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VwGH vom 24.03.1994, 94/16/0032

VwGH vom 24.03.1994, 94/16/0032

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Finanzen vom , GZ. T 1217/1/1-IV/11/93, betreffend Aufhebung des Bescheides (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GA 11-110/14/93, hinsichtlich Erbschaftssteuer, im Aufsichtsweg, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist die Witwe nach dem am verstorbenen R. Im eidesstättigen Vermögensbekenntnis wurde unter den Aktiven eine Position "Schallplatten S 200.000,--" ausgewiesen. Mit einem Bescheid vom setzte das Finanzamt die Erbschaftssteuer zunächst ausgehend von den Angaben im Vermögensbekenntnis fest.

Nachdem dem Finanzamt zur Kenntnis gelangt war, daß die Schallplattensammlung von der Republik Österreich (Österreichische Nationalbibliothek) am um S 3,000.000,-- erworben worden war, wurde das Erbschaftssteuerverfahren wieder aufgenommen.

Mit der im Instanzenzug ergangenen Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GA 11-110/14/93, wurde der Wert der Schallplattensammlung - den Parteieinwendungen teilweise Rechnung tragend - mit S 1,000.000,-- angenommen.

Diese Berufungsentscheidung wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes gemäß § 299 Abs. 2 BAO wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben. In der Begründung des Aufhebungsbescheides beruft sich die belangte Behörde auf die Bestimmung des § 10 Abs. 2 BewG über die Ermittlung des gemeinen Wertes. Schon zu Lebezeiten des Erblassers sei von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ein Gutachten über den Wert der Schallplattensammlung erstattet worden. Bei einem Gesamtumfang von 50.000 Stück seien 30.000 Stück bewertet worden. Der Wert der bewerteten Schallplatten sei auf S 2,929.000,-- geschätzt worden. Aus dem sodann erzielten Kaufpreis von S 3,000.000,-- sei der gemeine Wert ableitbar.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihren gesetzlich gewährleisteten Rechten 1. auf gesetzmäßige Veranlagung zur Erbschaftssteuer und 2. auf ein ordnungsgemäßes Verfahren verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin vertritt zunächst die Auffassung, es stelle keine Rechtswidrigkeit des Inhaltes im Sinne des von der belangten Behörde in Anspruch genommenen Aufhebungsgrundes nach § 299 Abs. 2 BAO dar, "wenn die ... Oberbehörde die Ansicht vertritt, daß die bescheiderlassende Behörde einen Ermessensspielraum im Rahmen des § 10 Bewertungsgesetz überschritten hat". Damit verkennt die Beschwerdeführerin aber die Rechtslage in zweifacher Weise:

Zum einen gehört der Begriff des Ermessens zur rechtlichen Beurteilung. Ist ein Bescheid mit einem - materiellen - Ermessensfehler (Ermessensmißbrauch oder Ermessensüberschreitung, vgl. dazu Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechtes7, Rz 1015) behaftet, so liegt eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides vor (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 576, und die dort genannte Rechtsprechung).

Zum anderen ist der Abgabenbehörde bei der Vollziehung des § 10 BewG, der in seinem Abs. 1 den gemeinen Wert als grundsätzlichen Bewertungsmaßstab normiert und in den Abs. 2 und 3 Bestimmungen über die Ermittlung eines solchen gemeinen Wertes enthält, keineswegs ein freies Ermessen eingeräumt. Vielmehr handelt es sich bei dem im § 10 BewG näher geregelten gemeinen Wert um einen unbestimmten Gesetzesbegriff, bei dessen Auslegung die Behörde nicht mit Fragen des Ermessens zu tun hat (vgl. Klecatsky-Morscher, Das österreichische Bundesverfassungsrecht MGA3, E 41 zu Art. 18 B-VG).

Die weiters in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, es habe sich bei dem erzielten Kaufpreis für die Schallplattensammlung um einen "Liebhaberpreis" gehandelt, wird nicht näher begründet. Es trifft zwar zu, daß nach § 10 Abs. 2 Satz 3 BewG 1955 bei der Ermittlung des gemeinen Wertes ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen sind. Solche ungewöhnlichen oder persönlichen Verhältnisse wurden aber von der Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet, entsprechend belegte Ausführungen über solche Verhältnisse wären schon deswegen erforderlich gewesen, weil es sich beim Erwerber der Sammlung um die Republik Österreich gehandelt hat. Wenn die belangte Behörde auf Grund des tatsächlichen Verkaufes der Sammlung und unter Bedachtnahme auf das Schätzungsgutachten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften die Ermittlung des Wertes der gesamten in Rede stehenden Sammlung mit lediglich S 1,000.000,-- durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz als inhaltlich rechtswidrig beurteilt hat, so hat sie das Gesetz richtig angewendet.

Auch aus der von der Beschwerdeführerin gegen den angefochtenen Bescheid ins Treffen geführten Bestimmung des § 299 Abs. 3 BAO ist für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen:

Diese einschränkende Bestimmung betrifft lediglich Entscheidungen eines Berufungssenates. Einem Berufungssenat obliegt die Entscheidung über Berufungen allein in den im § 260 Abs. 2 BAO taxativ angeführten Fällen. In der genannten Bestimmung sind Berufungen gegen Erbschaftssteuerbescheide nicht enthalten. Bei der durch den angefochtenen Bescheid aufgehobenen Berufungsentscheidung handelte es sich somit nicht um eine Entscheidung eines Berufungssenates, sodaß § 299 Abs. 3 BAO im Beschwerdefall nicht zur Anwendung kommt.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen, wobei diese Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden konnte.