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VwGH vom 22.10.1991, 91/14/0156

VwGH vom 22.10.1991, 91/14/0156

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der Waltraud N in B, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) der FLD für Slbg als Finanzstrafbehörde II. Instanz vom , Zl. 88-GA6-DMe/91, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen ein Erkenntnis des Spruchsenates wegen Hinterziehung von Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen sowie Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Aufwandersatzmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Am leitete die Finanzstrafbehörde I. Instanz gegen die Beschwerdeführerin das Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes ein:

a) der Hinterziehung lohnabhängiger Abgaben (Lohnsteuer S 57.312,--, Dienstgeberbeiträge S 26.948,--) für den Zeitraum Jänner bis August 1979 sowie für den Zeitraum September bis Dezember 1979 in noch festzustellender Höhe, jeweils durch Nichtabgabe der Lohnsteueranmeldungen,

b) der Nichtabführung von Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis August 1979 (S 434.090,--) sowie Oktober und November 1979 in noch festzustellender Höhe. Die Zustellung dieser Verfügung an die Beschwerdeführerin erfolgte zu eigenen Handen an deren Wohnandresse in Salzburg. In ihrer Vernehmung vom vor der genannten Behörde verantwortete sich die Beschwerdeführerin damit, alle "buchhalterischen Aufgaben" im Betrieb ihres Ehemannes - ausgenommen Buchhaltung, Bilanzen und Jahreserklärungen, die von einem Steuerberater besorgt würden - fielen in ihr Arbeitsgebiet. Sie sei jedoch durch Krankheit und Arbeitsüberlastung zur Erfüllung der versäumten Pflichten nicht in der Lage gewesen. Vom Leiter der Amtshandlung wurde der Beschwerdeführerin bei dieser Gelegenheit eine Ladung vor den Spruchsenat in Aussicht gestellt. Eine Stellungnahme des Amtsbeauftragten an den Spruchsenat vom , in der auch die in der Einleitungsverfügung der Höhe nach vorbehaltenen Beträge berücksichtigt waren, wurde der Beschwerdeführerin eigenhändig am an der bereits genannten Abgabestelle zugestellt. Mit Anordnung vom lud die Finanzstrafbehörde I. Instanz die Beschwerdeführerin für den zur Vernehmung als Beschuldigte gemäß § 116 FinStrG neuerdings vor. Die Sendung kam an die Behörde mit dem Vermerk zurück, die Beschwerdeführerin sei an eine andere Adresse in Salzburg verzogen. Die Zustellung an diese Adresse wurde angeordnet. Dort erfolgte sie durch Hinterlegung am . Die Sendung langte in der Folge unbehoben an die Finanzstrafbehörde I. Instanz zurück. Diese erhielt vom Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Ehegatten der Beschwerdeführerin, der am eröffnet worden war, einen Hinweis, daß sich die Beschwerdeführerin in München aufhalten könnte. Erhebungen der Behörde zur Ermittlung eines Wohnsitzes der Beschwerdeführerin in München im Wege über die dortige Steuerfahndungsstelle im Juli 1982 blieben erfolglos. In der Folgezeit sind den Verwaltungsakten keine Verfahrensschritte der Finanzstrafbehörde gegen die Beschwerdeführerin in der erwähnten Sache zu entnehmen. Erst unter dem Datum findet sich ein Aktenvermerk, daß beim Meldeamt Salzburg eruiert worden sei, die Beschwerdeführerin habe ihren Wohnsitz am nach Bayreuth verlegt, auf Grund eines Anrufes bei der dortigen Steuerfahndung habe in Erfahrung gebracht werden können, daß die Beschwerdeführerin dort bis unter einer näher bezeichneten Anschrift gemeldet gewesen sei. Am genannten Tag habe sie sich von der Bundesrepublik Deutschland nach Liechtenstein (Adresse unbekannt) abgemeldet. Da Ermittlungen in Liechtenstein wegen Fehlens eines Rechtshilfeabkommens von vornherein erfolglos erschienen, würden sie nicht angestellt und das Finanzstrafverfahren gemäß § 147 FinStrG fortgesetzt. Die Vorladung der Beschwerdeführerin zur mündlichen Verhandlung vor den Spruchsenat erfolgte an diese durch Bekanntmachung gemäß § 25 ZustG. Die Beschwerdeführerin erschien zur mündlichen Verhandlung nicht und war in dieser auch nicht vertreten. Der Spruchsenat erkannte sie der in der Äußerung des Amtsbeauftragten vom genannten Finanzvergehen schuldig und verhängte über sie eine Geldstrafe von

S 150.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Monate). Die Zustellung der Ausfertigung dieses Bescheides erfolgte ebenfalls durch Bekanntmachung gemäß § 25 ZustG (Abnahmedatum ). Die Anordnung der Bekanntmachung trägt auch den handschriftlichen Zusatz "und hinterlegt nach § 8 Abs. 2 ZustellG". Mit Schreiben vom teilte das Konsulat der Republik Österreich im Fürstentum Liechtenstein der Vollstreckungsstelle des Finanzamtes die Wohnadresse der Beschwerdeführerin in Liechtenstein mit. Die Finanzstrafbehörde

I. Instanz forderte die Beschwerdeführerin unter dieser Adresse zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten auf. Dieser Aufforderung kam die Beschwerdeführerin nach, indem sie den Rechtsanwalt benannte, der sie nun auch vor dem Verwaltungsgerichtshof vertritt. Sie erteilte diesem für das Finanzstrafverfahren Vollmacht. Die Finanzstrafbehörde versendete hierauf eine Ausfertigung des Erkenntnisses des Spruchsenates an diesen Vertreter, welches dieser laut eigener Behauptung in der späteren Berufung am erhielt. Die Berufung gegen das Straferkenntnis wurde am erhoben.

Diese Berufung wies die Finanzstrafbehörde I. Instanz als verspätet zurück, weil das Erkenntnis durch Hinterlegung gemäß § 8 Abs. 2 ZustG und durch öffentliche Bekanntmachung nach § 25 ZustG ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Die Berufungsfrist sei daher bereits im März 1988 abgelaufen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde machte die Beschwerdeführerin geltend, daß ihr das Straferkenntnis erst am zugestellt worden sei. Zur Begründung der Rechtzeitigkeit der Berufung führte sie aus, daß sie wegen des seit der Einleitung des Strafverfahrens verstrichenen langen Zeitraumes und auf Grund von Äußerungen des Verhandlungsleiters anläßlich der Vernehmung vom nicht mehr damit habe rechnen müssen, daß gegen sie noch ein Finanzstrafverfahren anhängig sei. Unbekannten Aufenthaltes sei sie nicht gewesen, sie habe sich stets polizeilich ab- und angemeldet. Die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung wäre daher nicht zulässig gewesen. Im Hinblick auf die An- und Abmeldevorgänge wäre die neue Abgabestelle auch ohne Schwierigkeiten im Sinne des § 8 Abs. 2 ZustG zu ermitteln gewesen. Es hätte überdies die Möglichkeit bestanden, die neue Anschrift bei den Eltern der Beschwerdeführerin, bei denen sie zuletzt in Salzburg gewohnt habe, zu erfragen. Das Vorgehen der Behörde widerspreche Artikel 6 MRK.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Die Behauptung, die Beschwerdeführerin habe nicht mehr mit dem eingeleiteten Finanzstrafverfahren rechnen müssen, sei durch die Aktenlage nicht gedeckt. Die Pflichten aus § 8 Abs. 2 ZustG seien von der Beschwerdeführerin verletzt worden. Richtig sei, daß die Beschwerdeführerin auf Grund der Abmeldung beim Meldeamt Salzburg nach Bayreuth aus der Sicht der Meldebehörde nicht unbekannten Aufenthaltes gewesen sei. Die Behörde sei jedoch berechtigt gewesen, nach § 8 Abs. 2 ZustG vorzugehen. Für die gegenständliche Zustellung sei lediglich die letzte Übersiedlung nach Liechtenstein ohne Angabe eines Ortes im Jahre 1983 entscheidend. Die Abgabestelle in Liechtenstein herauszufinden, wäre unzumutbar gewesen. Die Anfrage an ein Meldeamt sei nicht möglich gewesen, weil der Ort in Liechtenstein, an den die Beschwerdeführerin verzogen sei, unbekannt gewesen sei. Außerdem bestünde mit Liechtenstein kein Rechtshilfeübereinkommen. Auch ein Befragen von Nachbarn wäre nicht in Betracht gekommen. Das Befragen der Eltern der Beschwerdeführerin wäre ebenfalls nicht ohne Schwierigkeiten möglich gewesen, weil zu viele Personen unter deren Familiennamen im Telefonbuch eingetragen seien.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf meritorische Erledigung ihrer Berufung verletzt. Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt deshalb Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und auf ihre Aktenvorlage an den Verfassungsgerichtshof verwiesen, bei dem sich die Beschwerdeführerin gegen die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte beschwert. Diese Verwaltungsakten wurden vom Verwaltungsgerichtshof eingesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustG ist gemäß § 56 Abs. 3 FinStrG im Verfahren nach den §§ 147 und 148 zulässig. Voraussetzung dafür ist, daß der Aufenthalt einer Person, die eines Finanzvergehens verdächtig ist, unbekannt ist. Hievon kann hier schon deshalb keine Rede sein, weil die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe sich jeweils an ihren Wohnsitzen polizeilich an- und abgemeldet (vgl. VwSlg. 3461 F/1966) nicht widerlegt wurde. Sowohl in Österreich als auch in Deutschland wäre daher der jeweilige Aufenthalt der Beschwerdeführerin unschwer durch Meldeauskünfte zu ermitteln gewesen. Daß dies in Liechtenstein nur deshalb nicht ebenso möglich gewesen wäre, weil die Beschwerdeführerin in Bayreuth bei ihrer Abmeldung nur Liechtenstein, nicht aber den Ort innerhalb dieses Staates angegeben habe, wurde im Verwaltungsverfahren nicht bewiesen, und ist im Hinblick auf die Größe des Fürstentums auch nicht offenkundig. Gleiches gilt für das Fehlen einer zentralen Meldeeinrichtung in Liechtenstein und deren Bereitschaft, Auskünfte zu erteilen, ohne daß es eines besonderen Abkommens der Staaten bedürfte. Der Akteninhalt spricht schon deshalb gegen die Annahme von Schwierigkeiten bei der Anschriftermittlung in Liechtenstein, weil es der Vollstreckungsstelle des Finanzamtes im Zusammenhang mit dem Versuch, die Strafe samt Anhang hereinzubringen, innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit möglich war, vom österreichischen Konsulat in Liechtenstein die genaue Anschrift der Beschwerdeführerin zu erfahren.

Unbekannt ist der Aufenthalt einer Person dann, wenn der Aufenthalt auch jenen Personen nicht bekannt ist, bei denen eine Kenntnis darüber vorausgesetzt werden kann (nahe Angehörige, Dienstgeber oder andere Personen, die in engem persönlichen oder geschäftlichen Kontakt mit der Person stehen), also auch dann, wenn sie an einer angegebenen Anschrift nicht erreicht werden und über ihren Verbleib dort nichts ermittelt werden kann (vgl. Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechts, Rz 543). Letzteres ist hier nicht der Fall. Zu denjenigen Personen, von denen erwartet werden kann, daß sie von dem Aufenthaltsort eines Auslandsösterreichers, noch dazu in einem benachbarten Kleinstaat, Bescheid wissen oder ihn zumindest ermitteln können, gehört auch die österreichische Vertretungsbehörde in diesem Staat. Es zählen dazu aber auch die Eltern der betreffenden Person, bei denen diese zuletzt in Österreich gewohnt hat. Da nicht feststeht, daß zur Zeit der Anordnung der Zustellung des Erkenntnisses des Spruchsenates die Voraussetzungen für die Annahme eines unbekannten Aufenthaltes der Beschwerdeführerin vorlagen, durfte die belangte Behörde nicht davon ausgehen, daß die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung zulässig war.

Anhaltspunkte dafür, daß die Finanzstrafbehörde einen Versuch unternommen hätte, den Aufenthalt der Beschwerdeführerin vor Anberaumung der mündlichen Verhandlung oder vor Zustellung des Erkenntnisses des Spruchsenates auf dem genannten Weg (Anfrage an österreichisches Konsulat in Liechtenstein, Nachfrage am letzten inländischen Wohnsitz in Salzburg, bei der die Behörde zwangsläufig auf die Eltern der Beschwerdeführerin gestoßen wäre) festzustellen, bestehen nicht. Der Mangel eines Rechtshilfeabkommens mit Liechtenstein stand solcher Aufenthaltsermittlung nicht im Wege.

Erstmals in der Gegenschrift - und damit im Sinne des § 41 VwGG verspätet - beruft sich die belangte Behörde auf handschriftliche Notizen auf einem Rückstandsausweis vom , von denen weder bekannt ist, wann noch von wem sie gemacht wurden, weshalb diese im Hinblick auf § 89 Abs. 2 BAO in Verbindung mit § 56 Abs. 2 FinStrG von der belangten Behörde zu Unrecht als "Aktenvermerk" der Vollstreckungsstelle des Finanzamtes bezeichnet werden. Abgesehen davon läßt sich auch dem Inhalt dieser Aufzeichnungen nicht entnehmen, daß im Jahre 1987 von den Eltern der Beschwerdeführerin deren Wohnsitz in Liechtenstein nicht hätte erfahren werden können.

Da die Beschwerdeführerin somit nicht unbekannten Aufenthaltes war, durfte die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung nicht erfolgen. Die Bekanntmachung hat daher die Zustellung nicht bewirkt. Die belangte Behörde hat sich folglich zu Recht auch selbst im angefochtenen Bescheid und in der Gegenschrift zur Begründung der Verspätung der Berufung nicht mehr auf § 56 Abs. 3 zweiter Satz FinStrG berufen.

Selbst unter der Voraussetzung unbekannten Aufenthaltes und damit der Zulässigkeit des Verfahrens gem. § 147 FinStrG gegen Personen unbekannten Aufenthaltes hätte aber die öffentliche Bekanntmachung gem. § 25 ZustG die Zustellung nicht bewirkt. Gemäß § 147 dritter Satz FinStrG hat nämlich die Finanzstrafbehörde erster Instanz, wenn die Wichtigkeit der Sache es erfordert, durch ein in ihrem Amtsbereich gelegenes Bezirksgericht einen Kurator bestellen zu lassen. Dieser Kurator hat im Verfahren die Rechte und rechtlichen Interessen des Beschuldigten wahrzunehmen. Ist auf Grund der Wichtigkeit der Sache die Veranlassung der Kuratorbestellung geboten, so ist für eine Zustellung an den unbekannten Aufenthaltes befindlichen Beschuldigten durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 56 Abs. 3 FinStrG iVm § 25 ZustG kein Raum, weil die Wahrnehmung der Rechte und rechtlichen Interessen für die Dauer der Abwesenheit nur mehr beim Kurator liegt. Im Hinblick auf die gesetzliche Strafdrohung kann im Beschwerdefall kein Zweifel daran bestehen, daß auf Grund der Wichtigkeit der Sache die Veranlassung der Kuratorbestellung geboten war. Die für die Strafdrohung bestimmenden Wertbeträge waren hinsichtlich der Hinterziehung lohnabhängiger Abgaben S 190.487,-- und hinsichtlich der Finanzordnungswidrigkeit S 607.136,--. Die Geldstrafdrohung belief sich daher gemäß § 33 Abs. 5, § 49 Abs. 2 und § 21 Abs. 2 FinStrG auf S 684.542,--. Daneben drohte noch gemäß § 33 Abs. 5, § 15 Abs. 3, § 58 Abs. 2 lit. a, § 21 Abs. 1 FinStrG zusätzlich eine Freiheitsstrafe von drei Monaten. Das Erkenntnis des Spruchsenates hätte daher, um den Lauf der Rechtsmittelfrist gegen den abwesenden Beschuldigten in Lauf zu setzen, an den für ihn vom Gericht bestellten Kurator zugestellt werden müssen.

Es ist daher noch zu klären, ob eine gemäß § 8 Abs. 2 ZustG zulässige Zustellung durch Hinterlegung erfolgt ist.

Der Beschwerdeführerin ist darin nicht zu folgen, sie sei nicht mehr gemäß § 8 Abs. 1 ZustG verpflichtet gewesen, der Finanzstrafbehörde die Änderung der bisherigen Abgabestellen unverzüglich mitzuteilen. Die Niederschrift über ihre Vernehmung vom vor der Finanzstrafbehörde I. Instanz gibt keinen Hinweis, daß die Beschwerdeführerin hätte damit rechnen können, das gegen sie eingeleitete Finanzstrafverfahren sei bereits beendet. Sie wurde nämlich ausdrücklich anläßlich dieser Vernehmung auf die bevorstehende Verhandlung vor dem Spruchsenat hingewiesen. Ihre Mitteilungspflicht ging auch nicht durch Zeitablauf unter.

Der belangten Behörde kann hingegen darin nicht gefolgt werden, daß die von § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 23 ZustG geforderte Hinterlegung beim Postamt, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde durch die öffentliche Bekanntmachung ersetzt würde, weil dieser größere Publizitätswirkung zukomme. Es handelt sich nämlich um völlig verschiedene Arten der Zustellung. Damit, daß diese von der Behörde auseinandergehalten werden, kann der Adressat rechnen und daher darauf vertrauen, daß er Nachforschungen über hinterlegte Sendungen lediglich bei den in § 23 ZustG genannten Stellen vornehmen muß. Daß eine Hinterlegung bei der Finanzstrafbehörde I. Instanz, bei der Post oder bei der Gemeinde tatsächlich durchgeführt wurde, ist allerdings den Verwaltungsakten nicht entnehmbar. Der erwähnte handschriftliche Zusatz auf der Anordnung der Benachrichtigung ist kein Vollzugsbericht über die erfolgte Hinterlegung. Schon aus diesem Grund hätte die belangte Behörde von einer gesetzmäßigen Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 8 Abs. 2 ZustG nicht ausgehen dürfen.

Es kann aber auch ihrer Meinung nicht beigetreten werden, die geänderte Abgabestelle wäre nicht ohne Schwierigkeiten festzustellen gewesen. Ob eine solche Feststellung ohne Schwierigkeiten möglich ist, muß nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden. Dabei ist auf den Zweck der Vorschrift Rücksicht zu nehmen. Dieser liegt in ungesäumter Fortführung, also einer Beschleunigung des Verfahrens. Insofern dient die Bestimmung auch der Erfüllung des Anspruches aus Art. 6 Abs. 1 MRK auf Entscheidung über eine strafrechtliche Anklage "innerhalb einer angemessenen Frist". Je weniger die Behörde unternimmt, um diesen Anspruch zu erfüllen, umso strenger sind daher auch die Anforderungen an die Schwierigkeiten, die einer Ermittlung der neuen Abgabestelle entgegenstehen müssen, anzusetzen, um eine Zustellung durch Hinterlegung zu erlauben. Eine solche verfassungskonforme Auslegung des § 8 Abs. 2 ZustG gebietet der Grundsatz eines fairen Verfahrens iSd Art. 6 MRK. Macht die Behörde nämlich von den Möglichkeiten zur Beschleunigung des Verfahrens keinen Gebrauch, sondern läßt sie die Zeit ungenützt verstreichen, darf sie sich aus Gründen der Fairneß auch nicht auf Schwierigkeiten der Ermittlung der neuen Abgabestelle berufen, die nur unter dem Gesichtspunkt einer raschen Abwicklung des Verfahrens als solche angesehen werden können.

Aus dieser Sicht ist der Beschwerdeführerin darin beizupflichten, daß von solchen Schwierigkeiten, die die Hinterlegung erlaubt hätten, im Beschwerdefall nicht gesprochen werden kann:

Die Finanzstrafbehörde I. Instanz blieb nämlich nach der Aktenlage ohne jeden erkennbaren Grund vom Juli 1982 bis Februar 1987, also mehr als viereinhalb Jahre, völlig untätig. Dies ist ein Zeitraum, der die Verjährungsfrist nach § 31 Abs. 2 FinStrG teils überschreitet, teils nahezu erreicht. Im Hinblick auf diesen zur Ermittlung der geänderten Abgabestelle zur Verfügung stehenden Zeitraum kann in einer naheliegenden Anfrage bei den Meldebehörden in Salzburg und in Deutschland, in einer Anfrage an das österreichische Konsulat in Liechtenstein oder einer auszuforschenden Zentralmeldestelle dieses Staates und in einer Erhebung an der letzten inländischen Adresse, bei der die Eltern der Beschwerdeführerin angetroffen worden wären, keine Schwierigkeit im Sinne des § 8 ZustG erblickt werden. Dafür, daß diese Schritte als von vornherein aussichtslos unterbleiben durften, bietet der festgestellte Sachverhalt und die Aktenlage keinen ausreichenden Anhaltspunkt. So ist es etwa nicht offenkundig, daß in Ermangelung eines Rechtshilfeübereinkommens mit Liechtenstein dessen Meldestellen keine Meldeauskünfte an österreichische Finanzstrafbehörden beantworteten und auch dem Konsulat der Republik Österreich in Liechtenstein eine Ermittlung von Adressen österreichischer Staatsbürger in diesem Staat nicht möglich wäre. Das Gegenteil belegt der bereits oben erwähnte Erfolg der Vollstreckungsstelle des Finanzamtes im Jahre 1988. Ersuchen um Auskünfte im Ausland, die nicht mit Sanktionsdrohungen verbunden sind, stehen völkerrechtliche Schranken unter dem Gesichtspunkt des Eingriffes in die Hoheitsrechte des betreffenden anderen Staates nicht entgegen (Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 90/18/0091).

Die belangte Behörde durfte daher auch aus diesem Grund nicht von einer gesetzmäßigen Zustellung nach § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 23 ZustG ausgehen.

Folglich hat sie die Rechtslage verkannt und die Beschwerdeführerin dadurch im Rahmen des Beschwerdepunktes in ihren Rechten verletzt, was zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG führen mußte.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Danach steht neben dem Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand ein Ersatz von Umsatzsteuer nicht zu. Das hierauf entfallende Aufwandersatzmehrbegehren war abzuweisen.