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VwGH vom 19.09.2001, 99/16/0056

VwGH vom 19.09.2001, 99/16/0056

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Kail, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der P AG in W, vertreten durch die Dr. Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. RV 0138-09/07/98, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Vorauszuschicken ist, dass gemäß der Übergangsbestimmung im § 38 Abs. 1 KVG, BGBl. Nr. 629/1994 (BGBl. Nr. 21/1995 spielt hier keine Rolle), der erste Teil des Kapitalverkehrsteuergesetzes in der Fassung jenes Bundesgesetzes auf Rechtsvorgänge anzuwenden ist, für welche die Steuerschuld nach dem entsteht. Hier wurde der steuerpflichtige Tatbestand (§ 4 Abs. 1 BAO) vor diesem Zeitpunkt verwirklicht, sodass im Folgenden das KVG in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 629/1994 zu Anwendung gelangt.

Anlässlich der Vorlage des Jahresabschlusses für das Wirtschaftsjahr 1994/95 und einer daraufhin im Oktober 1997 vorgenommenen abgabenbehördlichen Prüfung bei der Beschwerdeführerin stellte sich heraus, dass diese von der P. W. G. Gesellschaft mit Sitz in Paris am Besserungskapital in Höhe von S 34,000.000,-- überwiesen erhalten hatte. In der die Kapitalzuführung regelnden Vereinbarung vom war vorgesehen gewesen, dass das Kapital ohne Verzinsung zurück zu zahlen sei, wenn die Gesellschaft wirtschaftlich dazu in der Lage sei und ein im Branchenvergleich angemessenes Reinvermögen aufweise. Dazu sollten maximal 75 % des Nettogewinnes des Vorjahres so lange in ein zinsenloses Darlehen umgewandelt werden, bis das Besserungskapital gedeckt sei. Im Prüfungsbericht wurde unter Berufung auf den 1. Teil des Bewertungsgesetzes 1955 (BewG) das Reinvermögen der Gesellschaft vor der Besserungsleistung ermittelt, indem dem in der Bilanz zum ausgewiesenen Aktivvermögen im Wirtschaftsjahr abgeschriebene geringwertige Wirtschaftsgüter hinzugerechnet wurden und die Passiva um Pensions-, Abfertigungs- und Jubiläumsrückstellungen vermindert wurden. Da sich auf diese Art und Weise ein positives Reinvermögen ergab, wurde mit Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien (im Folgenden: Finanzamt) vom Gesellschaftsteuer gemäß § 9 Abs. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 1994/629 (KVG) mit 2 % des Besserungskapitals (S 680.000,--) festgesetzt. Auf diese Steuerpflicht wurde ein Steuerbetrag von S 160.000,-- angerechnet, der der Beschwerdeführerin bereits mit dem gemäß § 200 BAO vorläufigen Bescheid der belangten Behörde vom vorgeschrieben worden war. In diesem war von einem niedrigeren Besserungskapital ausgegangen und der nach § 9 Abs. 2 Z. 1 KVG ermäßigte Steuersatz von 1 % herangezogen worden, weil die belangte Behörde vorerst - die Bilanz für das Wirtschaftsjahr 1993/94 war ihr noch nicht vorgelegen - eine Überschuldung des Unternehmens angenommen hatte. Der Bescheid vom war Gegenstand des (abweisenden) hg. Erkenntnisses vom , Zl. 95/16/0328.

Gegen den Bescheid vom erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Bei der P. W. G. handle es sich nicht um eine Gesellschafterin der Beschwerdeführerin. Nach der Vereinbarung vom liege weder ein Genussrecht noch eine Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft iSv § 6 Abs. 2 Z. 2 bzw. 3 KVG vor. Die P. W. G. habe mit der Leistung des Betrages keine Rechte erworben, die über das Rückforderungsrecht hinausgingen. Dies hätte auch dem Motiv (Gefährdung der Eigenkapitalausstattung bzw. Verbesserung der finanziellen Lage der Beschwerdeführerin) widersprochen. Es sei lediglich die Frage geregelt worden, ob, wann und in welchem Umfang das zur Verfügung stehende Kapital (ohne jedweden darüber hinaus gehenden Anspruch) rückzuzahlen sei. Sie berief sich auf das Urteil des RFH vom , RStBl 1103, wonach die bloße Rückzahlung eines Zuschusses keine Steuerpflicht begründe. Die Festlegung der Fälligkeit des Rückforderungsanspruches erfolge erst in einem zweiten Schritt. Wann die Gesellschaft wirtschaftlich dazu in der Lage sei, werde durch das angemessene Reinvermögen definiert und nicht etwa durch das Vorliegen eines Gewinns. Die Bezugnahme auf 75 % des Nettogewinns schaffe keinen Anspruch, sondern begrenze nur (zeitlich und umfänglich) den bestehenden Anspruch. Schon allein deshalb, da über das Rückzahlungsrecht hinaus kein wie immer geartetes Recht eingeräumt worden sei, scheide die Qualifikation als Genussrecht aus. Um zu einer Qualifikation als Genussrecht zu kommen hätte es einer ausdrücklichen Vereinbarung bedurft. Außerdem sei nicht vereinbart worden, dass die P. W. G. Gewinnanteile bekomme, dass erhaltene Gewinnanteile vom Rückforderungsrecht in Abzug gebracht werden könnten oder dass Leistungen aus dem Jahresgewinn P. W. G. zum Zweck der Amortisation des Genussrechtes zustehen sollten. Die Rückzahlungspflicht könne nicht nur durch die Erwirtschaftung von Jahresgewinnen, sondern auch durch Sanierungsmaßnahmen von Gesellschaftern, wie etwa Kapitalerhöhungen, aber auch durch Umgründungs- oder Verschmelzungsmaßnahmen ausgelöst werden, wenn sich das Reinvermögen erhöhe. Damit unterschreite die Vereinbarung das Mindesterfordernis für die Annahme eines Genussrechtes, nämlich die Zahlung der Genüsse aus erwirtschafteten Gewinnen. Im Übrigen regle die Vereinbarung über die Umwandlung von höchstens 75 % der Nettogewinne in ein zinsenloses Darlehen nur die buchmäßige Abwicklung des Rückforderungsanspruches.

Hilfsweise wurde der begünstigte Steuersatz von 1 % nach § 9 Abs. 2 KVG reklamiert. Bei der Ermittlung des Reinvermögens seien auch Abfertigungs- Pensions- und Jubiläumsrückstellungen als Passivposten zu berücksichtigen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. In dieser setzte sie sich insbesondere mit dem Begriff "Net Assets" (Reinvermögen- oder Eigenkapitalbestandteile) auseinander und betonte, dass diese durch Innenfinanzierung (Kapitalbestandteile, die aus dem Unternehmen selbst erwirtschaftet werden, insb. Gewinnrücklagen und einbehaltene Gewinne), aber auch durch Außenfinanzierung (Kapitaleinzahlungen, Gesellschafterzuschüsse, Agio) aufgebracht werden könnten. Somit könnten selbst in einer Verlustphase durch Außenfinanzierung die Net Assets verbessert werden, was zu einer Rückzahlungsverpflichtung nach dem Vertrag vom führen könnte. Damit zeige sich die Gewinnunabhängigkeit der Rückzahlungsverpflichtung.

Ergänzend legte die Beschwerdeführerin ein umfangreiches Rechtsgutachten des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters Univ.- Doz. Dr. H. über Besserungskapital als Genussrecht im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 2 KVG vor. Mit ähnlicher Argumentation wie in Berufung und Vorlageantrag wurde dargestellt, dass Net Assets und damit die Rückzahlungsverpflichtung nicht gewinnabhängig seien. Nur die Höhe und die Fälligkeit der Forderung sei gewinnabhängig. Werde jedoch nicht das Ausmaß einer Verbindlichkeit, sondern die Fälligkeit des Rückforderungsanspruches an eine Gewinnabhängigkeit gekoppelt, sei kein Bestandsmerkmal für ein Genussrecht gegeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Das Vorliegen eines Genussrechtes ergebe sich aus dem an die Beschwerdeführerin adressierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom . Von der Beschwerdeführerin seien keine neuen Sachverhaltselemente vorgebracht worden. Den Ausführungen zum Begriff des "angemessenen Reinvermögens" könnten keine der Berufung dienlichen Argumente entnommen werden, zumal die Eigenkapitalquote jedes Unternehmens von individuellen Aspekten abhänge.

Zur Anwendung des begünstigten Steuersatzes führte die belangte Behörde aus, es seien nicht die Wertansätze der Handels- oder Steuerbilanz maßgeblich, sondern es seien die Vorschriften des ersten Teiles des BewG, insbesondere § 6 Abs. 1 BewG, anzuwenden, wonach aufschiebend bedingte Lasten nicht zu berücksichtigen seien. Dementsprechend seien Abfertigungsrücklagen für Zwecke der Gesellschaftsteuer nicht als echte Schulden zu berücksichtigen, analoge Überlegungen seien für Pensionsrückstellungen und Jubiläumsgelder anzustellen. Diese auf Grund des kaufmännischen Vorsichtsprinzips handels- und bilanzrechtlich erlaubten Aufwendungen seien daher bewertungsrechtlich nicht als gewinnmindernd zu berücksichtigen. Somit habe sich bei der Bewertung keine Verlustsituation ergeben, womit die Voraussetzungen zur Anwendung des begünstigten Steuersatzes nach § 9 Abs. 2 KVG nicht vorlägen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom , Zl. B 1885/98-5, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof ab. Die Beschwerdeführerin erachtet sich nach dem Inhalt ihrer Beschwerdeergänzung durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten auf Nichtvorschreibung von Gesellschaftsteuer sowie auf Anwendung des begünstigten Steuersatzes von 1 % verletzt.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten

und die Gegenschrift der belangten Behörde vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ein Teil des von der P. W. G. an die Beschwerdeführerin geleistete Besserungskapital war bereits in dem im Zuge des Verwaltungsverfahrens mehrfach zitierten hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/16/0328, gegenständlich. Die sachverhaltsmäßigen Unterschiede liegen lediglich darin, dass im damaligen vorläufigen Bescheid von einem niedrigeren Kapital sowie auf Grund der im seinerzeitigen Verwaltungsverfahren noch nicht vorgelegten Bilanz für das Wirtschaftsjahr 1993/94 von einer Überschuldung der Gesellschaft ausgegangen wurde.

Da die betragsmäßige Höhe einer Leistung für die Gesellschaftsteuerpflicht nach dem KVG generell unerheblich ist, kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Erkenntnis vom verwiesen werden. Demnach handelt es sich bei der vereinbarten Kapitaltilgung um ein Genussrecht im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 2 KVG. Die rechtliche Argumentation der Beschwerdeführerin vermag die damals vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Rechtsauffassung nicht zu widerlegen. Die Beschwerdeführerin legt nunmehr dar, dass eine Verbesserung dieser wirtschaftlichen Größe nicht unbedingt vom Gewinn des Unternehmens abhängig sein muss, sondern im Rahmen einer sogenannten Außenfinanzierung auch etwa durch Kapitalzufuhr oder Bildung von Rücklagen erreicht werden kann. Die Beschwerdeführerin hat jedoch selbst niemals bestritten, dass, vorausgesetzt die Gesellschaft weist das in der Vereinbarung geforderte im Branchenvergleich angemessene Reinvermögen auf, die Höhe der Tilgungsleistungen (Beträge, die von Gewinn in eine Darlehensforderung, also von Eigenkapital zu Fremdkapital umgewandelt werden) von der Erzielung eines Gewinnes abhängt. Denn selbst wenn die Bilanz eines Geschäftsjahres angemessene "Net Assets" ausweist, ergibt sich bei einem bilanzmäßigen Verlust in diesem Geschäftsjahr keine Rückzahlungsverpflichtung. Nur wenn Gewinne erwirtschaftet werden, wird jener Anteil, der für die Kapitalrückzahlung abgestellt wird, von der Höhe dieses Gewinnes abhängen. Dies ist aber nach dem Erkenntnis vom und auch nach den Erwägungen im allgemeinen Teil des vorgelegten Rechtsgutachtens für die Qualifikation als Genussrecht im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 2 KVG ausreichend. Unbegründet ist auch der von der Beschwerdeführerin in ihrer VfGH-Beschwerde erhobene Einwand, die Rückzahlungsverpflichtung werde nicht vom Gewinn bedient, sondern bemesse sich nur nach dessen Höhe. Bei der Qualifikation als Genussrecht kann es nicht darauf ankommen, wie die zur Bedienung des Rechts heranzuziehenden Mittel unternehmensintern gewidmet sind.

Nach § 9 Abs. 1 KVG beträgt der Steuersatz 2 v. H. Dieser Steuersatz ermäßigt sich jedoch auf 1 v. H. beim Erwerb von Gesellschaftsrechten, bei der Veräußerung eigener Gesellschaftsrechte und bei Leistungen, soweit sie zur Deckung der Überschuldung einer inländischen Kapitalgesellschaft erforderlich sind (§ 9 Abs. 2 Z. 1 lit. a KVG). Überschuldung liegt vor, wenn die Schulden des Unternehmens die vorhandenen Vermögenswerte übersteigen. Maßgebend für die Bewertung (sowohl der Schulden als auch der Vermögenswerte) sind dabei nicht die Wertansätze der Handels- oder Steuerbilanz, sondern die wahren Vermögenswerte. Bei deren Ermittlung sind die Vorschriften des ersten Teiles des Bewertungsgesetzes BewG heranzuziehen (hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/15/0092, mwN). § 6 Abs. 1 BewG bestimmt allerdings, dass Lasten, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat zuletzt in seinem Erkenntnis vom , Zl. 95/15/0199, unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung ausgesprochen, dass Vorsorgen für Abfertigungen keiner am Bewertungsstichtag bestehenden Verbindlichkeit entsprechen und daher für einen Abzug als Schulden bewertungsrechtlich nicht in Betracht kommen. Dasselbe gilt für Rückstellungen (Rücklagen) für Pensionen und Jubiläumsgelder, soweit am Bewertungsstichtag noch keine fälligen Ansprüche bestehen. In der Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin erstmals vor, in den Rückstellungen seien auch bereits fällige Forderungen enthalten, die Behörde habe eine Differenzierung unterlassen. Dazu ist zu sagen, dass Abfertigungs- , Pensions- und Jubiläumszuwendungsrücklagen (-rückstellungen) nach dem Verständnis des für die Ansätze der Steuerbilanz maßgeblichen EStG 1988 noch nicht fälligen (vgl. § 23 Abs. 1 AngG) Aufwand für die entsprechenden in der Zukunft liegenden Leistungen darstellen (vgl. Doralt/Ruppe, Steuerrecht I7 (2000), S. 163 ff). Nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung müssten bereits fällige und der Höhe nach feststehende Verbindlichkeiten gegenüber den Leistungsberechtigten auch als Schulden - und nicht als Rückstellungen - in der Bilanz ausgewiesen werden. Die Beschwerdeführerin hat während des Verwaltungsverfahrens nicht behauptet, dass dies nicht geschehen sei, die Behörde konnte daher von der Richtigkeit der Bilanz 1993/94 ausgehen. Da ansonsten - abgesehen von der unbestritten nach dem BewG gebotenen Hinzurechnung geringwertiger Wirtschaftsgüter - ohnehin von den Bilanzansätzen ausgegangen wurde, kommt auch den Beschwerdebehauptungen hinsichtlich Überschuldung des Unternehmens keine Relevanz zu.

Daher war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Auf Basis der zitierten Rechtsprechung konnte die Entscheidung in einem gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am