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VwGH vom 25.11.1999, 99/15/0162

VwGH vom 25.11.1999, 99/15/0162

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der M KG in B, vertreten durch Czerwenka & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Rudolfsplatz 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom , Zl. RV 705/1-V6/98, betreffend Haftung für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum bis , zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 15.000 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aufgrund einer Kontrollmitteilung der Betriebsprüfung, wonach die beschwerdeführende KG ihrer Dienstnehmerin GP - sie habe in Bregenz einen neuen Mittelpunkt der Lebensinteressen begründet - Tagesgelder für den Aufenthalt in Bregenz steuerfrei ausbezahlt habe, führte das Finanzamt eine Lohnsteuerprüfung durch.

Im Bericht über die Lohnsteuerprüfung wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin ein Kino und ein Buffet (in Bregenz) betreibe und ihre Betriebsstätte iSd § 81 EStG in 4320 Perg gelegen sei. Die an die Dienstnehmerin GP im Prüfungszeitraum 1992 bis 1996 bezahlten Reisekostenersätze könnten nicht als steuerfrei anerkannt werden, weil die Dienstnehmerin aufgrund der Häufigkeit der Dienstreisen nach Bregenz dort einen neuen Mittelpunkt der Tätigkeit begründet habe.

In der Berufung gegen die Bescheide, mit welchen die Beschwerdeführerin zur Haftung für Lohnsteuer herangezogen wurde und ihr Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag vorgeschrieben wurden, brachte die Beschwerdeführerin vor, aus Anlass einer Dienstreise bezahlte Fahrtkostenvergütungen sowie Tages- und Nächtigungsgelder unterlägen nicht der Einkommensteuer. Die Berufung wende sich gegen die Versteuerung der Fahrtkostenvergütung und der Tagesgelder. GP sei von der Beschwerdeführerin für Dienstverrichtungen in Wien angestellt worden, habe aber einen weiteren Mittelpunkt ihrer beruflichen Tätigkeit bei der Beschwerdeführerin in Bregenz begründet. In Wien habe GP auch ihren ständigen Wohnort (Familienwohnsitz), während ihr in Bregenz von der Beschwerdeführerin bloß eine Schlafmöglichkeit zur Verfügung gestellt werde. Im gegenständlichen Fall lägen Dienstreisen iSd zweiten Tatbestandes des § 26 Z. 4 EStG 1988 vor. GP sei für den Dienstort Wien aufgenommen worden und versehe dort tatsächlich und regelmäßig ihren Dienst. Wenn sie vom Arbeitgeber zur Durchführung von Dienstverrichtungen an den (weiteren) Dienstort Bregenz geschickt werde und dort oft längere Zeit arbeiten müsse, befinde sie sich auf Dienstreise. Von Bregenz aus fahre GP nicht täglich zu ihrem Familienwohnsitz nach Wien zurück, sondern übernachte in der dort von der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellten Schlafstelle. Bei dieser Sachlage entspreche die Lohnsteuerpflicht für die Fahrtkostenvergütung und für die Tagesgelder nicht dem Gesetz.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt aus, bei einer Dienstreise nach dem zweiten Tatbestand des § 26 Z. 4 EStG 1988 werde der Arbeitsort erst nach einem Zeitraum von sechs Monaten zum Mittelpunkt der Tätigkeit. Ab dem siebten Monat gezahlte Tagesgelder seien steuerpflichtig. Kehre der Arbeitnehmer innerhalb der sechs Monate neuerlich an den seinerzeitigen Arbeitsort zurück, könne unter Einrechnung der dort bereits verbrachten Arbeitszeit nur die restliche, auf die Sechsmonatsfrist entfallende Zeitspanne anerkannt werden. Im gegenständlichen Fall sei die Sechsmonatsfrist bereits 1990 überschritten worden.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wird vorgebracht, das Finanzamt habe Fahrtkostenvergütungen und Tagesgelder im Hinblick auf das Verstreichen einer Frist von sechs Monaten nicht anerkannt. Diese Frist von sechs Monaten finde sich in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht. Die Dienstnehmerin GP sei für Dienstverrichtungen am Dienstort Wien aufgenommen worden. Sie arbeite zwar jeweils vorübergehend einige Zeit pro Monat in Bregenz, ansonsten aber immer in Wien. Sie sei niemals ununterbrochen sechs Monate in Bregenz gewesen.

Mit Vorhalt vom teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit, aus der Aktenlage sei nur eine in Bregenz gelegene Betriebsstätte ersichtlich. Es sei der Behörde zwar bekannt, dass der Komplementär und Geschäftsführer der Beschwerdeführerin AW in Wien ein Architekturbüro unterhalte, an welchem sich GP gelegentlich aufhalte, ohne aber in einem Dienstverhältnis zu AW zu stehen. Dieses rechtlich selbständige Objekt könne aber nicht eine Betriebsstätte der Beschwerdeführerin darstellen.

Im Antwortschreiben vom führt die Beschwerdeführerin aus, sie betreibe in Bregenz Lichtspiele (Filmvorführungen) und eine Kaffeehaus. Die hiefür erforderlichen Verwaltungs- und Büroarbeiten, wie insbesondere die Programmierung und die Korrespondenz, würden vorwiegend in Wien verrichtet, weil insb. die Filmverleiher und die Lieferanten Sitz bzw. Büro in Wien hätten und daher der Kontakt von Wien aus leichter und vor allem wirtschaftlicher zu bewerkstelligen sei. GP sei in Wien für die in Wien anfallenden Verwaltungs- und Büroarbeiten der Beschwerdeführerin aufgenommen worden. Der Dienstort iSd lohnsteuerlichen Vorschriften sei daher in Wien gelegen. Es sei unerheblich, ob auch eine Betriebsstätte iSd § 29 BAO gegeben sei. Für die in Wien zu verrichtenden Arbeiten habe AW seine Büroräumlichkeiten in Wien zur Verfügung gestellt, sodass sich die Beschwerdeführerin die Anmietung eigener Räume erspart habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Bei einer Dienstreise nach dem zweiten Tatbestand des § 26 Z. 4 EStG 1988 werde der Arbeitsort nach einem Zeitraum von sechs Monaten zu einem Mittelpunkt der Tätigkeit. Kehre der Arbeitnehmer innerhalb der sechs Monate an den seinerzeitigen Arbeitsort zurück, könne nur die restliche, auf die Sechsmonatsfrist entfallende Zeitspanne als Dienstreise gewertet werden. GP sei am bei der Beschwerdeführerin eingetreten und habe bereits im ersten Dienstjahr eine rege Reisetätigkeit (mit 205 Reisetagen) von Wien nach Bregenz und zurück entfaltet. Die Anzahl der Tage, an denen GP im Prüfungszeitraum auf Reise gewesen sei, stelle sich wie folgt dar:

1992: 204, 1993: 183, 1994: 140, 1995: 169. Von einer Dienstreise iSd § 26 EStG könne keine Rede sein, wenn der Dienstnehmer eine Tätigkeit an einem Ort außerhalb der üblichen Entfernung von seinem Familienwohnsitz aufgenommen habe. Eine Dienstreise wäre aber beispielsweise dann anzunehmen, wenn eine Hotelkette mit Sitz in Wien Arbeitnehmer für den Dienstort Wien aufgenommen und sie dann vorübergehend in ihrem Hotel am Arlberg beschäftigt hätte. Für die Dienstnehmerin GP sei allerdings die dienstliche Anwesenheit großteils am Unternehmensort in Bregenz und nicht in Wien erforderlich gewesen. Anders als im genannten Beispiel der Hotelkette habe daher keine Notwendigkeit bestanden, GP in Wien anzustellen. Soweit das Tätigwerden der Dienstnehmerin GP in Wien als sinnvoll anzusehen sei, müsse, weil die Beschwerdeführerin in Wien über keine Betriebsstätte verfüge, aufgrund der Anordnung des § 26 Z. 4 EStG 1988 an Stelle des Betriebsortes der Wohnort der Dienstnehmerin als Beginn der Dienstreise angesehen werden; dass aber die Dienstnehmerin GP Dienstreisen von ihrem Wohnort aus angetreten habe, werde von der Beschwerdeführerin nicht behautet.

Die Berufung sei daher unbegründet.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der

Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde ist dem Vorbringen der

Beschwerdeführerin, wonach sich für die Dienstnehmerin GP zwei Mittelpunkte der Tätigkeiten (einer in Wien, einer in Bregenz) ergeben haben, nicht entgegengetreten. Von missbräuchlichen Gestaltungen abgesehen hat die Abgabenbehörde nicht zu prüfen, ob der Arbeitgeber den Einsatzort seiner Dienstnehmer sinnvoll wählt. In diesem Zusammenhang ist es nicht von Bedeutung, dass sich ein Tätigkeitsmittelpunkt in Räumen befindet, die nicht der Beschwerdeführerin, sondern ihrem Komplementär gehören. Im Übrigen muss der Tätigkeitsmittelpunkt eines Dienstnehmers nicht in einer Betriebsstätte des Arbeitgebers gelegen sein; dies wird etwa bei Außendienstmitarbeitern oftmals nicht der Fall sein.

Die Dienstnehmerin GP hatte einen Arbeitsort in Wien und wurde vom Arbeitgeber regelmäßig zu ihrem weiteren Arbeitsort in Bregenz gesandt. Die belangte Behörde hat die Rechtslage verkannt, weil sie die Fahrtkostenvergütungen für solche Fahrten nicht als Bezüge nach § 26 Z. 4 EStG eingestuft hat. Für die Frage der Besteuerung der Kostenersätze durch den Arbeitgeber bei Fahrten zwischen zwei Arbeitsorten kommt es weder auf das Unter- bzw. Überschreiten eines Zeitraumes von sechs Monaten an noch auf den Umstand, ob der Dienstnehmer mehr Zeit am einen oder am anderen Dienstort verbringt. Es wirkt sich auf die Höhe der Fahrtkosten auch nicht aus, ob die Reise von Wien aus (Wien-Bregenz-Wien) angetreten wird oder von Bregenz aus (Bregenz-Wien-Bregenz). Somit hat die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage den Fahrtkostenersatz als steuerpflichtigen Bezug behandelt.

Eine andere Beurteilung haben die Tagesgelder zu erfahren. Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass dem Steuerpflichtigen, die sich nicht auf Reise befindet, ebenfalls Aufwendungen für die auswärtige Verpflegung (Gasthausessen) anfallen und Reisen daher nicht zwangsläufig mit Mehraufwendungen für die Verpflegung verbunden sind. Gründe der Einkommensteuersystematik und auch gleichheitsrechtliche Überlegungen verbieten es, Verpflegungsaufwendungen steuerlich zu berücksichtigen, es sei denn, es liegt tatsächlich ein Mehraufwand im Verhältnis zu dem jedem im Berufsleben stehenden Steuerpflichtigen erwachsenden (und steuerlich nicht gesondert berücksichtigten) Aufwand vor.

Der Verwaltungsgerichtshof ist dabei zu der Auffassung gelangt, dass jener Verpflegungsmehraufwand, der durch ein Tagesgeld iSd § 26 Z. 4 lit. b EStG 1988 abgedeckt werden soll, zu Beginn des Aufenthaltes an einem neuen Ort erwächst. Dieser Verpflegungsmehraufwand ist aber bei einem längeren Aufenthalt an einem bestimmten Ort (etwa ab einer Woche) nicht mehr gegeben; dann entspricht der Verpflegungsaufwand (mit Ausnahme jenem für das Frühstück, welches gemäß § 26 Z. 4 lit. c zusammen mit den Nächtigungskosten erfasst wird) jenem den Berufstätigen, die sich zwar nicht auf Reise befinden, aber auswärts verpflegen. Bei Anwendung des § 26 Z. 4 lit. b EStG 1988 ist daher eine entsprechende teleologische Reduktion vorzunehmen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 94/13/0253, und vom , 96/15/0097).

Da sich die Dienstnehmerin GP unstrittig schon vor dem Streitzeitraum länger in Bregenz aufgehalten hat, hat die belangte Behörde die Tagesgelder zu Recht als steuerpflichtigen Bezug angesehen.

Der angefochtene Bescheid war im Hinblick auf den Fahrtkostenersatz gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994.

Wien, am