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VwGH vom 08.06.2006, 2004/01/0470

VwGH vom 08.06.2006, 2004/01/0470

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Pelant, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des SD in S, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 0/912- 12968/25-2004, betreffend Wiederaufnahme eines Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hatte im November 2000 unter dem Namen "Sital D." und unter Vorlage eines auf diesen Namen lautenden indischen Reisepasses sowie einer Heiratsurkunde, in der er gleichfalls unter dem genannten Namen aufscheint, die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft beantragt. Nach Durchführung von Erhebungen - ua. wurde die Echtheit der vorgelegten Heiratsurkunde überprüft; die Österreichische Botschaft in New Delhi teilte mit, dass die "befasste indische Behörde" deren Echtheit bestätigt habe - gab die belangte Behörde mit Bescheid vom dem Verleihungsbegehren statt; dem Beschwerdeführer wurde unter dem Namen "Sital D." mit Wirkung vom gemäß § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.

Nachdem auf Grund eines bei der Österreichischen Botschaft in New Delhi eingegangenen Schreibens gegen den Beschwerdeführer bereits Ermittlungen geführt worden waren, sprach dieser am persönlich bei der belangten Behörde vor und gab an, tatsächlich den Namen "Shila D." zu führen; er habe 1991 mit Sital D. den Pass getauscht und sei in der Folge - Sital D. habe ein Visum für Österreich gehabt - mit dessen Pass nach Österreich eingereist, wo er (so die weiteren Angaben des Beschwerdeführers sinngemäß) bis zuletzt unter dem Namen "Sital D.", "weil er keine Probleme hatte", gelebt habe.

Ein in der Folge gegen den Beschwerdeführer wegen §§ 228 Abs. 2 und 231 Abs. 1 StGB geführtes Strafverfahren wurde am nach Bezahlung eines Geldbetrages gemäß § 90c StPO eingestellt.

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom sprach die belangte Behörde aus, dass das Verfahren über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 AVG wieder aufgenommen werde, womit der Verleihungsbescheid vom gemäß §§ 69 und 70 AVG außer Kraft trete.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

Die belangte Behörde ging erkennbar davon aus, dass der Beschwerdeführer den Verleihungsbescheid auf Grund seiner unrichtigen Angaben zu seinem Vornamen und auf Grund der Vorlage "unrichtiger Urkunden" im Sinn des von ihr herangezogenen Wiederaufnahmegrundes nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG (hier: iVm § 69 Abs. 3 leg. cit.) "erschlichen" habe.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt das "Erschleichen" eines Bescheides vor, wenn dieser in der Art zustande gekommen ist, dass bei der Behörde von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht wurden und diese Angaben dann dem Bescheid zu Grunde gelegt worden sind, wobei die Verschweigung wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist. Dabei muss die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen sein und eine solche Lage bestehen, dass ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere, der Feststellung der Richtigkeit der Angaben dienliche Erhebungen zu pflegen. Wenn es die Behörde verabsäumt, von den ihr im Rahmen der Sachverhaltsermittlung ohne besondere Schwierigkeiten offen stehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen, schließt dieser Mangel es aus, auch objektiv unrichtige Parteiangaben als ein Erschleichen des Bescheides im Sinn des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG zu werten (vgl. zuletzt das gleichfalls die Wiederaufnahme eines Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahrens betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/01/0184).

In der Beschwerde wird nicht in Abrede gestellt, dass der Beschwerdeführer bezüglich seines Vornamens unrichtige Angaben - in Irreführungsabsicht - gemacht und diese Angaben durch Vorlage von Urkunden (Reisepass und Heiratsurkunde), die seine Identität falsch wiedergeben, "bestätigt" hat. Dennoch sei - so die Beschwerde im Ergebnis sowohl in der Verfahrensrüge als auch unter dem Gesichtspunkt der geltend gemachten inhaltlichen Rechtswidrigkeit - der Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG nicht erfüllt: Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers habe sich nämlich auf die Verwendung eines falschen Reisepasses und die Beantragung der österreichischen Staatsbürgerschaft unter einem falschen Namen sowie die Vorlage einer Heiratsurkunde, in welcher ein falscher Vorname des Beschwerdeführers eingetragen gewesen sei, beschränkt. Dieses Fehlverhalten stelle keinen Versagungsgrund dar, vielmehr erfülle der Beschwerdeführer alle Voraussetzungen für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer den Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft unter einem falschen Vornamen gestellt habe, sei somit für die inhaltliche Verleihungsentscheidung nicht wesentlich. Dem Beschwerdeführer hätte die Staatsbürgerschaft auch dann verliehen werden müssen, wenn er seinen richtigen Vornamen bekannt gegeben und sein (bis zu diesem Zeitpunkt gesetztes) Fehlverhalten eingeräumt hätte. Im Übrigen räume § 69 Abs. 3 AVG der Behörde hinsichtlich der amtswegigen Wiederaufnahme eines Verfahrens Ermessen ein. Es sei jedenfalls "mit der Intention des § 69 Abs. 1 und Abs. 3 AVG iVm § 10 Abs. 1 StbG nicht vertretbar, trotz des Vorliegens aller materiellen Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft lediglich auf Grund einer falschen Vornamensbezeichnung ein Wiederaufnahmeverfahren einzuleiten".

Dieses Vorbringen ist auch unter Zugrundelegung der Annahme, das festgestellte Fehlverhalten des Beschwerdeführers stelle keinen Versagungsgrund dar, nicht zielführend. Der hier in Frage stehende Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG hat nämlich nach herrschender Ansicht absoluten Charakter; es kommt nicht darauf an, ob ohne das verpönte Verhalten voraussichtlich ein anders lautender Bescheid ergangen wäre (Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht3 (2004), 297; Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3 (1996), 808) bzw. ob die Behörde im neuen Verfahren voraussichtlich zu einer anders lautenden Entscheidung gelangen wird (Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht3 (2005), Rz 582; Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8 (2003), Rz 587; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/07/0071). Behördliche Ermittlungen zur Frage der Relevanz des als Wiederaufnahmegrund herangezogenen Verhaltens sind daher grundsätzlich entbehrlich. Richtig ist lediglich - gemäß der obigen Umschreibung des "Erschleichungstatbestandes" -, dass den zu beurteilenden unrichtigen Angaben wesentliche Bedeutung zukommen muss. Das kann freilich bezüglich der Namensangaben im Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahren nicht in Zweifel gestellt werden, geht es doch in diesem Verfahren darum, einer ganz bestimmten, durch ihren Namen identifizierbaren Person die Staatsbürgerschaft zu verleihen und insofern ihren rechtlichen Status zu gestalten. Von daher kann jedenfalls nicht gesagt werden, es sei belanglos, auf welchen Namen ein Verleihungsbescheid ausgestellt wird. Im Übrigen aber steht entgegen den Beschwerdeausführungen noch gar nicht fest, dass der Beschwerdeführer alle "materiellen Voraussetzungen" für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erfüllt. Wie schon erwähnt, war die Behörde im Rahmen des gegenständlichen Wiederaufnahmeverfahrens (noch) nicht verpflichtet, Ermittlungen zur Klärung dieser Frage anzustellen. Wohl trifft es zu, dass "Sital D." - im Sinn der in der Beschwerde angesprochenen Mitteilung der belangten Behörde an die Staatsanwaltschaft Salzburg vom - zum Zeitpunkt der seinerzeitigen Verleihung am die Verleihungsvoraussetzungen erfüllt hat. Es ist jedoch keineswegs ausgeschlossen, dass die im wiederaufgenommenen Verfahren vorzunehmenden Erhebungen bezüglich der nunmehr hervorgekommenen richtigen Identität des Verleihungswerbers (Beschwerdeführers) ein anderes Ergebnis erbringen. Schon im Hinblick darauf gehen die in der Beschwerde angestellten und oben wiedergegebenen Überlegungen, es sei im Hinblick auf das Vorliegen der Verleihungsvoraussetzungen die im behördlichen Ermessen stehende Verfügung der amtswegigen Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 3 AVG nicht vertretbar, ins Leere. Aber auch der Hinweis auf die "weit reichenden Folgen" der verfügten Wiederaufnahme des Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahrens vermag einen Ermessensmissbrauch seitens der belangten Behörde nicht aufzuzeigen. Soweit in diesem Zusammenhang schwergewichtig ins Treffen geführt wird, der Beschwerdeführer habe die indische Staatsangehörigkeit verloren und sei deshalb durch den bekämpften Bescheid staatenlos geworden, ist er auf § 24 StbG zu verweisen. Gemäß dieser Bestimmung steht die gegebenenfalls eintretende Staatenlosigkeit lediglich einer Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 Z 2 und 3 AVG entgegen. Es kann daher nicht angenommen werden, dass eine zu diesem Ergebnis führende Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG (iVm § 69 Abs. 3 leg. cit.) unter Ermessensgesichtspunkten Bedenken begegnen würde.

Über das bisher Dargestellte hinaus bleibt noch festzuhalten, dass der Beschwerde auch der Hinweis auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom (eine nähere Bezeichnung ist unterblieben, gemeint ist offenbar das Erkenntnis zu den Zlen. 83/01/0002 und 0003) nicht zum Erfolg verhelfen kann. Mit diesem Erkenntnis wurde zwar eine auf § 69 Abs. 1 lit. a AVG 1950 (nunmehr § 69 Abs. 1 Z 1 AVG) gestützte amtswegige Wiederaufnahme aufgehoben. Hiefür maßgeblich war indes, dass die seinerzeit belangte Behörde im Verleihungsverfahren keine ausreichenden Erhebungen gepflogen hatte. Hievon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein, wobei es zur Untermauerung dieses Standpunktes genügen kann, auf die eingangs genannte Überprüfung der Echtheit der vom Beschwerdeführer vorgelegten Heiratsurkunde zu verweisen.

Insgesamt zeigt sich damit, dass dem bekämpften Bescheid keine Rechtswidrigkeit anhaftet. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am