VwGH vom 12.04.2005, 2004/01/0491
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des NS in B, vertreten durch Mag. Dieter Ebner, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 252.881/0-V/14/04, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages wegen entschiedener Sache (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein der albanischen Volksgruppe angehörender Staatsbürger von Serbien und Montenegro aus dem Kosovo, reiste gemäß seinen Behauptungen am in das Bundesgebiet ein. Am selben Tag stellte er einen Asylantrag, zu dem er am einvernommen wurde und den er zusammenfassend mit wirtschaftlichen und gesundheitlichen Problemen (eine erforderliche medizinische Behandlung sei im Kosovo nicht durchführbar) begründete. Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab; zugleich sprach es aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo, gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nach dem in den Verwaltungsakten erliegenden RSa-Rückschein am an einer Adresse in B (nach zwei erfolglosen Zustellversuchen durch Hinterlegung beim Postamt; die hinterlegte Sendung wurde in der Folge als nicht behoben an das Bundesasylamt retourniert) zugestellt und blieb unbekämpft.
Am stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Asylantrag, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückwies. Vor Zustellung dieses Bescheides, am , holte das Bundesasylamt eine Auskunft aus dem Zentralen Melderegister ein, der zufolge der Beschwerdeführer mit seinen Hauptwohnsitz in B aufgegeben habe und in der ab diesem Zeitpunkt ein neuer Hauptwohnsitz in O (bestehend bis ) angeführt ist.
Die gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom erhobene Berufung wies die belangte Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG ab. Der Bescheid "der Berufungsbehörde" vom sei am beim örtlich zuständigen Postamt B hinterlegt worden und in Rechtskraft erwachsen; der neuerliche Asylantrag vom sei im Wesentlichen nur auf die Aufrechterhaltung der bereits im Asylantrag vom geltend gemachten Gründe gestützt.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer weist ua. darauf hin, dass er im Zeitpunkt der postamtlichen Hinterlegung des seinen Erstantrag abweisenden Bescheides des Bundesasylamtes vom nicht mehr an der auf dem Rückschein angeführten Adresse in B, sondern in O gewohnt habe. Die auf seine seinerzeitige Adresse in B bezogene Hinterlegung sei mithin nicht wirksam geworden, weshalb der Bescheid vom keineswegs in Rechtskraft erwachsen sei.
Der Berücksichtigung dieses Vorbringens steht, wie zunächst klargestellt sei, das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot nicht entgegen. Zwar hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren keine Angaben erstattet, die die Rechtswirkungen der Zustellung des Bescheides vom in Frage gestellt hätten. Jedenfalls im Hinblick auf die oben erwähnte, in den Verwaltungsakten erliegende Auskunft aus dem Zentralen Melderegister vom , der zufolge die Adresse in B vom Beschwerdeführer bereits Anfang Mai 2003 (und damit mehr als zwei Monate vor Bescheidverfassung) aufgegeben war, wäre es allerdings ungeachtet dessen Aufgabe der Asylbehörden gewesen, sich mit dieser Zustellung näher auseinander zu setzen. Das Unterbleiben entsprechender Überlegungen bzw. einer klärenden Ermittlungstätigkeit stellt somit einen Verfahrensmangel dar, dessen nunmehriges Aufzeigen dem Beschwerdeführer nicht verwehrt ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 93/06/0016, oder vom , Zl. 98/01/0602).
Der dargestellte Verfahrensmangel ist zudem wesentlich: Hatte der Beschwerdeführer wie behauptet - was mit der besagten Auskunft aus dem Zentralen Melderegister übereinstimmt - im Juli 2003 nicht mehr an der seinerzeitigen Adresse in B gewohnt, so befand sich dort nämlich auch nicht mehr länger eine zulässige Abgabestelle im Sinn des - damals noch maßgeblichen - § 4 ZustG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004. Gegebenenfalls konnte mithin an dieser Adresse keine wirksame Zustellung erfolgen, weshalb die Hinterlegung des Bescheides vom keine Rechtswirkungen entfaltet hätte. Konsequenz wäre, dass das am eingeleitete (erste) Asylverfahren noch in erster Instanz anhängig und nicht rechtskräftig entschieden wäre, was einer Zurückweisung des zweiten Asylantrages vom wegen entschiedener Sache naturgemäß die Grundlage entziehen würde und im Hinblick darauf, dass als Verfahrensgegenstand des Asylverfahrens schlichtweg die Gewährung von Asyl anzusehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/01/0402), zur Folge hätte, dass der zweite Asylantrag bzw. die dabei aufgestellten Behauptungen ohne selbstständiges Schicksal als ergänzendes Vorbringen zum ursprünglichen Asylantrag vom zu behandeln gewesen wäre (vgl. sinngemäß das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 98/20/0590, 0591).
Nach dem Gesagten war der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 6 VwGG abgesehen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Da neben dem Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand die Zuerkennung von Umsatzsteuer nicht in Betracht kommt, war das auf Ersatz derselben gerichtete Mehrbegehren abzuweisen.
Wien, am
Fundstelle(n):
JAAAE-62648