entlasten. Dem Umstand, daß dieser nach oben sowie seitlich isolierte Raum unbeheizt oder unbeheizbar sei oder allenfalls auch nur künstlich beleuchtet werden könnte, komme im Zusammenhang mit der hier wesentlichen Frage der Wohnnutzfläche ebenfalls keine Bedeutung zu.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, mit denen sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich in ihrem Recht auf Inanspruchnahme der Grunderwerbsteuerbefreiung und Nichtbezahlung der Grunderwerbsteuer verletzt.
Die belangte Behörde erstattete Gegegenschriften, mit denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verbindung der Rechtssachen wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung beschlossen und danach erwogen:
Für die Beantwortung der Frage, ob ein Wohnhaus als Arbeiterwohnstätte anzusehen ist, ist nach ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Erkenntnis vom , Zl. 94/16/0020) eine Orientierung an den Bestimmungen über die Wohnbauförderung zulässig. Nach § 2 Z. 7 Wohnbauförderungsgesetz 1984 gilt als Nutzfläche die gesamte Bodenfläche einer Wohnung oder eines Geschäftsraumes abzüglich der Wandstärken und der im Verlaufe der Wände befindlichen Durchbrechungen (Ausnehmungen). Nicht zu berücksichtigen sind u. a. Keller- und Dachbodenräume, soweit sie ihrer Ausstattung nach nicht für Wohn- oder Geschäftszwecke geeignet sind (vgl. Erkenntnis vom , Zlen. 93/16/0015, 0016, samt weiteren Ausführungen). Ein im Wohnungsverband befindlicher Abstellraum zählt allerdings zur Wohnnutzfläche (vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, 3. Teil Grunderwerbsteuer 1955 § 4 Abs. 1 Z. 2 GrEStG, Seite 8/2H).
Die beschwerdeführenden Parteien haben bereits in der Berufung bestritten, daß der in Rede stehende "Dachbodenraum" ein nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein für Wohnzwecke ausgestatteter Raum sei. Sie haben dabei vorgebracht, daß im Unterschied zum übrigen Dachbodenraum die Dachhaut isoliert und aus Gründen der Wärmeisolierung eine Zwischenwand errichtet worden sei. In einer weiteren Eingabe wiesen sie darauf hin, daß der Raum ungeheizt sei.
Die angefochtenen Bescheide gehen jedoch nur auf den Umstand ein, daß der nach oben sowie seitlich isolierte Raum unbeheizt oder unbeheizbar sei oder allenfalls nur künstlich beleuchtet werden könne, nicht aber auf das übrige Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien. Daß ein Dachbodenraum im Wohnungsverband liegt bzw. an den zum Wohnen geeigneten Raum anschließt, führt noch nicht dazu, daß dieser Raum, sofern er ein "Dachboden" ist, in die Nutzfläche mit einzurechnen ist. Wurde tatsächlich, wie von den beschwerdeführenden Parteien behauptet, in dem in Rede stehenden "Dachbodenraum" bloß die Dachhaut isoliert und zur Wärmeisolierung eine niedrige Zwischenwand errichtet, sonst aber keine weitere Ausstattung mit einer Eignung für Wohn- oder Geschäftszwecke vorgenommen, die einen wesentlichen Unterschied zum übrigen von der Behörde anerkannten Dachbodenraum bedeuten würde, dann zählt dieser Dachbodenraum nicht zur Nutzfläche.
Da die angefochtenen Bescheide weitere Ausführungen über die Ausstattung des in Rede stehenden "Dachbodenraumes" nicht enthalten, die tatsächliche Ausstattung auch nicht den Verwaltungsakten zu entnehmen und die belangte Behörde auf das für die Entscheidung wesentliche Berufungsvorbringen nicht zur Gänze eingegangen ist, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.