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VwGH vom 29.03.1993, 91/15/0049

VwGH vom 29.03.1993, 91/15/0049

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

91/15/0050

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerden der E-Treuhandgesellschaft m.b.H. in B, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , 1) Zl GA 11-961/90, betreffend Rechtsgeschäftsgebühr, und 2) Zl GA 11-962/90, betreffend Börsenumsatzsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der erstangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund hinsichtlich der Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Treuhandgesellschaft, schloß am mit den beiden Gesellschaftern der R Bankgesellschaft mbH einen Kaufvertrag, der auszugsweise wie folgt lautet:

"...

IV

Die Herren O und Mag. G (in der Folge Verkäufer genannt) verkaufen nun ihre Geschäftsanteile an die E-Treuhandgesellschaft mbH (in der Folge Käuferin genannt), wobei es der Käuferin freisteht, nach Erfüllung ihrer Verpflichtungen (Punkt VII) zu verlangen, daß die Geschäftsanteile an eine oder mehrere Dritte von ihr benannte Personen abzutreten sind. Die Bekanntgabe dieser Personen bzw.

der allfälligen Anteile der Anteilswerber hat innerhalb von

14 Tagen nach Erfüllung durch die Käuferin schriftlich zu

Handen von ... zu erfolgen.

VII

Die Käuferin verpflichtet sich, den Kaufpreis von

27,5 Mio ... Schilling auf das Konto von ... bei

der ... Bank ... bis längstens ... zu bezahlen,

wobei bis zu diesem Tage eine Wertstellung erfolgt sein muß, die am oder vor dem liegt.

Dieser Vertrag tritt mit Ausnahme des nachstehenden Punktes ohne weitere Rechtsfolgen außer Wirksamkeit, wenn bis zu dem oben bezeichneten ... die dort beschriebenen Leistungen der Käuferin nicht erfolgt sind.

VIII

Die Kosten der Errichtung dieses Vertrages sowie der in der Folge geplanten Abtretungen gehen zu Lasten der Käuferin. Diese Kosten umfassen die Kosten der Vertragserrichtung und die Kosten der Besprechungen, die zur Vertragserrichtung führen oder bis zur Abtretung folgen müssen ..."

Mit Notariatsakt ebenfalls vom bestätigte der mit der Angelegenheit befaßte öffentliche Notar, daß er die genannte Privaturkunde im Sinne des § 54 der Notariatsordnung geprüft und unterzeichnet habe.

In der Folge wurde der Kaufpreis nicht erlegt, sodaß der Vertrag außer Wirksamkeit trat.

Ungeachtet dessen schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien der Beschwerdeführerin mit gesonderten Bescheiden ausgehend von dem im Vertrag genannten Kaufpreis einerseits eine 2 %ige Rechtsgeschäftsgebühr gemäß § 33 TP 21 GebG und andererseits eine 0,5 %ige Börsenumsatzsteuer zur Zahlung vor.

Die gegen diese Bescheide von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufungen wurden zunächst mit gesonderten Berufungsvorentscheidungen und nach Stellung von Anträgen auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz sodann mit den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden abgewiesen. Dies hinsichtlich der Rechtsgebühr nach Darstellung des Sachverhaltes und Zitat des § 33 TP 21 Abs 1 GebG im wesentlichen mit der Begründung, daß zumindest bei der Abtretung von "anderen Rechten" für die Gebührenbemessung das Verpflichtungsgeschäft maßgeblich sei und die Gebührenpflicht nicht dadurch berührt werde, daß das Rechtsgeschäft gar nicht ausgeführt werde. Am Entstehen der Gebührenschuld ändere es nichts, daß in dem Vertrag eine (auflösende) Bedingung vereinbart worden sei, weil es gemäß § 17 Abs 4 GebG auf die Entstehung der Gebührenschuld ohne Einfluß sei, ob die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes von einer Bedingung oder von der Genehmigung eines der Beteiligten abhänge. Gemäß Abs 5 dieser Gesetzesstelle hebe auch das Unterbleiben der Ausführung eines Rechtsgeschäftes die entstandene Gebührenschuld nicht auf. Der Inhalt des Punktes IV des Vertrages sei weder undeutlich noch sei hiedurch der Beschwerdeführerin eine Option eingeräumt worden; selbst wenn man aber vom Vorliegen einer solchen ausgehe, hätte dies die Gebührenpflicht zur Folge gehabt, weil die Ausübung der Option die "Genehmigung des Rechtsgeschäftes durch einen der Beteiligten" im Sinne des § 17 Abs 4 GebG darstelle.

Hinsichtlich der Börsenumsatzsteuer führte die belangte Behörde nach Darstellung des Sachverhaltes und Zitat des § 18 KVG sinngemäß aus, die Börsenumsatzsteuerpflicht entstehe durch den Abschluß des schuldrechtlichen Vertrages, der die Verpflichtung zur Übereignung der Wertpapiere begründe. Das dingliche Erfüllungsgeschäft - die Übereignung der Wertpapiere bzw die Rechtsabtretung - sei für die Besteuerung ohne Bedeutung. Auch wenn das Geschäft nicht zur Ausführung gelange, weil es nach seinem Abschluß wieder aufgehoben oder storniert worden sei, entfalle die Steuerschuld nicht. Die nachträgliche Herabsetzung des Kaufpreises habe eine entsprechende Herabsetzung der Steuer nicht zur Folge. Die Steuerpflicht eines unter Rücktrittsvorbehalt abgeschlossenen Kaufvertrages werde durch die Ausübung des Rücktrittsrechtes nicht berührt. Ob Punkt VII des Vertrages daher eine aufschiebende oder auflösende Bedingung enthalte oder ob damit ein Rücktrittsrecht eingeräumt worden sei, sei für die Börsenumsatzsteuerpflicht ebenso ohne Bedeutung wie die in Punkt IV getroffene Vereinbarung, daß die Abtretung der Geschäftsanteile gegebenenfalls an eine von der Beschwerdeführerin verschiedene Person zu erfolgen habe. Auch von einem Optionsgeschäft könne nicht die Rede sein, weil dies vorausgesetzt hätte, daß ausdrücklich nur ein Stillhalten des Veräußerers vereinbart worden wäre und daß schon dafür ein Optionspreis von dem Optionsberechtigten bezahlt worden wäre. In der Literatur werde nämlich ausdrücklich zwischen "Option" und "bedingtem Anschaffungsgeschäft oder einem Anschaffungsgeschäft mit Rücktrittsvorbehalt" unterschieden. Die für Entgeltminderungen bzw für die Nichtdurchführung eines Vertrages geltenden Grundsätze des Umsatzsteuerrechtes könnten im KVG nicht analog angewendet werden.

Mit Beschluß vom , B 1013, 1014/90-4, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden ab. Mit weiterem Beschluß dieses Gerichtshofes vom wurden die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Die vorliegenden Beschwerden vor dem Verwaltungsgerichtshof machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide geltend. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Freiheit von der Rechtsgeschäftsgebühr und Börsenumsatzsteuer beschwert, "insbesondere deshalb, weil ein als Abtretungs- bzw Anschaffungsgeschäft zu qualifizierendes Rechtsgeschäft weder vereinbart noch effektuiert wurde".

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihren Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die vorliegenden Beschwerden wegen ihres engen persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden; er hat sodann erwogen:

1. Zur Rechtsgeschäftsgebühr:

Gemäß § 33 TP 21 Abs 1 Z 2 GebG idF vor Abschnitt VI AbgÄG 1989, BGBl Nr 660, unterliegen Zessionen oder Abtretungen von Anteilen an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung einer Gebühr von 2 vH nach dem Werte des Entgeltes.

Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa schon in seinem Erkenntnis vom , Zl 86/15/0117, näher ausgeführt hat, kann von einer Abtretung von Anteilen an einer GesmbH im Sinne dieser Gesetzesstelle ebenso wie bei Zessionen im Sinne des § 1392 ABGB nur dann die Rede sein, wenn nicht nur das Titelgeschäft (das Verpflichtungsgeschäft, das etwa in einem Kaufvertrag bestehen kann), sondern auch das (die Abtretung bewirkende) Verfügungsgeschäft geschlossen worden ist (vgl hiezu auch Frotz-Hügel-Popp, Kommentar zum GebG, § 33 TP 21, B I 1 a, die ua davon sprechen, daß die Zession ein vom Titelgeschäft (Verpflichtungsgeschäft) zu unterscheidendes Verfügungsgeschäft darstellt; ferner Ertl in Rummel, ABGB2 II, Tz 1 zu § 1392, wo es ua heißt, daß die Zession als kausales Verfügungsgeschäft ein gültiges Grundgeschäft voraussetzt; weiters Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S 626, wo vom Erfordernis eines Notariatsaktes sowohl für den sachenrechtlichen Übertragungsakt als auch für das Eingehen der schuldrechtlichen Verpflichtung zur künftigen Übertragung von Geschäftsanteilen die Rede ist; Peter Bydlinski, Veräußerung und Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen S 39 ff, der ua meint, daß das Verpflichtungs- und das Verfügungsgeschäft bei der Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen üblicherweise zusammenfallen, daß es aber Fälle gibt, in denen es "bloß um Verpflichtung oder bloß um Verfügung geht"; schließlich .

Durch den im Beschwerdefall zu beurteilenden Vertrag wurde zwar ein Verpflichtungsgeschäft geschlossen, atypischerweise wurden hiedurch aber noch nicht, wie dies für ein Verfügungsgeschäft erforderlich wäre, die kaufgegenständlichen Gesellschaftsanteile übertragen. Dies ergibt sich zum einen daraus, daß die Beschwerdeführerin gemäß Punkt IV des Vertrages berechtigt war, nach fristgerechter Entrichtung des vereinbarten Kaufpreises die Abtretung der Geschäftsanteile an eine andere Person (durch den Verkäufer) ZU VERLANGEN, und zum andern aus Punkt VIII des Vertrages, wo ausdrücklich von "GEPLANTEN Abtretungen" und ferner davon die Rede ist, daß die Beschwerdeführerin auch hinsichtlich der Kosten für Besprechungen, die zur Vertragserrichtung führen oder "BIS ZUR ABTRETUNG folgen müssen", ersatzpflichtig ist. Der ebenfalls am geschlossene Notariatsakt, durch den die Privaturkunde solennisiert wurde, genügte zwar dem Formerfordernis für das Verpflichtungsgeschäft, vermochte aber mangels irgendwelcher Ergänzungen dem Verpflichtungsgeschäft kein Verfügungsgeschäft hinzuzufügen.

Da somit schon der Tatbestand des § 33 TP 21 Abs 1 Z 2 GebG nicht erfüllt ist und die Bestimmungen des § 17 leg cit dies nicht zu supplieren vermögen, haftet dem mit der Beschwerde Zl 91/15/0049 erstangefochtenen Bescheid (Zl GA 11-961/90) die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes an; dieser Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufgehoben werden.

2. Zur Börsenumsatzsteuer:

Gemäß § 17 Abs 1 KVG unterliegt der Börsenumsatzsteuer ua der Abschluß von Anschaffungsgeschäften über Wertpapiere, wenn die Geschäfte im Inland oder unter Beteiligung wenigstens eines Inländers im Ausland abgeschlossen werden.

Gemäß § 18 Abs 1 leg cit sind Anschaffungsgeschäfte entgeltliche Verträge, die auf den Erwerb des Eigentums an Wertpapieren gerichtet sind.

Gemäß Abs 2 Z 3 des letztzitierten Gesetzesstelle gelten als Anschaffungsgeschäfte auch bedingte oder befristete Anschaffungsgeschäfte.

Gemäß § 19 Abs 2 KVG gelten ua Geschäftsanteile an Gesellschaften mbH als Dividendenwerte und damit als Wertpapiere im Sinne des Gesetzes.

Die Börsenumsatzsteuerpflicht ist an den schuldrechtlichen Vertrag geknüpft, der die Verpflichtung zur Übereignung der Wertpapiere begründet. Das dingliche Erfüllungsgeschäft - die Übereignung der Wertpapiere bzw die Rechtsabtretung - ist für die Besteuerung ohne Bedeutung. Wird das Verpflichtungsgeschäft nach seinem Abschluß aufgehoben oder storniert, entfällt die Steuerschuld nicht (vgl. Brönner-Kamprad, Kommentar zum KVG3, S 149; Kinnebrock-Meulenbergh, KVG5, S 250; sowie die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zlen 91/15/0072, 0073, und vom , Zl 89/15/0125).

Die Beschwerdeführerin hat nach dem oben Gesagten unzweifelhaft ein Verpflichtungsgeschäft betreffend die Abtretung von GmbH-Gesellschaftsanteilen (im Inland in Form eines Notariatsaktes nach § 54 NotO) abgeschlossen, wodurch im Beschwerdefall ein die Börsenumsatzsteuerpflicht begründender Abgabentatbestand verwirklicht worden ist. Eine OPTION wurde der Beschwerdeführerin nämlich durch den Kaufvertrag deswegen nicht eingeräumt, weil diese Vereinbarung nicht vorsah, daß sie erst durch eine spätere einseitige Erklärung der Beschwerdeführerin in Kraft gesetzt werden sollte, sondern der bereits gültige Kaufvertrag (mit einer bestimmten Ausnahme) unter der vereinbarten (auflösenden) Bedingung später "außer Wirksamkeit" getreten ist. Anders als bei der Umsatzsteuer ist die Bemessungsgrundlage der Börsenumsatzsteuer stets der VEREINBARTE PREIS; auch der in der Vorschrift des § 18 Abs 2 Z 3 KVG zum Ausdruck kommende Grundsatz, daß die einmal entstandene Steuerpflicht durch nachträgliche Ereignisse nicht wieder beseitigt werden soll (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 91/15/0109), läßt den Umstand, daß dem Kauf der Gesellschaftsanteile im Beschwerdefall keine Übertragung dieser Anteile nachfolgte, für die Börsenumsatzsteuerpflicht als unmaßgebend erscheinen. Dem (mit Beschwerde Zl 91/15/0050) zweitangefochtenen Bescheid (Zl GA 11-962/90) haftet daher die ihm zur Last gelegte Rechtswidrigkeit des Inhaltes nicht an. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl Nr 104/1991.