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VwGH vom 24.05.1993, 91/15/0063

VwGH vom 24.05.1993, 91/15/0063

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde der J in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl MD-VfR-H 32/90, betreffend Haftung für Dienstgeberabgabe und für Lohnsummensteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Haftungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurde die Beschwerdeführerin gemäß den §§ 7 und 54 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl für Wien Nr 21/1962, idgF als (ehemalige) Geschäftsführerin der mittlerweile aufgelösten und im Handelsregister gelöschten "A GesmbH" in Wien 6 "für den Rückstand an Dienstgeberabgabe und Lohnsummensteuer ... in der Höhe von S 28.333,-- für den Zeitraum 1/1986 bis 2/1987" haftbar gemacht und zur Zahlung herangezogen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin - soweit für den Beschwerdefall noch von Bedeutung - im wesentlichen vor, die Nichtbezahlung der haftungsgegenständlichen Abgaben sei nicht auf ihr Verschulden zurückzuführen, weil während des gesamten Zeitraumes ihrer Geschäftsführertätigkeit sämtliche finanziellen Angelegenheiten der die Abgaben primär schuldenden GesmbH durch P, den nach ihrer Abberufung bestellten Gesellschaftergeschäftsführer, "abgewickelt" worden seien. P, welcher als einziger über die Geschäftskonten Zeichnungsberechtigung besessen habe, habe ihr jede Einsicht in die Geschäftsbücher bzw Geschäftskonten verweigert und ihr auf ihr oftmaliges Nachfragen erklärt, daß er sich für die rechtzeitige Erledigung allfälliger Zahlungen verbürge. Im Hinblick auf dieses Verhalten des P sei ihr eine Wahrnehmung ihrer Pflichten als Geschäftsführer der GesmbH unmöglich gewesen, weswegen sie sich auch "in weiterer Folge" veranlaßt gesehen habe, von dieser Tätigkeit zurückzutreten.

Gegen die abweisliche Berufungsvorentscheidung beantragte die Beschwerdeführerin fristgerecht die Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der erstinstanzliche Haftungsbescheid dahin abgeändert, daß die Haftung der Beschwerdeführerin auf den Zeitraum von Jänner 1986 bis Jänner 1987 und auf den Betrag von insgesamt S 26.433,-- eingeschränkt wurde. Im übrigen wies die belangte Behörde die Berufung ab; dies im wesentlichen mit der Begründung, ein an der ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Obliegenheiten gehinderter Geschäftsführer müsse nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entweder SOFORT die Behinderung seiner Funktion - allenfalls im Rechtsweg - abstellen oder seine Funktion niederlegen und als Geschäftsführer ausscheiden. Dem habe die Beschwerdeführerin nicht entsprochen, wenn sie sich einerseits damit begnügt habe, (bei P) bloß nachzufragen, "ob alles ordnungsgemäß erledigt werde", und andererseits der Verweigerung der Einsicht in die Geschäftsbücher und Konten der Gesellschaft nicht rasch entgegengetreten sei. Überdies habe kein Hindernis bestanden, sich bei der kontoführenden Dienststelle des Magistrates der Stadt Wien zu überzeugen, ob überhaupt eine Dienstgeberabgabe und Lohnsummensteuer (für die GesmbH) entrichtet wurde, was nicht der Fall gewesen sei. Ein Hindernis für die sofortige Zurücklegung der Funktion als Geschäftsführer habe bei der Beschwerdeführerin nicht bestanden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich erkennbar in dem Recht verletzt, nicht zur Haftung für rückständige Abgabenschuldigkeiten der GesmbH herangezogen zu werden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 7 Abs 1 WAO haften die in den §§ 54 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 54 Abs 1 WAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Zu den im § 54 Abs 1 WAO genannten Personen gehören auch die Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten haben (siehe zB das hg Erkenntnis vom , Zl 89/15/0159).

Im Beschwerdefall steht von den Rechtsvoraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme der Beschwerdeführerin lediglich in Streit, ob die Beschwerdeführerin seinerzeit als Geschäftsführer der die Abgaben primär schuldenden GesmbH ihre abgabenrechtlichen Obliegenheiten schuldhaft verletzt hat. Die Beschwerdeführerin führt hiezu in ihrer Beschwerde ebenso wie schon im Verwaltungsverfahren ins Treffen, daß sie von ihrer auf kurze Zeit beschränkten Geschäftsführertätigkeit infolge der massiven Behinderung bei der Ausübung der sie treffenden Pflichten ohnedies zurückgetreten sei.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt es dem Geschäftsführer einer GesmbH, der infolge tatsächlicher Beschränkungen seine Rechtspflichten gegenüber Dritten nicht mehr wahrnehmen kann, entweder im Rechtsweg SOFORT alles im rechtlich zu Gebote Stehende zu unternehmen, um diesen Zustand abzustellen, oder die Geschäftsführungsbefugnis zurückzulegen; andernfalls verletzt der weiterhin als Geschäftsführer Tätige auch seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Entrichtung der die GesmbH treffenden Abgaben (siehe zB das hg Erkenntnis vom , Zl 89/15/0059, und die dort zitierten Vorerkenntnisse). Ein für die Haftung der in Rede stehenden Art relevantes Verschulden liegt auch dann vor, wenn sich ein Geschäftsführer schon bei der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw eine solche Beschränkung in Kauf nimmt, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere auch den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich macht (siehe das weitere hg Erkenntnis vom ,

Zlen 89/14/0261-0263).

Diesen Erfordernissen trug das von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren und in der Beschwerde übereinstimmend geschilderte Verhalten, auf die Weigerung, die Einsicht in die Geschäftsbücher bzw Geschäftskonten der GesmbH zu gewähren, oftmalig nachzufragen und sich über die Monate des Streitzeitraumes mit der Erklärung des P, er werde allfällige Zahlungen rechtzeitig erledigen, zufriedenzugeben, nicht Rechnung. Die Beschwerdeführerin hat auch niemals behauptet, daß der Zurücklegung ihrer Geschäftsführerbefugnis - dies ist auch gegen den Willen der Gesellschafter durch einseitig empfangsbedürftige Erklärung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft möglich (siehe das hg Erkenntnis vom , Zl 17/0705/80, SlgNr 5611/F, und die dort zitierte Lehre) - Hindernisse entgegengestanden wären. Wiewohl die Beschwerdeführerin in dieser Hinsicht nichts vorbringt, sei darauf hingewiesen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes es dem Geschäftsführer obliegt, auch die vor seiner Bestellung fällig gewordenen, aber noch nicht abgestatteten Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft aus deren allenfalls vorhandenen Mitteln zu entrichten (siehe zB das hg Erkenntnis vom , Zl 92/17/0178, und die dort zitierten Vorerkenntnisse).

Angesichts der Verantwortung der Beschwerdeführerin schon im Verwaltungsverfahren durfte die belangte Behörde ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften in einem wesentlichen Punkt darauf schließen, daß die Beschwerdeführerin ihre Obliegenheiten als Vertreter der GesmbH schuldhaft verletzt hat und daß die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten die Folge dieser Pflichtverletzung war.

Die Beschwerde wirft der belangten Behörde insofern einen Ermessensmißbrauch vor, als sich diese mit den Beweisanträgen der Beschwerdeführerin im Abgabenverfahren in keiner Weise auseinandergesetzt bzw ihrer Darstellung über ihre Situation keinen Glauben geschenkt habe. Ein Ermessensfehler ist darin aber schon deswegen nicht zu erblicken, weil die Beschwerdeführerin mit diesem Vorbringen in Wahrheit das keinen wesentlichen Mangel aufweisende Ermittlungsverfahren und die durchaus schlüssige Beweiswürdigung der belangten Behörde, nicht aber die sich daran anschließende Ermessensübung angreift.

Da somit dem angefochtenen Bescheid weder die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes noch auch ein wesentlicher Verfahrensmangel anhaftet, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl Nr 104/1991.