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VwGH vom 21.06.1994, 91/14/0165

VwGH vom 21.06.1994, 91/14/0165

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde der S-Gesellschaft mbH in P, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl 14/10/1-BK/Ko-1991, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (Körperschaftsteuer 1986 bis 1988), Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermeßbeträge für 1986 bis 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer 1988 und hinsichtlich Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermeßbetrag 1988 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die im Jahr 1976 als Tochter einer deutschen GmbH & Co KG gegründete Beschwerdeführerin betreibt die Herstellung und den Handel mit Textilwaren aller Art. Geschäftsführer und mit 5 % am Stammkapital der Beschwerdeführerin beteiligter Gesellschafter war im Streitzeitraum Herwig S.

Nach den vorgelegten Verwaltungsakten übersandte die

Beschwerdeführerin dem Finanzamt mit Eingabe vom

Umsatz-, Körperschaft- und

Gewerbesteuererklärungen für 1986. Diesen Erklärungen waren in

gebundener Form und mit dem Hinweis auf die

M Wirtschaftstreuhand-GmbH versehen eine EDV-Bilanz und eine

ebensolche Gewinn- und Verlustrechnung mit (teilweise)

ebenfalls als EDV-Ausdruck erkennbaren Erläuterungen sowie eine

weitere Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung, in welcher

(worauf lediglich zur Unterscheidung hingewiesen wird) zwar der

Jahresgewinn in gleicher Höhe wie in der erwähnten EDV-Bilanz,

aber ua eine andere Bilanzsumme ausgewiesen ist. In der

EDV-Bilanz wird ua eine Rückstellung für Abfertigungen in Höhe

von S 914.000,-- ausgewiesen, in der erwähnten zweiten Bilanz

scheint als Text für die Rückstellung in dieser Höhe

"Abfertigungsrückstellung Handelsvertreter (20 %)" auf. Den

Abgabenerklärungen angeschlossen waren neben einer Beilage zur

Gewerbesteuererklärung überdies eine "Mitteilung über offene

Ausschüttungen" an den Gesellschafter-Geschäftsführer, eine

Kapitalertragsteueranmeldung sowie ein Protokoll einer

"Gesellschaftervollversammlung" vom , welches

neben einer Dokumentation eines Gewinnausschüttungsbeschlusses

folgende Ausführungen enthält: "Die Einbindung des

Handelsvertretervertrages in die S ... ist beschlossen. Seit

Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit der S ... hat diese

ohnehin alle Zahlungen an den Handelsvertreter geleistet, wie

dies mündlich auch vereinbart war. Der guten Ordnung

halber, ... wird dies hiermit auch schriftlich festgehalten.

Ebenso wird festgestellt, daß die Abfertigung aus dem Handelsvertretervertrag die Gesellschaft in Österreich zu erfüllen hat. Die Abfertigung beträgt eine durchschnittliche Jahresprovision der letzten fünf Jahre des Vertreterverhältnisses. Diese Abfertigung darf die Gesellschaftsanteile von Herwig S nicht belasten."

Für 1987 und 1988 wurde den entsprechenden Abgabenerklärungen neben den Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen für die betreffenden Jahre jeweils ein Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses der

A Treuhand-GesmbH angeschlossen, worin jeweils unter "Tz 8 wichtige Verträge" ausgeführt wird:

"Handelsvertreter-Vertrag (Neufassung vom und Ergänzung vom )


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
zwischen Herwig S, ... und der GesmbH & Co KG, ... auf die geprüfte Gesellschaft übertragen bei deren Gründung, gemäß § 87 (2) des deutschen HGB
-
Abschlüsse nur im Namen der Firma, weisungsgebunden, Bonitätsprüfungen
-
Gebietsvertreter Österreich
-
Anspruch ab Ausführung des Geschäftes, entfällt mit
Nichtleisten des Kunden
-
Abrechnung monatlich, bis 20. des Folgemonats durch Firma, Widerspruch binnen 3 Wochen
-
auf unbestimmte Zeit (3 Monate Kündigungsfrist)."

Unter jeweils Tz 38 wird zu "1. Abfertigungsrückstellung Handelsvertreter" festgehalten:

"Nach dem in Tz 8 dargestellten Vertrag steht dem Handelsvertreter unter bestimmten, heute als sehr wahrscheinlich anzusehenden, Voraussetzungen im Falle der Aufkündigung des mit ihm bestehenden Vertrages oder beim Übertritt in den Ruhestand eine Abfertigung in der Höhe einer durchschnittlichen Jahresprovision zu."

In der Folge wird jeweils die Art der Dotierung der Rückstellung (nämlich mit jeweils 20 % pro Jahr) dargestellt.

Das Finanzamt veranlagte die Beschwerdeführerin zu den erwähnten Abgaben für 1986 mit Bescheiden vom , für 1987 mit Bescheiden vom und für 1988 mit Bescheiden vom erklärungsgemäß.

Anläßlich der Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens zum mit Bescheid vom und zum mit Bescheid vom schied das Finanzamt aus den Schuldposten die erklärten Rückstellungen für Abfertigungen aus, weil "die Vorsorge für Abfertigungen nicht als Betriebsschulden anzuerkennen waren". In dagegen eingebrachten Berufungen wurde unter Hinweis auf das oben erwähnte Protokoll der Generalversammlung vom ua ausgeführt, daß "nicht das gegenüber den deutschen Bestimmungen des HGB schwächere österreichische Recht anzuwenden" sei, sondern die "deutschen Bestimmungen des HGB", weil der Mehrheitsgesellschafter in der BRD seinen Geschäftssitz habe. Im gegenständlichen Fall liege außerdem keine Abfertigung im Sinne des § 14 EStG 1972 vor, weil der Geschäftsführer kein Angestellter im Sinne des Angestelltengesetzes sei. Die Gesellschaft habe noch in keiner einzigen Bilanz Personalaufwendungen ausgewiesen. In der Folge wurden - am - die zwischen der deutschen Muttergesellschaft und dem Gesellschafter-Geschäftsführer abgeschlossenen Verträge vorgelegt. In einer (abweisenden) Berufungsvorentscheidung wurde begründend ausgeführt, daß in keinem dieser Verträge eine Regelung enthalten sei, die einen Abfertigungsanspruch begründen könnte. In einem Antrag auf Entscheidung über die Berufungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde ua ausgeführt, daß sich "in jedem Fall" ein Anspruch auf Abfertigung des Herwig S aus der Anwendung der Bestimmungen des deutschen HGB ergebe.

Nach Durchführung einer sich auf den Streitzeitraum erstreckenden abgabenbehördlichen Prüfung im Jahr 1990 fanden in dem gemäß § 150 BAO erstatteten Bericht hinsichtlich der Körperschaftsteuer neben Steuerpassivierungen und Anpassungen an das Prüfungsergebnis ausschließlich Feststellungen betreffend die Abfertigungsrückstellung Handelsvertreter ihren Niederschlag. Dies unter Bezugnahme auf die bereits erwähnten Verträge, das Protokoll der "Gesellschaftervollversammlung" vom , die erwähnte Vorgangsweise anläßlich der Bilanzierung und das Vorbringen des steuerlichen Vertreters, daß laut § 1 des Vertrages vom die Handelsvertretung im Sinn des § 87 Abs 2 HGB durchgeführt werde und dadurch dem Handelsvertreter auch ein Ausgleich gemäß § 89 b HGB zustehe, wobei in Ermangelung dieses Paragraphen im österreichischen HGB nur das deutsche HGB gemeint gewesen sein könne.

Der Prüfer gelangte zur Ansicht, daß die Rückstellung für "Abfertigung Handelsvertreter" nicht anerkannt werden könne.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen und der Beurteilung des Prüfers, nahm die Verfahren ua bezüglich Körperschaftsteuer 1986 bis 1988 gemäß § 303 Abs 4 BAO wieder auf und erließ neue Körperschaftsteuerbescheide sowie gemäß § 296 BAO geänderte Gewerbesteuermeßbescheide.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde im Instanzenzug eine ua gegen diese Bescheide eingebrachte Berufung erledigt.

Hinsichtlich der Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren 1986 und 1987 führte die belangte Behörde begründend aus, daß die neu hervorgekommenen Tatsachen darin zu sehen seien, daß dem Finanzamt erst nach Vorlage des Handelsvertretervertrages vom am und des Schreibens des Herwig S an die KG vom am bekannt geworden sei, daß im Handelsvertretervertrag Abfertigungsansprüche des Handelsvertreters nicht geregelt seien, daß auf dieses Vertragsverhältnis insgesamt deutsches Recht anzuwenden sei und der eventuell entstehende Anspruch des Handelsvertreters auf eine Ausgleichszahlung auf § 89 b dHGB beruhe. Vor diesen Zeitpunkten habe das Finanzamt aus den bis dahin bekannten Umständen, insbesondere aus der Formulierung im Protokoll der Generalversammlung vom "Die Abfertigung aus dem Handelsvertretervertrag hat die Gesellschaft in Österreich zu erfüllen", davon ausgehen können, daß es sich um eine vertragliche - möglicherweise unbedingt zugesagte - Verpflichtung zur Zahlung einer Abfertigung handle. Da nach den §§ 35 in Verbindung mit § 36 IPR-Gesetz dann, wenn die Parteien nichts anderes bestimmen, auf den gegenständlichen Vertrag österreichisches Recht anzuwenden wäre, sei auch erst mit der Vorlage des Handelsvertretervertrages vom die "schlüssige Bestimmung der Anwendbarkeit deutschen Rechts" bekannt geworden. Auch in den Berichten über die Prüfung des Jahresabschlusses zum und zum werde lediglich darauf verwiesen, daß es sich um einen Anspruch aus dem Handelsvertretervertrag handle.

Zur Wiederaufnahme des Körperschaftsteuerverfahrens für 1988 räumte die belangte Behörde ein, daß mit der Vorlage "des Handelsvertretervertrages" am der Abgabenbehörde alle wesentlichen Umstände für eine Beurteilung der Rückstellungsfähigkeit der eventuell entstehenden Ausgleichsverpflichtung bekannt gewesen seien, sodaß die Tatsache, daß es sich hiebei um einen gesetzlichen Anspruch nach § 89 b dHGB des Handelsvertreters handle, keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund bilde. Die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 4 BAO sei aber dennoch gerechtfertigt, da erst anläßlich der Betriebsprüfung im Jahr 1990 hervorgekommen sei, daß in den in der Bilanz 1988 ausgewiesenen Rechts- und Beratungskosten ein Anwaltshonorar enthalten gewesen sei, welches nicht als Betriebsausgabe anerkannt werden könne.

Zum Ermessen im Rahmen der Wiederaufnahme der Verfahren führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführerin ein berechtigtes Interesse an der Wahrung der Rechtskraft der die hervorgekommenen Tatsachen noch nicht berücksichtigenden Bescheide nicht zugebilligt werden könne, während Überlegungen der Zweckmäßigkeit - insbesondere die Gleichbehandlung aller Abgabepflichtigen - im gegenständlichen Verfahren für eine amtswegige Wiederaufnahme der Verfahren sprächen.

Zur Rückstellungsfähigkeit der Ausgleichsverpflichtung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, für die Beurteilung eines Anspruches des Handelsvertreters nach § 89 b dHGB sei entscheidend, daß dieser nach der zitierten Bestimmung "nach Beendigung des Vertragsverhältnisses" nur zustehe, wenn und soweit dem Geschäftsherrn nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile aus den vom Handelsvertreter angeknüpften Geschäftsverbindungen erwüchsen bzw der Handelsvertreter infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses ansonsten zustehende Provisionsansprüche verlieren würde und die Zahlung eines Ausgleichs der Billigkeit entspräche. Demnach bestehe bei aufrechtem Vertragsverhältnis weder für den Handelsvertreter ein Anspruch bzw eine Anwartschaft auf eine Ausgleichszahlung noch für den Geschäftsherrn eine Schuld. Rückstellungen zulasten des Gewinnes könnten aber steuerrechtlich nur für ungewisse Schulden, deren Verpflichtungsgrundlage am Bilanzstichtag bereits vorhanden sein müsse, gebildet werden. Zudem müsse ein wirtschaftlicher Aufwand drohen, der wirtschaftlich den bis zum Bilanzstichtag vergangenen Zeitraum betreffe. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes sei die wesentliche Ursache der Ausgleichsverpflichtung nicht das Vorhandensein oder der Erwerb eines vom Handelsvertreter geworbenen Kundenstammes, sondern - aus der Sicht des Handelsvertreters - der Verlust künftiger Provisionen und - aus der Sicht des Unternehmers - der mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Vorteil aus künftigen Geschäftsabschlüssen. Somit stehe der Ausgleichsanspruch wirtschaftlich betrachtet einer Einmalvergütung für alle künftigen, vom alten Kunden hereingebrachten Aufträge näher als einer Nachvergütung für bereits vor der Beendigung des Vertragsverhältnisses erbrachte Leistungen und sei deshalb auch wirtschaftlich nicht wesentlich in der Vergangenheit verursacht. Nach Ansicht des Senates spreche auch die Bezeichnung "Ausgleich" für diese Ausführungen des Bundesfinanzhofes.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht, daß Verfahren nur aus den im Gesetz vorgesehenen Gründen wiederaufgenommen werden, daß die Rückstellung für Handelsvertreter anerkannt und die Honorarnote über S 14.000,-- "nicht als verdeckte Gewinnausschüttung gewertet wird", und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides hinsichtlich der Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 1986 bis 1988 und der neuen Sachbescheide betreffend Körperschaftsteuer und der Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge 1986 bis 1988 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, gestützt auf das hg. Erkenntnis vom , 90/16/0003, im Hinblick darauf, daß § 303 Abs 4 BAO drei erschöpfend aufgezählte Wiederaufnahmegründe enthalte, müsse im Bescheidspruch jener gesetzliche Tatbestand festgestellt werden, auf den ein die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens verfügender Bescheid gestützt werde.

Nun ist der Beschwerdeführerin einzuräumen, daß der Gerichtshof in dem zitierten Erkenntnis ausgesprochen hat, der Spruch eines die Wiederaufnahme verfügenden Bescheides habe grundsätzlich den maßgeblichen Wiederaufnahmetatbestand anzuführen, doch darf nicht übersehen werden, daß einen Bescheid Spruch und Begründung ausmachen und die Begründung dann, wenn der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offenläßt, als Auslegungsbehelf des Spruches herangezogen werden kann (Stoll, BAO Handbuch, S 222). Dementsprechend nimmt das von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 90/16/0003, auch auf die Begründung des damals angefochtenen Bescheides bzw des von diesem bestätigten Bescheides Bedacht und führt aus, auch der Begründung könne nicht entnommen werden, welcher der drei in Betracht kommenden Tatbestände des § 303 Abs 4 BAO in jenem Beschwerdefall zur Anwendung gelangt sei (vgl das hg Erkenntnis vom , 90/13/0027). Hinzu kommt, daß als Bescheidspruch der Inhalt der normativen Willensäußerung der Behörde anzusehen ist. Die normative Willensäußerung der Behörde, wonach ein Verfahren von Amts wegen wiederaufgenommen wird, ist aber jedenfalls mit der Zitierung des § 303 Abs 4 BAO ausreichend umschrieben.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Partei eines Verwaltungsverfahrens einen Anspruch darauf hat, den Wiederaufnahmegrund, somit die Begründung für die behördliche Willensäußerung der entsprechenden Verfahrenswiederaufnahme zu erfahren, um ihre Rechte sachgemäß verteidigen zu können. Im Beschwerdefall hat aber die Beschwerdeführerin selbst nicht behauptet, die Gründe, auf welche die Wiederaufnahme der Verfahren gestützt wurde, nicht zu kennen. Dies ungeachtet des Umstandes, daß sie die Meinung vertritt, es hätte sich dabei um keine die Wiederaufnahme tatsächlich rechtfertigenden Gründe gehandelt.

2. Wiederaufnahme des Körperschaftsteuerverfahrens 1986 und 1987:

Hiezu bringt die Beschwerdeführerin zunächst vor, aus der Zitierung der "Abfertigungsrückstellung Handelsvertreter (20 %)" sei abzuleiten, daß dem Finanzamt (und der belangten Behörde) der Wirtschaftsprüferbericht der A Treuhand-GmbH vorgelegen haben müsse, aus welchem auch die Anwendbarkeit deutschen Rechts hervorgegangen sei. Dabei übersieht die Beschwerdeführerin aber, daß sie dem Finanzamt neben einer Bilanz, in welcher zu dieser Rückstellung nur der Text "Rückstellungen für Abfertigungen" angeführt war, auch eine weitere Bilanz vorlegte, in welcher zu der betreffenden Rückstellung der Text "Abfertigungsrückstellung Handelsvertreter (20 %)" aufschien.

Im übrigen ist aber die Frage, ob dem Finanzamt für das Jahr 1986 der Prüfungsbericht der A Treuhand-GmbH vorlag, nicht weiter von Bedeutung. Die Beschwerdeführerin bringt nämlich nicht vor, daß in diesem Bericht Ausführungen enthalten gewesen wären, welche über die in den für die Jahre 1987 und 1988 ergangenen Prüfungsberichten enthaltenen Ausführungen hinausgegangen wären.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist der Sachverhalt in den zuletzt genannten Prüfungsberichten jedoch nicht so vollständig dargestellt worden, daß die belangte Behörde im Veranlagungsverfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können. Nur unter dieser Voraussetzung wäre aber die Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ausgeschlossen (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , 88/14/0003, und die darin zitierte Vorjudikatur).

In diesen Prüfungsberichten wurde nämlich in Tz 38 lediglich darauf hingewiesen, daß dem Handelsvertreter "NACH DEM in Tz 8 dargestellten VERTRAG unter bestimmten, heute als sehr wahrscheinlich anzusehenden Voraussetzungen" eine Abfertigung zustehe. Daß die "Abfertigung" nicht nach dem Vertrag selbst, sondern nach der laut diesem Vertrag anzuwendenden gesetzlichen Bestimmung des deutschen HGB, worin (in § 89 b) auch die "bestimmten Voraussetzungen" normiert seien, zustehe, ist dieser Darstellung ebensowenig zu entnehmen, wie dem in Tz 8 der Prüfungsberichte enthaltenen Hinweis auf § 87 Abs 2 dHGB (welcher eine grundsätzliche Provisionsregelung für Bezirksvertreter enthält). Auch in dem mit den Abgabenerklärungen für 1986 vorgelegten Protokoll der "Gesellschaftervollversammlung" vom wird lediglich darauf hingewiesen, daß die "Abfertigung AUS DEM HANDELSVERTRETERVERTRAG" die Gesellschaft in Österreich zu erfüllen habe.

Soweit in der Beschwerde die Ansicht vertreten wird, daß "der Handelsvertretervertrag" bereits vor Erlassung der ursprünglichen erstinstanzlichen Bescheide vorgelegen sei, nämlich "mit den beiden vorausgegangenen Betriebsprüfungen", teilt der Gerichtshof - abgesehen davon, daß dieses Vorbringen in der Aktenlage keine Deckung findet - die Ansicht der belangten Behörde, daß das Hervorkommen neuer Tatsachen und Beweismittel aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens und nicht aus anderen Verfahren, bei denen diese Tatsachen möglicherweise erkennbar gewesen seien, zu beurteilen ist (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , 89/13/0245).

Die Beschwerderüge, daß nach Abschluß der Körperschaftsteuerveranlagungsverfahren 1986 und 1987 keine Tatsachen neu hervorgekommen seien, ist daher unberechtigt. Zur Frage, ob die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, daß die Kenntnis dieser neuhervorgekommenen Tatsachen im Spruch anderslautende Bescheide herbeigeführt hätte, wird auf die Erwägungen unter Pkt 4 verwiesen.

3. Wiederaufnahme des Körperschaftsteuerverfahrens 1988:

Hiezu stellt die belangte Behörde außer Streit, daß die unter Pkt 2 erörterten Umstände für dieses Verfahren keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund bilden.

Die belangte Behörde vermeint jedoch, daß eine Wiederaufnahme auch dieses Verfahrens gerechtfertigt sei, weil erst anläßlich der Betriebsprüfung hervorgekommen sei, daß "in der Bilanz 1988 ausgewiesene Rechts- und Beratungskosten", nämlich ein Anwaltshonorar in Höhe von netto S 14.000,--, nicht der Beschwerdeführerin, sondern deren Gesellschaftern zuzurechnen seien.

Nun ist jedoch nicht erkennbar, daß der Prüfer und ihm folgend das Finanzamt diese Feststellungen als Wiederaufnahmegrund für die Körperschaftsteuer 1988 herangezogen hätte. Dies weder ausdrücklich in dem ua die Begründung der Wiederaufnahmebescheide darstellenden Bericht gemäß § 150 BAO noch dadurch, daß der Prüfer darin ertragsteuerlich eine unmittelbare Konsequenz gezogen hätte. Erst die belangte Behörde griff diese Feststellungen auf und beurteilte die betreffenden Aufwendungen erkennbar als verdeckte Gewinnausschüttung. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, daß die (im angefochtenen Bescheid wegen Stattgabe der Berufung gegen die Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens 1988 rückgängig gemachte) Passivierung einer höheren Umsatzsteuer wegen Nichtanerkennung der mit den Aufwendungen verbundenen Vorsteuer in Höhe von S 1.400,-- allein nicht geeignet ist, eine Wiederaufnahme des Körperschaftsteuerverfahrens zu rechtfertigen. Da die Berufungsbehörde die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens aber nicht auf Grund von Tatsachen bestätigen darf, die das Finanzamt nicht herangezogen hat (vgl das hg Erkenntnis vom , 90/14/0262), hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid in diesem Punkt mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Damit ist aber auch einer neuen Sachentscheidung hinsichtlich Körperschaftsteuer 1988 sowie dem gemäß § 296 BAO ergangenen Bescheid über die Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrages für 1988 die Grundlage entzogen.

4. Abzugsfähigkeit der Rückstellung für Handelsvertreter:

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, daß für die Entscheidung der Frage, ob im Beschwerdefall die strittige Rückstellung anzuerkennen ist, vom § 89 b dHGB auszugehen ist. Nach Abs 1 dieser gesetzlichen Bestimmung kann der Handelsvertreter von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit

1) der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat,

2) der Handelsvertreter infolge Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provision verliert, die er bei Fortsetzung derselben aus bereits abgeschlossenen oder künftig zustande kommenden Geschäfte mit den von ihm geworbenen Kunden hätte, und

3) die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entspricht.

Nach den von der Beschwerdeführerin als Formkaufmann gemäß § 5 EStG 1972 zu beachtenden Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung müssen - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - für künftige Ausgaben, die wirtschaftlich mit einem abgelaufenen Wirtschaftsjahr in ursächlichem Zusammenhang stehen, Rückstellungen in Form eines in die Bilanz des betreffenden Jahres einzusetzenden Passivums gebildet werden. Bei der Bildung einer Rückstellung handelt es sich also um ein Gewinnkorrektivum, das allerdings steuerrechtlich nur in der Höhe anerkannt wird, in der der Erfolg des betreffenden Wirtschaftsjahres voraussichtlich mit künftigen Ausgaben belastet wird. Voraussetzung für die Einsetzung einer steuerrechtlich anzuerkennenden Rückstellung in eine Bilanz ist also stets, daß ein wirtschaftlich die Vergangenheit betreffender Aufwand bestimmter Art ernsthaft droht, also mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit voraussehbar ist, oder daß der Aufwand schon sicher und nur der Höhe nach unbestimmt ist. Da die Bildung der Rückstellung in der Bilanz dazu dient, den Erfolg des betreffenden Wirtschaftsjahres richtig auszuweisen, setzt sie zwar nicht das Bestehen einer rechtsverbindlichen Verpflichtung am Bilanzstichtag, wohl aber die Wahrscheinlichkeit voraus, daß eine wirtschaftlich das abgelaufene Jahr betreffende Schuld entstehen wird, wogegen die bloß entfernte Möglichkeit einer Inanspruchnahme oder eines Verlustes für die Bildung der Rückstellung nicht genügt (vgl das hg Erkenntnis vom , 14/1419, 1540, 1541, 1542/79, und die darin zitierte Vorjudikatur).

Die belangte Behörde vertrat im angefochtenen Bescheid (gestützt auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes) insbesondere die Ansicht, daß die wesentliche Ursache der (allfälligen) Ausgleichsverpflichtung nicht das Vorhandensein oder der Erwerb eines vom Handelsvertreter geworbenen Kundenstammes ist, sondern - aus der Sicht des Handelsvertreters - der Verlust künftiger Provisionen und - aus der Sicht des Unternehmers - der allenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Vorteil aus künftigen Geschäftsabschlüssen. Der Ausgleichsanspruch stehe somit wirtschaftlich betrachtet einer Einmalvergütung für alle künftigen vom alten Kunden hereingebrachten Aufträge näher, als einer Nachvergütung für bereits vor der Beendigung des Vertragsverhältnisses erbrachte Leistungen.

Die Beschwerdeführerin tritt dieser Auffassung substantiiert nicht entgegen. Sie reduziert "die Auseinandersetzung" vielmehr auf die Frage, ob die "Abfindung" geleistet werde


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
für vor dem Ausscheiden geleistete Tätigkeiten, oder
-
als Kaufpreis für die Anschaffung eines immateriellen
Wirtschaftsgutes.

Daß die Ausgleichszahlung für vor dem Ausscheiden geleistete Tätigkeiten zu zahlen wäre, behauptet die Beschwerdeführerin in der Folge weder selbst, noch bietet sich hiefür unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmung des § 89 b dHGB ein Anhaltspunkt. Aber auch der in der Beschwerde angeführten zweiten Möglichkeit, daß die Ausgleichszahlung als Kaufpreis für die Anschaffung eines immateriellen Wirtschaftsgutes geleistet würde, tritt die Beschwerdeführerin in der Folge nach Ansicht des Gerichtshofes zutreffend selbst entgegen, wenn sie es als undenkbar bezeichnet, daß eine Gesellschaft Anschaffungskosten für Kundenbeziehungen oder für einen Firmenwert habe, wenn sie längst bestehende Kundenbeziehungen weiterführe.

Damit verbleibt jedoch nur die im angefochtenen Bescheid als zutreffend erachtete, in der Beschwerde weder erwähnte noch konkret bestrittene Beurteilung, daß der Ausgleichsanspruch dem Handelsvertreter in erster Linie künftig entgehende Provisionen abgelten soll. Da der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung des Bundesfinanzhofes in seinem Urteil vom , IV R 168/81, BStBl II, 1983, S 375 ff, aus den dort angeführten Erwägungen teilt, daß der Ausgleichsanspruch wirtschaftlich betrachtet einer "Einmalvergütung" für alle künftigen von alten Kunden hereingeholten Aufträge jedenfalls nähersteht, als einer "Nachvergütung" für den "Erwerb eines Kundenstamms" und deswegen nicht wesentlich wirtschaftlich in der Vergangenheit verursacht ist, ist diesbezüglich eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erkennen.

Bei dieser Beurteilung kann dahinstehen, ob der Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen entsprechenden Anspruch überhaupt geltend machen wird, ob ("wenn und soweit") die Voraussetzungen des § 89 b leg. cit. im Beschwerdefall zutreffen (vgl in diesem Zusammenhang auch das hg Erkenntnis vom , 86/14/0120), aber auch, ob dem Handelsvertreter ein solcher Ausgleichsanspruch im Hinblick auf die vereinbarte Tätigkeit gemäß § 87 Abs 2 dHGB, somit als Bezirksvertreter, zusteht, weil eine reine Bezirksprovision als Bezugspunkt für den Ausgleich ausscheidet (vgl Brüggemann in Staub, Großkommentar zum deutschen HGB, 1983, Anm 35 zu § 89 b).

Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens und des neuen Sachbescheides betreffend Körperschaftsteuer 1988 sowie hinsichtlich der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrages für 1988 aus den im Pkt 3 angeführten Erwägungen gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im übrigen war die Beschwerde aber gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von einer Verhandlung konnte ungeachtet des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weiter Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.