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VwGH vom 19.05.1994, 91/15/0078

VwGH vom 19.05.1994, 91/15/0078

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl sowie die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des Sozialhilfeverbandes X, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , 68-4/91, betreffend Aufhebung der Berufungsvorentscheidungen (Umsatzsteuer) für die Jahre 1986 bis 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von 11.510 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist ein Sozialhilfeverband im Sinn des § 19 des Steiermärkischen Landesgesetzes über die Sozialhilfe, LGBl Nr 1/1977 (Stmk SHG), der drei Altenpflegeheime unterhält, in denen die Heimbewohner gegen Entgelt (auch) Telefonate führen können.

In einem gemäß § 151 Abs 3 BAO erstellten Bericht vertrat der Prüfer die Ansicht, die den Heimbewohnern vom Beschwerdeführer in den Jahren 1986 bis 1988 in Rechnung gestellten Telefonkosten von rund 135.000 S unterlägen der Umsatzsteuer.

Das Finanzamt schloß sich der Ansicht des Prüfers an und erließ im wiederaufgenommenen Verfahren dementsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1986 bis 1988, wobei es zur Begründung auf den Bericht des Prüfers verwies.

Mit Berufung wandte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 6 Z 6 UStG ein, die von ihm erzielten Umsätze seien generell von der Entrichtung der Umsatzsteuer befreit. Es sei kein Grund vorhanden, warum das den Heimbewohnern in Rechnung gestellte Entgelt für die Telefonate nicht unter die Befreiungsbestimmung fallen sollte. Zu den von ihm an die Heimbewohner zu erbringenden Leistungen gehöre auch die entgeltliche Duldung der Nutzung der sich in den Altenpflegeheimen befindlichen Telefoneinrichtungen, um es so den Heimbewohnern zu ermöglichen, soziale Kontakte zu knüpfen. Die Knüpfung derartiger Kontakte stelle einen wesentlichen Lebensbedarf dar, der nach den Bestimmungen des Steiermärkischen Landesgesetzes über die Sozialhilfe zu decken sei.

Mittels Berufungsvorentscheidungen für die Jahre 1986 bis 1988 gab das Finanzamt der Berufung ohne Begründung insofern statt, als es den Gesamtbetrag der jeweiligen Entgelte um die in diesen für Telefonkosten enthaltenen kürzte.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes die Berufungsvorentscheidungen für die Jahre 1986 bis 1988 gemäß § 299 Abs 2 BAO wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf, wobei sie zur Begründung im wesentlichen unter Hinweis auf § 1 Abs 1 Z 1 und § 2 Abs 4 Z 1 UStG ausführte, der als Unternehmer anzusehende Beschwerdeführer habe die Telefoneinrichtungen im Rahmen seines Unternehmens (Altenpflegeheime) gegen Entgelt zur Verfügung gestellt, weswegen umsatzsteuerbare sonstige Leistungen vorlägen. Da das Finanzamt die Entgelte um die aus den zur Verfügung gestellten Telefoneinrichtungen vereinnahmten Beträge gekürzt habe, seien die Berufungsvorentscheidungen für die Jahre 1986 bis 1988 inhaltlich rechtswidrig.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich erkennbar in seinem Recht auf Nichtaufhebung der Berufungsvorentscheidungen für die Jahre 1986 bis 1988 insofern verletzt, als diese nicht rechtswidrig seien, weil die Befreiungsbestimmung des § 6 Z 6 UStG auch für die von ihm in Rechnung gestellten Entgelte für die Duldung der Nutzung der sich in seinen Altenpflegeheimen befindlichen Telefoneinrichtungen gelte.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 299 Abs 2 BAO kann ein Bescheid von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Es ist daher im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die Berufungsvorentscheidungen für die Jahre 1986 bis 1988 inhaltlich rechtswidrig sind, weil nur dann deren Aufhebung zulässig gewesen wäre.

Nach § 2 Abs 4 Z 1 UStG gilt als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auch die Tätigkeit der Träger des öffentlichen Fürsorgewesens, soweit diese im Rahmen der .... allgemeinen Fürsorge (Sozialhilfe) tätig werden.

Im Sinn des § 6 Z 6 UStG sind von den unter § 1 Abs 1 Z 1

und 2 leg cit fallenden Umsätzen die Umsätze der .... Träger

des öffentlichen Fürsorgewesens .... an die ....

Versorgungsberechtigten oder die Hilfeempfänger oder die zum

Ersatz von Fürsorgekosten Verpflichteten .... steuerfrei.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 15/2571/80, ausgeführt hat, stellen Sozialhilfeverbände Träger des öffentlichen Fürsorgewesens dar. Die Sozialhilfe umfaßt die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, die Hilfe in besonderen Lebenslagen und die sozialen Dienste. Für die Anwendung der Befreiungsbestimmung des § 6 Z 6 UStG ist entscheidend, ob die umsatzsteuerbaren Leistungen des Fürsorgeträgers den Empfängern als Hilfe im Sinn der einschlägigen Bestimmungen gewährt werden, mag auf diese Hilfe ein Rechtsanspruch bestehen oder nicht.

Nach § 1 Abs 1 Stmk SHG soll durch die Sozialhilfe jenen Personen die Führung eines menschenwürdigen Lebens ermöglicht werden, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.

Wie sich aus § 17 lit i Stmk SHG ergibt, erbringen die Sozialhilfeträger bei Unterbringung in Heimen der Sozialhilfe soziale Dienste. Als besondere Hilfen für betagte Menschen sind unter anderem die Errichtung und Förderung von Begegnungsstätten, Besuchsdienste, Nachbarschaftshilfe, Schaffung von Altenzentren, Informationstätigkeit und die Begegnung der Generationen vorgesehen (vgl § 18 leg cit).

Wie sich aus den Bestimmungen des Steiermärkischen Landesgesetzes über die Sozialhilfe ergibt, soll insbesondere betagten Menschen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht werden. Zur Durchsetzung dieses Zieles hat der Landesgesetzgeber besondere Hilfen, die unter anderem den Kontakt betagter Menschen mit ihrer Mitwelt erleichtern sollen, vorgesehen. Im § 18 Stmk SHG sind zwar unter den besonderen Hilfen für betagte Menschen Telefongespräche nicht ausdrücklich genannt. Die Aufzählung der besonderen Hilfen für betagte Menschen ist jedoch nur eine demonstrative. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich der vom Beschwerdeführer vertretenen Meinung an, daß es sich bei der Duldung der Nutzung der sich in den Altenpflegeheimen befindlichen Telefoneinrichtungen um eine Leistung handelt, die es den Heimbewohnern ermöglicht, mit ihrer Mitwelt in Kontakt zu treten und zu bleiben, was für die Führung eines menschenwürdigen Lebens erforderlich ist.

Die Entgelte aus der Duldung der Nutzung der vom Beschwerdeführer im Rahmen seines Unternehmens den Heimbewohnern zur Verfügung gestellten Telefoneinrichtungen sind daher zwar nach § 1 Abs 1 Z 1 UStG steuerbar, jedoch nach § 6 Z 6 leg cit steuerfrei. Hiebei kommt es nicht darauf an, ob den Heimbewohnern ein Rechtsanspruch auf die Duldung der Nutzung der Telefoneinrichtungen zusteht, mögen die in Rechnung gestellten Telefonkosten zur Gänze von den Heimbewohnern beglichen werden oder nicht.

Mit dem Hinweis der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, die Entgelte im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 und 2 UStG seien in den Berufungsvorentscheidungen für die Jahre 1986 bis 1988 zu niedrig angesetzt worden, wird keine Rechtswidrigkeit dieser Bescheide dargetan. Denn auch bei Korrektur dieses Fehlers würden sich auf Grund der anzuwendenden Befreiungsbestimmung des § 6 Z 6 UStG keine höheren Abgabenschulden für den Beschwerdeführer ergeben.

Da die Berufungsvorentscheidungen für die Jahre 1986 bis 1988 der Rechtslage entsprechen, somit nicht inhaltlich rechtswidrig sind, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Es erübrigte sich daher, auf die behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl Nr 104/1991.