VwGH vom 24.01.2001, 99/16/0243
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. Richard Soyer und Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwälte in Wien I, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ ZRV/11-13/99, betreffend Feststellung einer Eingangsabgabenschuld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Hauptzollamtes Wien vom wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Mai 1990 1000 Gramm Kokain als einfuhrzollpflichtige zollhängige Ware an sich gebracht habe, obwohl ihm die Zollhängigkeit der Ware bekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen sei, wodurch die Eingangsabgabenschuld für den Beschwerdeführer kraft Gesetzes gemäß § 174 Abs. 3 lit. a 2. Fall ZollG 1988 entstanden sei. Die festgestellte Eingangsabgabenschuld setzte sich ausgehend von einem Zollwert von S 700.000,-- aus S 100.000,-- Zoll, S 160.000,--
Einfuhrumsatzsteuer und S 2.100,-- Außenhandelsförderungsbeitrag zusammen.
Die Berufung gegen diesen Bescheid wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides berief sich die belangte Behörde auf das rechtskräftige Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , 6c Vr 9150/90, Hv 5244/90, mit dem der Beschwerdeführer schuldig gesprochen worden war, im Mai 1990 gemeinsam mit Gerhard T. als Mittäter rund ein Kilo Kokain in Mailand von Walter W. übernommen, nach Tarvis transportiert und dort zum Weitertransport nach Wien dem Thomas C. und dem Manfred E. übergeben habe. Er habe weiters Ende Mai 1990 in Wien von dem Suchtgift 150 g dem Walter W, 300 g dem Gerhard T, und 100 g einem Unbekannten übergeben. Hiedurch habe er das Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG und das Vergehen nach § 16 Abs 1 SGG begangen. In den Urteilsgründen wurde dazu festgestellt, Thomas C. und Manfred E. hätten das Suchtgift dem Beschwerdeführer am folgenden Tag in Wien übergeben. Eine Verurteilung auch nach dem Finanzstrafgesetz sei nicht in Betracht gekommen, weil der diesbezügliche strafbestimmende Wertbetrag nicht erreicht sei, erschwerende Umstände und Rückfall nicht vorgelegen seien.
Die belangte Behörde folgerte aus den Feststellungen des Strafgerichtes, dass dem Beschwerdeführer die illegale Einbringung des Suchtgiftes durch Thomas C. und Manfred E. bewusst gewesen sei, sodass ihm jedenfalls bedingter Vorsatz vorzuwerfen sei. Der Beschwerdeführer habe mit dem bösgläubigen Ansichbringen des Suchtgiftes den zweiten Tatbestand des § 174 Abs. 3 ZollG 1988 verwirklicht.
Zum Einwand der Verjährung ging die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer durch das Ansichbringen des Suchtgiftes den Tatbestand der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG verwirklicht habe. Die Abgaben seien daher hinterzogen worden. Da die Zollbehörde den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag im Zeitpunkt seines Entstehens nicht habe ermitteln können, seien die Voraussetzungen für die zehnjährige Verjährungsfrist erfüllt.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , B 642/99-3, unter Hinweis auf das zur Eingangsabgabenpflicht im Zusammenhang mit der Veräußerung gestohlener Sachen ergangene Erkenntnis VfSlg 6971 abgelehnt. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , B 642/99-5, wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Vor diesem Gerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer insbesondere dadurch in seinen Rechten verletzt, dass das Ansichbringen einer stellungspflichtigen Ware festgestellt wurde und dass eine verjährte Abgabenschuld geltend gemacht worden sei.
Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass auf Sachverhalte, in denen die Zollschuld vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union entstanden ist, noch die für den Zeitraum vor dem Beitritt Österreichs geltende Rechtslage anzuwenden ist (vgl z.B. die hg Erkenntnisse vom , Zl. 97/16/0512, und vom , Zl. 96/16/0073). Die Auffassung des Beschwerdeführers, es seien hinsichtlich der Entstehung der Zollschuld die Bestimmungen des Zollkodex anzuwenden, ist daher unzutreffend.
Soweit der Beschwerdeführer weiters vorbringt, im Hinblick auf den Anklagegrundsatz im Sinne des Art. 90 Abs. 2 B-VG sei Kokain nicht als stellungspflichtige Ware im Sinne des § 48 ZollG anzusehen, verkennt er zunächst, dass Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht der Vorwurf einer strafbaren Handlung, sondern die Feststellung einer Eingangsabgabenschuld ist. Überdies hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung abgelehnt, für eine verbotene oder illegal eingeführte Ware könne keine Eingangsabgabenschuld entstehen. Dieser Grundsatz hat im § 3 Abs. 3 ZollG 1988, wonach die Verbotswidrigkeit einer Ware ihre gesetzlich vorgeschriebene Eingangsabgabenpflichtigkeit nicht berührt, seinen Niederschlag gefunden (vgl. z.B. das zur Eingangsabgabepflicht von diversen Suchtgiften, darunter auch Kokain, ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl 93/16/0087 mwH.).
Zur Verjährung einer Eingangsabgabenschuld hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl 96/16/0073, ausgesprochen, dass im Hinblick auf § 122 Abs. 2 ZollR-DG idF des am im Bundesgesetzblatt verlautbarten Bundesgesetzes BGBl. Nr. 13/1998 § 74 Abs. 2 ZollR-DG auch für vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union entstandene Abgabenschuldigkeiten gilt. Kraft dieser ausdrücklichen gesetzlichen Regelung besteht also hinsichtlich der Beurteilung der Verjährung eine Ausnahme vom oben angeführten Grundsatz, wonach auf vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union verwirklichte Sachverhalte die vor dem Beitritt geltende Rechtslage anzuwenden ist. Nach § 74 Abs. 2 ZollR-DG beträgt die Verjährungsfrist bei Eingangs- oder Ausgangsabgaben drei Jahre ab dem Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld. Bei hinterzogenen Eingangs- und Ausgangsabgaben beträgt diese Frist zehn Jahre, bei Einfuhr- und Ausfuhrabgaben jedoch nur dann, wenn die Zollbehörden infolge eines ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgenden Finanzvergehens die Abgabenschuld binnen drei Jahren ab ihrem Entstehen nicht oder nicht genau ermitteln können.
Vom Beschwerdeführer wird nicht in Frage gestellt, dass es sich bei den in Rede stehenden Abgaben um hinterzogene handelt. Zur Klarstellung ist dabei darauf zu verweisen, dass es sich bei der Tathandlung des Beschwerdeführers keineswegs - wie dies die belangte Behörde gemeint hatte - um eine Abgabenhehlerei im Sinne des § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG, sondern vielmehr um Schmuggel nach § 35 FinStrG in der Form der Bestimmungstäterschaft gehandelt hat, hat doch der Beschwerdeführer nach den Feststellungen des Strafurteils zwei Mittäter veranlasst, das Suchtgift von Tarvis nach Wien zu verbringen. Dies ändert allerdings an der Beurteilung der Abgaben als hinterzogene nichts.
Im Zusammenhang mit der Frage der Verjährung der Eingangsabgaben moniert der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Bestimmungen des Art. 221 Abs. 3 ZK, die Abgabenbehörden seien durch sieben Jahre hindurch untätig geblieben. Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang vor, die Mitteilung (betreffend die Entstehung der Zollschuld) könne (nur) dann noch nach Ablauf der Dreijahresfrist erfolgen, wenn die Zollbehörden den geschuldeten Abgabenbetrag auf Grund einer strafbaren Handlung nicht genau ermitteln konnten. Demgegenüber sei aber im Falle des Beschwerdeführers der geschuldete Abgabenbetrag aber bereits mit der rechtskräftigen Verurteilung am genau zu ermitteln gewesen.
Diese Einwendungen sind dabei schon deswegen unbegründet, weil die in Rede stehenden Bestimmungen des Zollkodex wie oben ausgeführt, auf die im Beschwerdefall im Mai 1990 verwirklichten Sachverhalte nicht anzuwenden waren. Auch aus § 74 Abs 2 Satz 2 ZollR-DG kann der Beschwerdeführer nichts gewinnen, weil nach dem ersten Halbsatz dieser Bestimmung hinsichtlich Eingangsabgaben allein die Feststellung der Hinterziehung maßgeblich ist. Bei den vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union zu erhebenden Abgaben hat es sich ausschließlich um Eingangsabgaben, nicht aber um Einfuhrabgaben iS des Zollkodex gehandelt (vgl das hg Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl 99/16/0117). Bei hinterzogenen Eingangsabgaben beträgt aber die Verjährung zehn Jahre, ohne dass es darauf ankommt, in welchem Zeitpunkt die Zollbehörde den Abgabenbetrag genau ermitteln konnte.
Wenn die belangte Behörde schließlich aus den Umständen, dass der Beschwerdeführer seit längerem Suchtgifte konsumiert hatte und daher als in Suchgiftangelegenheiten erfahren anzusehen gewesen sei, gefolgert hat, dem Beschwerdeführer sei die Zollhängigkeit des Suchtgiftes bekannt gewesen, so erscheint dies im Hinblick auf die Tatumstände schlüssig. Der behauptete Begründungsmangel ist damit nicht gegeben.
Aus den angeführten Gründen war die Beschwerde somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war dabei aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr 416/1994.
Wien, am