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VwGH vom 25.05.1992, 91/15/0143

VwGH vom 25.05.1992, 91/15/0143

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Bauherrengemeinschaft X in Y, bestehend aus N und weiteren 188 Miteigentümern der Liegenschaft EZ 405 II KG Y, alle vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der FLD Tir, vom , Zl. 30.552-3/91, betreffend Wiederaufnahme der mit Berufungsentscheidung vom , Zl. 30.029-3/88, abgeschlossenen Verfahren betreffend Umsatzsteuer 1984 bis 1986 und Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate Jänner bis August 1987, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Miteigentümergemeinschaft Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte und zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/15/0137, verwiesen. Daraus ist ersichtlich, daß die belangte Behörde mit Bescheid vom der beschwerdeführenden Miteigentümergemeinschaft die Unternehmereigenschaft versagte, und zwar im wesentlichen mit der Begründung, die Gemeinschaft hätte gegenüber dem Land Tirol auf die Begründung von Wohnungseigentum verzichtet, was als Dienstbarkeit grundbücherlich eingetragen worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof teilte diese Auffassung und führte unter anderem aus, der von den Mitgliedern der Gemeinschaft abgeschlossene Wohnungseigentumsvertrag könne der Beschwerdeführerin deshalb keine Unternehmereigenschaft verschaffen, weil der Begründung von rechtswirksamem Wohnungseigentum iS des WEG 1975 die im Grundbuch eingetragene Servitut zugunsten des Landes Tirol entgegenstünde. Die Beschwerdeführerin sei deshalb nicht in der Lage, den Miteigentümern das dingliche Nutzungsrecht an Wohnungseinheiten iS des WEG 1975 einzuräumen.

Mit Antrag vom begehrte die Beschwerdeführerin die Wiederaufnahme des mit Bescheid vom abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit.b oder c BAO und verwies darauf, daß die unter CLNr 8 der Liegenschaft EZ 405 KG R intabulierte Dienstbarkeit des Verzichtes auf die Begründung von Wohnungseigentum und auf den Einbau von Einrichtungen, die eine Haushaltsführung ermöglichen, zugunsten des Landes Tirol gemäß § 130 GBG mit Beschluß des BG Innsbruck vom , Tz 7078/1991, von Amts wegen als unzulässig gelöscht worden sei. Es habe sich um eine schon vor Abschluß des wiederaufzunehmenden Verfahrens vorliegende, ex tunc unwirksame Servitut gehandelt. Dies sei aber der Beschwerdeführerin erst mit Zustellung des Grundbuchsbeschlusses vom bekannt geworden. Bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Servitut hätte die Abgabenbehörde die Unternehmereigenschaft der Beschwerdeführerin auf Grund des Wohnungseigentumsvertrages vom bejahen müssen.

Durch den Beschluß des Grundbuchsgerichtes sei nicht nur eine Tatsache, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht werden konnte, neu hervorgekommen, sondern sei die auf Grund des Grundbuchsstandes von der Abgabenbehörde zu berücksichtigende Vorfrage des aufrechten Bestandes einer der Begründung von Wohnungseigentum entgegenstehenden Servitut vom Gericht jetzt abweichend entschieden worden.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Wiederaufnahmsantrag als unbegründet ab.

Sie vertrat dazu nach Wiedergabe des § 303 Abs. 1 lit.b und lit.c BAO folgende Auffassung:

Die amtswegige Löschung der Dienstbarkeit sei zwar, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, erfolgt, jedoch mit der Begründung, daß diese Dienstbarkeit eine schuldrechtliche Verpflichtung beinhalte, vergleichbar mit einer dem Eigentümer einer Liegenschaft aus wettbewerbsrechtlichen Gründen auferlegten wirtschaftlichen Beschränkung. Daraus ergebe sich zweifelsfrei, daß die Vereinbarung zwischen dem Land Tirol und den Miteigentümern zivilrechtlich keine Änderung erfahren habe, sondern weiterhin aufrecht geblieben sei. Nur die Sicherstellung dieser Vereinbarung in Form einer einverleibungsfähigen Dienstbarkeit sei aufgehoben worden. Bei dem Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom handle es sich weder um eine iS des § 303 Abs. 1 lit.b BAO neu hervorgekommene Tatsache, noch um eine abhängige Vorfrage iS des § 116 BAO gemäß § 303 Abs. 1 lit.c BAO. Darüber hinaus wäre die belangte Behörde auch in Kenntnis dieses Gerichtsbeschlusses nicht zu einem anderen Ergebnis gelangt, da die Vereinbarung vom mit dem Land Tirol (Grundverkehrsbehörde), in der die Miteigentümer auf die Begründung von Wohnungseigentum verzichtet hätten, keine Änderung erfahren habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Wiederaufnahme und Anerkennung ihrer Unternehmereigenschaft verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 303 BAO bestimmt auszugsweise:

"(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

...

b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder

c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte ..."

Die Beschwerdeführerin wendet sich in Ausführung des Beschwerdegrundes der inhaltlichen Rechtswidrigkeit dagegen, daß die belangte Behörde einerseits das Vorliegen von Wiederaufnahmsgründen nach den lit.b und c der obzitierten Gesetzesstelle verneinte und andererseits die Auffassung vertrat, die Kenntnis der Unwirksamkeit der Servitut hätte keinen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt.

Zunächst ist der Beschwerdeführerin, was den behaupteten Wiederaufnahmsgrund des § 303 Abs. 1 lit.b BAO anlangt, zu entgegnen, daß die durch Gerichtsbeschluß gemäß § 130 GBG angeordnete amtswegige Löschung derjenigen Dienstbarkeit, die im wiederaufzunehmenden Verfahren der Begründung von Wohnungseigentum entgegenstand, keine neue Tatsache darstellt, weil Tatsachen ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente sind, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen oder Eigenschaften etc., nicht aber Gerichtsentscheidungen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/15/0118 und die dort zitierte hg. Vorjudikatur).

Anders hingegen verhält es sich mit dem Wiederaufnahmsgrund des § 303 Abs. 1 lit.c BAO. Im abgeschlossenen Verfahren, dessen Wiederaufnahme jetzt angestrebt wird, war es Hauptfrage, über das Bestehen der Unternehmereigenschaft der Beschwerdeführerin zu entscheiden. Dafür war die Rechtsfrage der Begründung von Wohnungseigentum maßgeblich und in diesem Zusammenhang spielte die damals verbücherte Dienstbarkeit zugunsten des Landes Tirol insoferne eine entscheidende Rolle, als zu beurteilen war, ob diese Dienstbarkeit der Begründung von Wohnungseigentum im Wege des damals vorgelegten Vertrages vom (angezeigt am ) entgegenstand oder nicht. Diese Rechtsfrage löste die belangte Behörde seinerzeit dahin, daß sie die intabulierte Dienstbarkeit als Hindernis für die Begründung von Wohnungseigentum erachtete, welcher Meinung auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem schon oben zitierten Erkenntnis Zl. 88/15/0137 beigetreten ist.

Die Frage der Bedeutung der in Rede stehenden Servitut war sohin eine für die Frage der Begründung von Wohnungseigentum und damit für die Frage der Unternehmereigenschaft der Beschwerdeführerin präjudizielle. Das Bestehen oder Nichtbestehen einer Dienstbarkeit an einer verbücherten Liegenschaft wiederum ist eine Rechtsfrage, deren Klärung zufolge des geltenden Intabulationsprinzips an sich in den Wirkungsbereich des zuständigen (Grundbuchs)Gerichtes fällt. Somit handelte es sich bei der von der Abgabenbehörde im abgeschlossenen Verfahren zu beurteilenden Frage der Bedeutung der damals grundbücherlich eingetragenen Dienstbarkeit um eine Vorfrage i.S. des § 303 Abs. 1 lit.c BAO (i.V.m. § 116 BAO; vgl. dazu auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 89/16/0037 und vom , Zl. 87/15/0075), die von ihr auf Grund des damaligen Grundbuchstandes im oben dargestellten Sinn beurteilt wurde.

Eine grundbuchswidrige und gemäß § 130 GBG amtswegig zu löschende Eintragung ist nach der Judikatur des OGH (vgl. z.B. die ebenfalls zum Falle einer unzulässigen Servitut ergangene

Entscheidung vom , 3 Ob 13/72, SZ 45/26 =

EvBl 1972/245 = NZ 1973, 124 insbesondere aber den jetzt von

der beschwerdeführenden Miteigentumsgemeinschaft mit Schriftsatz vom vorgelegten Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom , 5 0b 87/81, womit die Löschung der hier maßgeblichen Dienstbarkeit bestätigt wurde) mit unheilbarer Nichtigkeit behaftet und zieht auf keinen Fall - auch nicht gutgläubigen Dritten gegenüber - Rechtswirkungen nach sich (in diesem Sinn auch Schmelz, NZ 1962, 178). Die Rechtskraft des die amtswegige Löschung anordnenden Beschlusses wirkt ex tunc und beseitigt solcherart den seinerzeitigen Eintragungsbeschluß (vgl. Feil, angewandtes Grundbuchsrecht 278).

Mit der am vom BG Innbruck angeordneten und in Rechtskraft erwachsenen amtswegigen Löschung der in Rede stehenden Dienstbarkeit wurde die Frage ihrer Wirksamkeit anders entschieden (nämlich das Vorliegen einer unheilbaren Nichtigkeit und Wirkungslosigkeit festgestellt) als dies im Berufungsbescheid der belangten Behörde vom geschehen ist, mit welchem die Servitut als wirksam und der Begründung von Wohnungseigentum hinderlich angesehen worden war. Sohin liegt - anders als es die belangte Behörde jetzt sieht - der Wiederaufnahmsgrund des § 303 Abs. 1 lit.c BAO vor.

Hätte die belangte Behörde den Umstand der absoluten Nichtigkeit der Servitut bei Erlassung ihres Bescheides vom gekannt, so hätte dies - wiederum anders als es der angefochtene Bescheid zum Ausdruck bringt - durchaus einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeiführen können: Auf Grund des vorgelegten Wohnungseigentumsvertrages (der unter OZlen 135-193 der Verwaltungsakten erliegt) ergibt sich ein Leistungsaustausch zwischen der Miteigentümergemeinschaft und den einzelnen Miteigentümern dergestalt, daß letzteren jeweils das Nutzungsrecht an einer bestimmten Wohnung durch Übergabe eingeräumt wurde, was aber nach der vom hg. Erkenntnis Zl. 88/15/0137 (unter Berufung auf die dort zitierte Literatur) zum Ausdruck gebrachten Ansicht für die Unternehmereigenschaft umsatzsteuerrechtlich ausschlaggebend ist. Zu beachten ist dabei allerdings, daß aus dem zitierten hg. Erkenntnis auch deutlich wird, daß dieser Leistungsaustausch die Unternehmereigenschaft nur unter der Voraussetzung zu begründen vermag, daß (in Zukunft) Wohnungseigentum tatsächlich verbüchert und damit wirksam begründet wird.

Der Umstand, daß zufolge der im Wege der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , 5 Ob 87/81, wiederhergestellten Eintragung der Dienstbarkeit des Verzichtes auf den Einbau von Einrichtungen, die eine Haushaltsführung ermöglichen, die Nutzungsrechte nicht mehr an "Wohnungen" sondern an "sonstigen selbständigen Räumlichkeiten" iS des § 1 Abs. 1 WEG begründet werden können, steht dem nicht entgegen (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 83/06/0202, MietSlg. 38623).

Da im vorliegenden Fall die wirksame Begründung von Wohnungseigentum als Endziel des Leistungsaustausches durch ein bücherliches Hindernis nicht mehr ausgeschlossen wird, stünde auch einer Anerkennung der Unternehmereigenschaft der beschwerdeführenden Miteigentümergemeinschaft nichts entgegen, sofern die Miteigentümer ungeachtet ihrer obligatorischen Unterlassungspflicht gegenüber dem Land Tirol (sowie ungeachtet der durch den oben erwähnten Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom , 5 Ob 87/91, wiederhergestellten Eintragung der Dienstbarkeit des Verzichtes auf den Einbau von Einrichtungen, die eine Haushaltsführung ermöglichen) die Verbücherung des Vertrages aus dem Jahr 1985 überhaupt ernsthaft betreiben, was zu klären Aufgabe der belangten Behörde im fortgesetzten Verfahren sein wird.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, sodaß auf die erhobene Verfahrensrüge nicht weiter eingegangen zu werden braucht.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VO BGBl. Nr. 104/1991.