VwGH vom 10.10.1996, 94/15/0121
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des G in P, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VIIa) vom , Zl. 6/4-4038/94-11, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1990, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht in Streit, ob die im Zusammenhang mit der Vermietung eines Grundstückes an den Beschwerdeführer im Streitjahr geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt S 1,6 Mio als echte Mietzinsvorauszahlungen im Jahr des Zuflusses zur Gänze (so die Rechtsansicht der belangten Behörde in dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid) oder als Hingabe eines Darlehens in Teilbeträgen nach Maßgabe des Darlehenszeitraumes (so die Rechtsansicht des Beschwerdeführers) zu versteuern sind.
Die wesentlichsten Bestimmungen des zwischen dem Beschwerdeführer als Eigentümer eines Grundstückes im Ausmaß von 684 m2 und der S-AG zum Zwecke der Errichtung von Parkflächen am geschlossenen Bestandvertrages lauten wie folgt:
1. Das Bestandverhältnis hat gemäß mündlicher Vereinbarung am begonnen und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Das Bestandverhältnis kann von beiden Vertragsteilen unter Einhaltung einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist zum Ende eines jeden Jahres schriftlich aufgekündigt werden. Der Bestandgeber verzichtet auf die Ausübung seines Kündigungsrechtes auf die Dauer von fünfzig Jahren, das ist bis zum . Dem Bestandgeber steht jedoch das Recht zu, das Bestandverhältnis mit sofortiger Wirkung aufzulösen, wenn ein Bestandzinsrückstand von zwei aufeinanderfolgenden Monaten trotz schriftlicher Mahnung und Setzung einer 14-tägigen Nachfrist vor deren Ablauf nicht bezahlt wird.
2. Als Bestandzins wird ein (wertgesicherter) Betrag von
S 9.500,-- pro Monat vereinbart. Spätestens bei Beginn des Bestandverhältnisses wird die Bestandnehmerin eine Mietvorauszahlung in Höhe von S 600.000,-- leisten. Der Bestandgeber ist berechtigt, während der Dauer dieses Vertrages eine weitere Mietvorauszahlung in Höhe von S 1 Mio zu verlangen. In diesem Fall verringert sich die laufende Miete auf S 5.000,-- pro Monat.
3. Wird das Bestandverhältnis vor Ablauf von fünfzig Jahren aus welchem Grunde immer aufgelöst, so erhält die Bestandnehmerin vom Bestandgeber "ihr Interesse" ersetzt.
Mit "Nachtrag zum Bestandvertrag" vom wurde betreffend den Bestandzins (siehe obigen Punkt 2.) folgende ergänzende Vereinbarung getroffen:
"Für den Fall, daß die Bestandnehmerin den Bestandvertrag aufkündigt, verfällt die geleistete Mietzinsvorauszahlung. Für den Fall, daß der Bestandgeber den Bestandvertrag aus Gründen, die nicht die Bestandnehmerin zu vertreten hat, vorzeitig aufkündigt, ist die nicht verbrauchte Mietvorauszahlung der Bestandnehmerin zurückzuzahlen."
Die oben unter 3. wiedergegebene Vereinbarung betreffend die vorzeitige Beendigung des Bestandvertrages wurde unter einem wie folgt abgeändert:
"Vorzeitige Beendigung des Bestandvertrages:
Wird das Bestandverhältnis jedoch vor Ablauf von 50 Jahren aus Gründen, die die Bestandnehmerin nicht zu vertreten hat, vom Bestandgeber aufgelöst, so erhält die Bestandnehmerin vom Bestandgeber ihr Interesse ersetzt. Das Interesse der Bestandnehmerin besteht einvernehmlich aus dem Teil der Gesamtinvestitionskosten, der nicht bis zur Auflösung des Bestandvertrages unter Zugrundelegung des jeweils gültigen Zinsfußes über die Miete, aus der Vermietung der Liegenschaft samt darauf befindlichen befestigten Anlagen zurückgeführt wurde. Die Gesamtinvestitionskosten umfassen alle im Zusammenhang mit der Befestigung der Liegenschaft gemachten Aufwendungen, inkl. der im Bestandvertrag aufgeführten Aufwendungen, sowie die Kosten für die Entfernung der befestigten Anlagen. Dazu kommen noch Zinsen in der jeweils angemessenen Höhe für den Zeitraum zwischen Beendigung des Bestandvertrages und einer allfälligen späteren Auszahlung des obigen Betrages."
Die belangte Behörde begründete ihre im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck kommende, eingangs dargelegte Rechtsansicht im wesentlichen folgendermaßen:
Der Bestandvertrag enthalte in seiner ursprünglichen Fassung keine Vereinbarung, wonach der Bestandnehmerin bei vorzeitiger Auflösung ein Anspruch auf aliquote Rückzahlung der Mietvorauszahlungen eingeräumt werde. Für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Bestandverhältnisses sei lediglich vorgesehen, daß die Bestandnehmerin vom Beschwerdeführer "ihr Interesse" ersetzt erhalte. In dieser Vertragsbestimmung könne jedenfalls keine Rückzahlungsverpflichtung für vom Beschwerdeführer vereinnahmte Mietvorauszahlungen erblickt werden; dies nichteinmal nach der Vertragsänderung, weil der im Nachtrag umschriebene Begriff "Interesse" bloß auf einen nach bestimmten Grundsätzen zu ermittelnden Teil der von der Bestandnehmerin aufgewendeten Gesamtinvestitionen abstelle. Da den Beschwerdeführer somit im Jahr des Zufließens der Mietvorauszahlungen (Streitjahr) keine Verpflichtung zur Rückzahlung derselben im Ausmaß der von ihm noch nicht erbrachten Gegenleistung getroffen habe, seien die ihm im Streitjahr aus dem genannten Titel geleisteten Zahlungen zur Gänze als Einkünfte des Beschwerdeführers (aus Vermietung und Verpachtung) anzusetzen gewesen. Auch wenn man auf die durch den Nachtrag geschaffene Vertragslage abstelle und solcherart davon ausgehe, daß der Beschwerdeführer nunmehr für den Fall seiner vorzeitigen Aufkündigung des Bestandvertrages die noch nicht verbrauchten Mietvorauszahlungen zurückzuzahlen gehabt hätte, sei bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht (ernsthaft) mit der vorzeitigen Beendigung des Bestandverhältnisses zu rechnen gewesen; denn der Beschwerdeführer habe schon von vornherein auf die Ausübung seines Kündigungsrechtes für fünfzig Jahre verzichtet, was auch grundbücherlich verankert worden sei. Die Bestandnehmerin habe hingegen nicht unbeträchtliche Investitionen auf dem Grundstück geplant, die sich erst in mehreren Jahren amortisieren würden.
Die sich gegen diesen Bescheid richtende Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch unrichtige Anwendung der Bestimmung des § 19 EStG 1988 in seinen Rechten verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bezieht bei seiner Beurteilung, es habe ihn für den Fall der vorzeitigen Auflösung des Bestandvertrages im Ausmaß der von ihm noch nicht erbrachten Gegenleistung eine Rückzahlungsverpflichtung getroffen, auch schon die erst im Jahr 1991 zustande gekommene Vertragsänderung mit ein. Dies ist jedoch abgabenrechtlich unbeachtlich, weil die Frage, ob durch das Zufließen der Mietzinsvorauszahlungen ein abgabenrechtlicher Tatbestand verwirklicht wurde, nach den im Streitjahr gegebenen tatsächlichen Verhältnissen zu beantworten ist. Waren die auf Grund der ursprünglichen Vereinbarung dem Beschwerdeführer zugeflossenen Geldbeträge im Jahr des Zufließens Mietzinsvorauszahlungen, dann konnten vertragliche Änderungen in einem Folgejahr sich nur in den auf das Zufließen folgenden Besteuerungsabschnitten auswirken (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom ,
Zlen. 82/14/0115, 0131, und vom , Zl. 88/14/0076).
Daß den Beschwerdeführer nach dem Bestandvertrag in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung die Verpflichtung zur anteiligen Rückzahlung der von ihm in diesem Jahr empfangenen Mietzinsvorauszahlungen getroffen hat, kann aus den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ins Treffen geführten Gründen verneint werden. Da eine solche Verpflichtung für die Ansehung als Darlehen aber unabdingbar wäre, erweist sich der angefochtene Bescheid schon wegen des Fehlens dieses Merkmals als frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit. Hinzu kommt, daß unter Berücksichtigung der für das Streitjahr festgestellten Verhältnisse auch bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht mit einer vorzeitigen Beendigung des Bestandvertrages gerechnet werden konnte; solcherart kann den in Rede stehenden Zahlungen an den Beschwerdeführer im Streitjahr auch wirtschaftlich nicht die Funktion von Darlehenszahlungen beigemessen werden. Im übrigen sieht sich der Gerichtshof noch zu folgenden Ausführungen veranlaßt: Eine Beurteilung des Vertrages als Darlehen würde eine vom Fortbestand des Mietverhältnisses losgelöste Rückzahlungsverpflichtung mit vereinbarter Laufzeit, Rückzahlungsmodalität und Verzinsung des Darlehens voraussetzen. Eine Verknüpfung mit dem Mietvertrag würde nur insofern einer Beurteilung als Darlehen nicht entgegenstehen, als es sich dabei lediglich um eine dem wirtschaftlichen Gehalt beider Vereinbarungen (Mietvertrag und Darlehensvertrag) entsprechende Aufrechnung der Darlehensrückzahlungsraten mit den Mietzinszahlungen handeln würde. Eine derartige Vertragsgestaltung liegt jedoch nicht vor.
Auf Grund des Gesagten mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden; diese Entscheidung konnte angesichts der zitierten Vorjudikatur gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat getroffen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.