VwGH vom 15.06.1993, 91/14/0253
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder sowie die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des K in F, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , 16/28-GA4-DP/91, betreffend aufsichtsbehördliche Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 3.035 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Steuerberater, erwarb in den Jahren 1985 und 1988 je eine Liegenschaft in F um 490.000 S bzw um 1,4 Mio S und im Jahr 1988 eine weitere Liegenschaft in X um 1,254.490 S. Diese Liegenschaften schenkte er am seiner Ehegattin, die sie am selben Tag um insgesamt 6,602.400 S an die N GmbH (in der Folge: GmbH) veräußerte. Der Beschwerdeführer ist Alleingesellschafter und Geschäftsführer der GmbH.
Im am ausgefertigten Einkommensteuerbescheid des Beschwerdeführers für das Jahr 1988 scheinen keine sonstigen Einkünfte auf.
Mit Schreiben vom hielt das Finanzamt dem Beschwerdeführer vor, es vertrete die Ansicht, die Schenkung der Liegenschaften an seine Ehegattin sei nur zum Zweck der Vermeidung eines Spekulationsgeschäftes erfolgt, weshalb der Abschluß des Schenkungsvertrages einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes im Sinn des § 22 BAO darstelle.
Dem Ersuchen um Stellungnahme zu diesen Ausführungen kam der Beschwerdeführer mit Schreiben vom nach. Die Veräußerung der Liegenschaften durch seine Ehegattin, der der Vorteil aus diesem Vorgang zugeflossen sei, sei im Jahr 1988 erfolgt. Wäre diese im Jahr 1989 erfolgt, wäre nach dem Einkommensteuergesetz 1988 die Berechnung der Spekulationsfrist auf den letzten entgeltlichen Erwerb abzustellen und somit der Tatbestand des § 30 EStG 1988 erfüllt gewesen. Jedem ökonomisch denkenden Menschen müsse das Recht zugebilligt werden, das Prinzip der Wirtschaftlichkeit überall zu verfolgen und in allen Bereichen danach zu trachten, mit möglichst niedrigem Einsatz einen bestmöglichen Erfolg zu erzielen. Im vorliegenden Fall handle es sich nicht um die Wahl der Gestaltungsmöglichkeiten, sondern um die Wahl des Zeitpunktes. Dieser Zeitpunkt könne auch unter dem Aspekt der Steuerersparnis gewählt werden, ohne dadurch den Tatbestand des § 22 BAO zu erfüllen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes den Einkommensteuerbescheid des Beschwerdeführers für das Jahr 1988 gemäß § 299 Abs 2 BAO auf. Die Schenkung der Liegenschaften an die Ehegattin und die am gleichen Tag erfolgte Veräußerung derselben durch die Ehegattin an die GmbH sei nicht nur hinsichtlich der rechtlichen Gestaltung, sondern auch hinsichtlich der zeitlich nahtlosen Aneinanderreihung von Schenkung und Weiterveräußerung als ungewöhnlich zu beurteilen. Zu beachten sei auch, daß der Beschwerdeführer über sämtliche Anteile an der GmbH als Erwerberin der Liegenschaften verfüge und deren Geschäftsführer sei, weshalb die Entscheidung über den Kauf der Liegenschaften bei ihm gelegen sei. Im Schreiben vom habe der Beschwerdeführer darüber hinaus ausdrücklich ausgeführt, die Vorgangsweise sei aus steuerlichen Gründen gewählt worden. Für diese Vorgangsweise seien nichtsteuerliche Gründe auch nicht ersichtlich. Es liege somit ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes im Sinn des § 22 BAO vor, weshalb die Einkommensteuer so zu erheben sei, als hätte der Beschwerdeführer die Liegenschaften direkt an die GmbH veräußert und dadurch den Tatbestand des Spekulationsgeschäftes gemäß § 30 Abs 1 EStG 1972 erfüllt.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Beschwerdeführer stellte in einem weiteren Schriftsatz den Antrag, seine Ehegattin und ihn als Zeugen zum Beweis dafür einzuvernehmen, daß Absicht der Schenkung die Bereicherung seiner Ehegattin gewesen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde zunächst vor, der angefochtene Bescheid verstoße gegen § 93 Abs 2 BAO, weil er im Spruch die Person nicht nenne, an die er gerichtet sei und außerdem fehle im Spruch der Hinweis, der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1988 sei wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden.
Beide Vorwürfe sind unberechtigt. Hinsichtlich des Bescheidadressaten genügt dessen Anführung im Kopf des Bescheides und der im Spruch enthaltene Hinweis auf § 299 Abs 2 BAO bringt eindeutig zum Ausdruck, daß die Aufhebung des genannten Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erfolgt ist.
In der Sache meint der Beschwerdeführer, die von ihm gewählten rechtlichen Gestaltungen stellten keinen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten im Sinn des § 22 BAO dar. Er stützt sich dabei vor allem auf das hg Erkenntnis vom , 81/15/0059, 0060, 0061, worin betreffend Schenkungssteuer ausgeführt wird: "... Bewirkt nun aber die Schenkung eines Grundstückes mit der Absicht, daß der Beschenkte das Grundstück veräußert und dadurch zu Bargeld kommt, dem Grunde nach keinen Gestaltungsmißbrauch, so kann sich ein solcher auch aus einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Schenkung und Veräußerung nicht ergeben. ... Die im Beschwerdefall gewählte zivilrechtliche Gestaltung wäre auch ohne den abgabensparenden Effekt noch sinnvoll und damit kein Gestaltungsmißbrauch gewesen ...; enthebt doch die Liegenschaftsschenkung den Geschenkgeber zumindest davon, sich um Eingang und Weiterleitung des Verkaufspreises zu besorgen. ..."
Wenn der Beschwerdeführer vorträgt, sein Fall sei dem genannten gleichgelagert, ist ihm zunächst entgegenzuhalten, daß der vorliegende Fall nicht die Festsetzung von Schenkungssteuer, sondern von Einkommensteuer und somit einen Abgabenbereich betrifft, der - im Gegensatz zum erstgenannten Fall - von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise beherrscht wird (vgl in diesem Sinn Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch, Seite 54). Der dem genannten Erkenntnis zugrundeliegende Fall unterscheidet sich vom vorliegenden auch dadurch wesentlich, daß im erstgenannten Fall der Zweck der Schenkung nie strittig war und damit der Abschluß des Schenkungsvertrages an sich auch von der belangten Behörde nicht als Mißbrauch im Sinn des § 22 BAO angesehen wurde. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist im vorliegenden Fall auch die Unterscheidung zwischen einer Schenkung nach bürgerlichem Recht im Sinn des § 3 Abs 1 Z 1 ErbStG und einer freigebigen Zuwendung im Sinn des § 3 Abs 1 Z 2 ErbStG nicht relevant.
Der Beschwerdeführer war grundsätzlich nicht gehindert, Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes so einzusetzen, daß er die geringste Steuerbelastung erzielt. Als Mißbrauch ist hingegen eine rechtliche Gestaltung anzusehen, die im Hinblick auf den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg ungewöhnlich und unangemessen ist und ihre Erklärung nur in der Absicht der Steuervermeidung findet; es ist dann zu prüfen, ob der gewählte Weg noch sinnvoll erscheint, wenn man den abgabensparenden Effekt wegdenkt, oder ob er ohne das Resultat der Steuerminderung einfach unverständlich wäre (vgl das hg Erkenntnis vom , 91/14/0154, mwA).
Die belangte Behörde hat die geschilderte rechtliche Gestaltung aus folgenden Gründen zu Recht als ungewöhnlich und unangemessen angesehen:
Schon am Tag der Schenkung der Liegenschaften erfolgte durch die Geschenknehmerin deren Verkauf an die GmbH, die im alleinigen Eigentum des Geschenkgebers steht und deren Geschäftsführer er auch ist. Anhaltspunkte für Risken bei der Einbringung des Kaufpreises bei der GmbH lagen der belangten Behörde nicht vor. Ebensowenig war von ihr anzunehmen, daß der Verkauf nicht bereits vor der Schenkung geplant gewesen wäre. Auf Grund dieses Gesamtbildes dürfte die belangte Behörde davon ausgehen, daß von den Parteien als Schenkung in Wahrheit Bargeld und nicht die Liegenschaft beabsichtigt war. Um eine Bargeldschenkung zu bewirken, war der gewählte Vorgang aber ungewöhnlich und unangemessen.
Eine außersteuerliche Begründung für diesen ungewöhnlichen und unangemessenen Weg, der Ehegattin Geld zu schenken, hat der Beschwerdeführer vor der Abgabenbehörde nicht vorgetragen. Der in der Beschwerde unternommene Versuch, in Anlehnung an das oben zitierte hg Erkenntnis als solchen Grund die Ersparnis der Besorgnis um "Eingang und die Weiterleitung des Verkaufspreises" nachzutragen, scheitert am im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltenden Neuerungsverbot (vgl § 41 VwGG). Die Aktenlage bot der belangten Behörde keinen Anlaß, zu einer derartigen Besorgnis habe für die Parteien des Schenkungsvertrages im Beschwerdefall Grund bestanden.
Der belangten Behörde ist daher zuzustimmen, wenn sie zur Ansicht gelangt ist, im vorliegenden Fall liege ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes gemäß § 22 BAO vor.
Zur beantragten Beweisaufnahme ist anzuführen, daß es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt ist, anstelle der belangten Behörde eine von dieser allenfalls versäumte Beweisaufnahme nachzuholen und in Ergänzung des Ermittlungsverfahrens zur Feststellung des Sachverhaltes selbst Beweise aufzunehmen (vgl Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 543). Ein Verfahrensmangel ist der belangten Behörde in diesem Zusammenhang jedoch nicht unterlaufen, weil der Beschwerdeführer vor Erlassung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich aufgefordert worden ist, den Zweck der zu Recht als ungewöhnlich angesehenen Schenkung bekanntzugeben.
Die belangte Behörde war auf Grund des ihr bekannten Sachverhaltes aber auch nicht verhalten, weitere Ermittlungen darüber anzustellen, was mit dem Verkaufserlös aus den Liegenschaften bzw mit den Liegenschaften in weiterer Folge geschehen ist.
Gemäß § 22 Abs 2 BAO sind bei Vorliegen eines Mißbrauches (Abs 1) die Abgaben so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären.
Da im vorliegenden Fall die Schenkung als solche - und nicht etwa die Schenkung von Liegenschaften anstelle der Schenkung von Geld - einen Mißbrauch im Sinn des § 22 Abs 1 BAO darstellt, ist der belangten Behörde ebenfalls zuzustimmen, wenn sie zur Ansicht gelangt ist, die Einkommensteuer wäre beim Beschwerdeführer so zu erheben, als hätte dieser die Liegenschaften selbst an die GmbH veräußert und damit den Tatbestand eines Spekulationsgeschäftes gemäß § 30 Abs 1 EStG 1972 erfüllt. Dem Grundsatz der Individualbesteuerung steht diese Vorgangsweise nicht entgegen.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991.