VwGH vom 27.02.2003, 99/15/0143
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des P in B, vertreten durch Dr. Gerald Kreuzberger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 10/I, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , GZ AO 720/9-8/99, betreffend Aufhebung nach § 299 BAO (Einkommensteuer 1995 und 1997), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH.
Aus den den Einkommensteuererklärungen 1995 bis 1997 beigelegten Aufstellungen der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben ist ersichtlich, dass er von der Möglichkeit der Pauschalierung nach § 17 Abs 1 EStG 1988 (Betriebsausgaben in Höhe von 12% der Umsätze, ab 1997 aufgrund der Novelle BGBl 201/1996:
6% der Umsätze) Gebrauch gemacht hat. Mit dem Einkommensteuerbescheid 1995 (Ausfertigungsdatum ), und mit dem Einkommensteuerbescheid 1996 (Ausfertigungsdatum ) führte das Finanzamt eine erklärungsgemäße Veranlagung durch.
Im Bericht über eine im April 1998 durchgeführte abgabenbehördlichen Prüfung ist festgehalten, der Beschwerdeführer habe begehrt, für 1995 die tatsächlichen Betriebsausgaben (102.429 S) an Stelle des Pauschalsatzes (51.650 S) zum Ansatz zu bringen. Dem werde entsprochen. Für 1996 habe der Beschwerdeführer zwar wiederum den Ansatz des Pauschales (118.690 S) beantragt; der Verzicht auf die Pauschalierung binde den Beschwerdeführer jedoch für fünf Jahre, weshalb auch für 1996 die tatsächlichen Betriebsausgaben (57.223 S) anzusetzen seien.
Den Prüfungsfeststellungen folgend nahm das Finanzamt mit Bescheiden vom die Verfahren betreffend Einkommensteuer 1995 und 1996 wieder auf und erließ entsprechende Sachbescheide. Gegen den Einkommensteuerbescheid 1996 brachte der Beschwerdeführer die Berufung vom ein, in welcher er begehrte, für dieses Jahr die Betriebsausgaben nach § 17 Abs 1 EStG 1988 zu ermitteln.
Die Einkommensteuererklärung 1997, welcher die Ermittlung der Betriebsausgaben nach § 17 Abs 1 EStG 1988 zugrundelag, wurde am beim Finanzamt eingereicht. Am reichte der Beschwerdeführer eine berichtigte Einkommensteuererklärung ein. Dieser lag eine Einnahmen-Ausgaben-Rechung zugrunde, bei welcher die tatsächlich angefallenen Betriebsausgaben (im Wesentlichen Kfz-Kosten von 340.997,50 S) angesetzt wurden.
Im Einkommensteuerbescheid 1997 (Ausfertigungsdatum ) setzte das Finanzamt die Steuer der berichtigen Einkommensteuererklärung entsprechend fest.
Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Einkommensteuerbescheid 1995 vom und den Einkommensteuerbescheid 1997 gemäß § 299 Abs 2 BAO wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Für 1995 sei - im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung - dem Begehren des Beschwerdeführers auf Ansatz der tatsächlichen Betriebsausgaben Folge gegeben worden. Auch für das Jahr 1996 habe das Finanzamt - der Auffassung des Betriebsprüfers folgend - im wiederaufgenommenen Verfahren die tatsächlichen Betriebsausgaben angesetzt. Nach Ansicht der belangten Behörde sei ein Abgehen von der einmal gewählten Pauschalierung im betreffenden Jahr in sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs 2 EStG nur nach Zustimmung der Finanzbehörde und nur bei Vorliegen wirtschaftlicher Gründe möglich. Wirtschaftliche Gründe lägen nicht vor, wenn der nachträgliche Wechsel der Gewinnermittlungsart bloß der Erlangung eines zunächst nicht erkannten steuerlichen Vorteiles diene. Im vorliegenden Fall diene der nachträgliche Wechsel von der sogenannten Basispauschalierung auf den Ansatz der tatsächlichen Betriebsausgaben nach den allgemeinen Vorschriften des § 4 Abs 3 EStG in den Jahren 1995 bis 1997 offensichtlich ausschließlich dazu, einen steuerlichen Vorteil zu erlangen. Dieser Umstand sei vom Finanzamt bei Erlassung der Einkommensteuerbescheide 1995 bis 1997 unbeachtet geblieben. Die Einkommensteuerbescheide seien daher inhaltlich rechtswidrig, weshalb die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1997 im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gemäß § 299 BAO aufzuheben seien.
Hinsichtlich Einkommensteuer 1996 gab das Finanzamt in der Folge mit Berufungsvorentscheidung vom der Berufung Folge und legte der Einkommensberechnung die nach § 17 Abs 1 EStG 1988 ermittelten Betriebsausgaben zugrunde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 17 Abs 1 bis 3 EStG 1988 lautet:
"(1) Bei den Einkünften aus einer Tätigkeit im Sinne des § 22 oder des § 23 können die Betriebsausgaben im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 mit einem Durchschnittssatz ermittelt werden. Der Durchschnittssatz beträgt bei freiberuflichen oder gewerblichen Einkünften aus einer kaufmännischen oder technischen Beratung, einer Tätigkeit im Sinne des § 22 Z 2 sowie aus einer schriftstellerischen, vortragenden, wissenschaftlichen, unterrichtenden oder erzieherischen Tätigkeit 6%, sonst 12% der Umsätze (§ 125 Abs. 1 lit. a der Bundesabgabenordnung) einschließlich der Umsätze aus einer Tätigkeit im Sinne des § 22. Daneben dürfen nur folgende Ausgaben als Betriebsausgaben abgesetzt werden: Ausgaben für den Eingang an Waren, Rohstoffen, Halberzeugnissen, Hilfsstoffen und Zutaten, die nach ihrer Art und ihrem betrieblichen Zweck in ein Wareneingangsbuch (§ 128 BAO) einzutragen sind oder einzutragen wären, sowie Ausgaben für Löhne (einschließlich Lohnnebenkosten) und für Fremdlöhne, soweit diese unmittelbar in Leistungen eingehen, die den Betriebsgegenstand des Unternehmens bilden, weiters Beiträge im Sinne des § 4 Abs. 4 Z 1. § 4 Abs. 3 vorletzter Satz ist anzuwenden.
(2) Die Anwendung des Durchschnittssatzes gemäß Abs. 1 setzt voraus, dass
1. keine Buchführungspflicht besteht und auch nicht freiwillig Bücher geführt werden, die eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 ermöglichen,
2. die Umsätze (§ 125 Abs. 1 lit. a der Bundesabgabenordnung einschließlich der Umsätze aus einer Tätigkeit im Sinne des § 22) des vorangegangenen Wirtschaftsjahres nicht mehr als 220 000 Euro betragen,
3. aus der Aufstellung der Betriebsausgaben (§ 44 Abs. 4) hervorgeht, dass der Steuerpflichtige von der Pauschalierung Gebrauch macht.
(3) Geht der Steuerpflichtige von der Ermittlung der Betriebsausgaben mittels des Durchschnittssatzes gemäß Abs. 1 auf die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 auf die Geltendmachung der Betriebsausgaben nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften über, so ist eine erneute Ermittlung der Betriebsausgaben mittels des Durchschnittssatzes gemäß Abs. 1 frühestens nach Ablauf von fünf Wirtschaftsjahren zulässig."
Im Spruch des angefochtenen Bescheides wird zum Ausdruck gebracht, dass die an den Beschwerdeführer gerichteten Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Einkommensteuer 1995 und vom betreffend Einkommensteuer 1997 aufgehoben werden. In der Bescheidbegründung wird im Einzelnen das Verwaltungsverfahren und der Zusammenhang zu den Einkommensteuererklärungen des Beschwerdeführers dargestellt. Die den Beschwerdeführer betreffenden Einkommensteuerbescheide sind nun zwar nicht vom Finanzamt Graz-Stadt, sondern vom Finanzamt Feldbach erlassen worden. Bei dieser Fehlbezeichnung handelt es sich aber offenkundig um einen Schreibfehler oder eine auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche Unrichtigkeit iSd § 293 BAO. Der Spruch des angefochtenen Bescheides lässt in Zusammenhang mit der Bescheidbegründung völlig unzweifelhaft erkennen, auf welche Einkommensteuerbescheide sich die Verfügung der Aufhebung nach § 299 BAO bezieht.
Der angefochtene Bescheid geht von der Rechtsauffassung aus, der Steuerpflichtige, der in einer der Abgabenerklärung beigelegten Einnahmen-Ausgaben-Erklärung zu erkennen gegeben habe, dass er von der Pauschalierung nach § 17 Abs 1 EStG 1988 Gebrauch mache, könne für dieses Veranlagungsjahr nur nach den Grundsätzen, die § 4 Abs 2 leg. cit für die Bilanzänderung vorgebe, von der Entscheidung abweichen und die tatsächlichen Betriebsausgaben in Abzug bringen.
Diese Rechtsauffassung ist unrichtig. Das Gesetz hindert den Steuerpflichtigen nicht, für ein bestimmtes Veranlagungsjahr von der zunächst gewählten Pauschalierung nach § 17 Abs 1 EStG 1988 abzugehen und die tatsächlichen Betriebsausgaben in Ansatz zu bringen. Der Steuerpflichtige ist nicht gehindert, von der Option, den Gewinn im Wege der Pauschalierung iSd § 17 Abs 1 zu ermitteln, wieder zurückzutreten (vgl sinngemäß zur Ausübung eines Wahlrechtes in der berichtigen Steuererklärung das hg Erkenntnis vom , 91/13/0062). Erfolgt ein solcher Rücktritt, obwohl für nachfolgende Jahre eine Veranlagung unter Zugrundelegung der Pauschalierung nach § 17 Abs 1 EStG 1988 stattgefunden hat, ermöglicht § 295 Abs 3 BAO eine Änderung der die Folgejahre betreffenden Bescheide, um der Bestimmung des § 17 Abs 3 EStG 1988 - Verbot der Pauschalierung für die folgenden fünf Jahre - zu entsprechen.
Die Regelung betreffend die Bilanzänderung nach § 4 Abs 2 vorletzter und letzter Satz EStG 1988 bezieht sich darauf, dass innerhalb der Gewinnermittlungsart durch Betriebsvermögensvergleich Wahlrechte nachträglich anderes ausgeübt werden. Die Regelung ist in keiner Weise anwendbar auf die Wahl der Gewinnermittlungsart selbst, also auf die nachträgliche Änderung einer bereits getroffenen Entscheidung über die Gewinnermittlungsart.
Im Übrigen ist den Ausführungen der belangten Behörde, die Vorgangsweise des Beschwerdeführers habe einzig dazu gedient, einen steuerlichen Vorteil zu erlangen, entgegenzuhalten: Nach allgemeinen Erfahrung nehmen Steuerpflichtige, denen die Möglichkeit der Pauschalierung offen steht, dennoch eine Gewinnermittlung nach allgemeinen Grundsätzen vor und entscheiden sich nach Ablauf eines Jahres - innerhalb der vom Gesetz vorgegebenen Schranken -, ob sie von der Pauschalierung Gebrauch machen oder nicht. Solcherart ist es geradezu vom Zweck der Pauschalierungsregelungen umfasst, dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zu bieten, die jeweils steuerlich günstigere Variante zu wählen.
Die belangte Behörde hat sohin die Rechtslage verkannt und den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am