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VwGH vom 22.02.1995, 94/15/0002

VwGH vom 22.02.1995, 94/15/0002

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

94/15/0007

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden des Dr. M, Rechtsanwalt in K, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des H, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland 1) vom , Zl. GA 7-1447/93, betreffend Einstellung und Aufschiebung der Vollstreckung, und 2) vom , Zl. GA 7-1447/1/93, betreffend Freihandverkauf, zu Recht erkannt:

Spruch

Der erstangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der zweitangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 25.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit Bescheid vom gab das Finanzamt dem Antrag des Beschwerdeführers als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des H auf Einstellung der Vollstreckung durch Pfändung und Verkauf von beweglichen Sachen wegen rückständiger Abgabenschuldigkeiten in Höhe von S 404.643,50 nur hinsichtlich bestimmter gepfändeter Gegenstände, nicht aber hinsichtlich der im Pfändungsprotokoll unter PZ 16, 19 und 21 bis 24 angeführten Gegenstände (kleiner Nirostatisch mit einer Lade, Eisvitrine "Cof R 9 L", Warmhaltekasten "Miges", vierleitiger Durchlaufkühler und zwei überdachte bzw. mit Plane versehene Verkaufsstände aus Fichte mit einem Schätzwert von insgesamt S 51.500,--) statt.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, auch die oben angeführten Gegenstände würden zur weiteren Fortführung des gemeinschuldnerischen Betriebes benötigt. Aus dem Umstand, daß sich die genannten Gegenstände "derzeit" nicht in den Geschäftsräumlichkeiten des gemeinschuldnerischen Betriebes befänden, könne nicht darauf geschlossen werden, daß für diese Gegenstände das Pfändungsverbot des § 29 Abs. 1 Z. 6 AbgEO nicht gelte.

Der Beschwerdeführer beantragte im Berufungsschriftsatz hinsichtlich der in Rede stehenden Gegenstände weiters die Aufschiebung der Vollstreckung gemäß § 18 Z. 1 und 3 AbgEO.

Seine abweisliche Berufungsvorentscheidung begründete das Finanzamt damit, daß die genannten Gegenstände für die Fortführung des Betriebes des Gemeinschuldners nicht notwendig seien; dies gehe daraus hervor, daß sich diese Gegenstände schon im Zeitpunkt ihrer Pfändung am an einem Verwahrungsort befunden hätten und vom Gemeinschuldner zur Besicherung angeboten worden seien, weil er diese nicht unbedingt zur Fortführung des Lokales benötige; weiters daraus, daß diese Gegenstände auch seither an diesem Verwahrungsort bzw. beim Finanzamt eingelagert seien, ohne den Geschäftsbetrieb des Gemeinschuldners einzuschränken. Der Gemeinschuldner habe darüberhinaus erklärt, einige Gegenstände bereits wegen Unbrauchbarkeit weggegeben zu haben.

Im Hinblick auf diese Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt auch den Antrag auf Aufschiebung der Vollstreckung gemäß § 18 Z. 1 und 3 AbgEO bescheidmäßig ab.

In seinem Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz bezog sich der Beschwerdeführer auf die bereits in der Berufung angeführten Gründe für die Einstellung der Vollstreckung. Außerdem erhob er gegen den die Aufschiebung der Vollstreckung gemäß § 18 AbgEO abweisenden Bescheid Berufung.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde beide erwähnten Berufungen ab und verwies hinsichtlich der Begründung auf die erwähnte Berufungsvorentscheidung und auf die Begründung des Bescheides des Finanzamtes, mit dem der Antrag auf Aufschiebung der Vollstreckung abgewiesen worden war.

II.

Mit Bescheid des Finanzamtes vom wurde hinsichtlich der unter I. schon näher bezeichneten gepfändeten Gegenstände PZ 16, 19 und 21 bis 24 gemäß § 50 Abs. 1 Z. 2 AbgEO der Verkauf aus freier Hand durch einen Vollstrecker angeordnet; dies mit der Begründung, daß bei der Versteigerung am das geringste Gebot hinsichtlich dieser Gegenstände nicht erreicht worden sei.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer wie auch schon zu Punkt I. aus, daß die eben angeführten Gegenstände zur Fortführung des gemeinschuldnerischen Betriebes benötigt würden.

Nach abweislicher Berufungsvorentscheidung und Stellung des Antrages auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wies die belangte Behörde die Berufung unter Bezugnahme auf die in der Berufungsvorentscheidung gegebene Begründung ab.

Gegen diese Bescheide richten sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihren Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres engen persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden; er hat sodann erwogen:

1. Zum erstangefochtenen Bescheid:

Gemäß § 29 Z. 6 AbgEO sind unter anderem bei Handwerkern und Kleingewerbetreibenden die zur persönlichen Fortsetzung der Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenstände der Vollstreckung entzogen.

Durch diese mit § 251 Z 6 EO inhaltsgleiche Bestimmung soll die Fortführung des Betriebes des Schuldners in seinem bisherigen Umfang mit den bisherigen Mitteln sichergestellt werden. Es soll verhindert werden, daß derBetrieb durch die Entziehung von Betriebsmitteln unrentabel wird (vgl. Reeger-Stoll, AbgEO, 89 zu § 29, und MGA, EO12, E 76 zu § 251).

Ob ein Gegenstand der Exekution entzogen ist, ist grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Pfändung zu beurteilen, auch wenn nachträglich die Voraussetzungen der Unpfändbarkeit weggefallen sind. Eine gegen die zitierten Vorschriften verstoßende Pfändung ist aufzuheben, auch wenn zur Zeit des Einstellungsantrages die Voraussetzungen der Unpfändbarkeit nicht mehr gegeben sind (vgl. MGA, a.a.O., E 15 und 19 zu § 251).

Im Beschwerdefall hat das Finanzamt die strittigen Gegenstände am gepfändet, das gemeinschuldnerische Unternehmen wurde aber erst am eingestellt und am verkauft. Allein dieser der Pfändung nachfolgenden Ereignisse wegen erscheint daher der erstangefochtene Bescheid noch nicht rechtmäßig. Vielmehr ist bei der Prüfung seiner Rechtmäßigkeit auf die Verhältnisse am abzustellen.

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung behauptet, daß auch die strittigen Gegenstände für die weitere Fortführung des gemeinschuldnerischen Betriebes benötigt würden. Das Finanzamt gelangte zwar in seiner Berufungsvorentscheidung zur gegenteiligen Feststellung, der Beschwerdeführer bestritt dies jedoch in seinem Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz unter Hinweis auf die in der Berufung angeführten Gründe.

Der Vorwurf der Verletzung von Verfahrensvorschriften in einem wesentlichen Punkt ist im Beschwerdefall berechtigt. Zwar trifft es nicht zu, daß die Begründung des angefochtenen Bescheides der darin enthaltenen Verweisung auf die Berufungsvorentscheidung wegen mangelhaft ist. Die belangte Behörde hat es aber verabsäumt, die vom Beschwerdeführer im Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz durch Verweisung auf seine Berufung, in der er wiederum auf seine ausführlichen Beweisanträge im Einstellungsantrag vom weiterverwiesen hat, zum strittigen Sachvorbringen angebotenen Beweise (neben seiner Einvernahme auch Zeugenbeweis durch den Gemeinschuldner und Urkundenbeweis durch den Akt S 21/93 des Landesgerichtes Krems) aufzunehmen. Ausgehend von dem oben zur Zielsetzung des § 251 Z. 6 EO Gesagten fehlen im Beschwerdefall Sachverhaltsfeststellungen, auf deren Grundlage sich beurteilen ließe, ob im Zeitpunkt der Pfändung der strittigen Gegenstände diese zur Fortführung eines rentablen Betriebes des Gemeinschuldners benötigt wurden, m. a.W., ob nur mit Hilfe dieser Gegenstände die Konkurrenzfähigkeit seines Betriebes hätte erhalten werden können (vgl. Heller-Berger-Stix, Kommentar zur EO, 1660, 1664; MGA, EO12, E 76 zu § 251). Der in der Unterlassung entsprechender Sachverhaltsfeststellungen zu erblickende Verfahrensmangel ist auch wesentlich, weil nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Auf Grund dieser Erwägungen mußte der erstangefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

2. Zum zweitangefochtenen Bescheid:

Eine Verwertung von gepfändeten Gegenständen gemäß § 50 AbgEO ist ebenso wie eine Verwertung solcher Gegenstände durch öffentliche Versteigerung hinsichtlich von Gegenständen, die gemäß § 29 AbgEO der Vollstreckung entzogen sind, unzulässig.

Die belangte Behörde hätte daher auch in dem die Anordnung des Verkaufes aus freier Hand durch einen Vollstrecker anordnenden Verfahren den Einwand des Beschwerdeführers beachten müssen, daß die von der Anordnung betroffenen Gegenstände der Vollstreckung entzogen sind.

Indem die belangte Behörde dies offenbar in Verkennung des Gesetzes verabsäumte, belastete sie den zweitangefochtenen Bescheid mit der behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weswegen dieser Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden werden mußte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.