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VwGH vom 30.11.1999, 94/14/0085

VwGH vom 30.11.1999, 94/14/0085

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des G P in M, vertreten durch Dr. Hans Heißl, Rechtsanwalt in Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 21/4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom , Zl 30.214-3/94, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1988 bis 1990, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist selbstständiger Handelsvertreter (in der Textilbranche) und bezieht als solcher Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Seinen Gewinn ermittelt er gemäß § 4 Abs 1 EStG.

In seinen Rechenwerken der Jahre 1988 bis 1990 machte der Beschwerdeführer unter dem Titel Kollektionsmaterial rd S 133.000,-- (1988), S 127.000,-- (1989) und S 167.000,-- (1990) als Aufwand geltend.

Anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, dass sämtliche Kollektionen ausschließlich bei der Firma G bezogen worden seien. Für derartige Kollektionen gewähre die Firma G jeweils einen Rabatt in Höhe von 50 %, bezogen auf den (normalen) Listenpreis. Es sei dem Beschwerdeführer gestattet, "überschüssige" Kollektionsteile, für welche er keine Verwendung habe, an die Firma G zu retournieren. Für zurückgegebene Ware würden Gutschriften ausgestellt. Bei den geltend gemachten Aufwandsbeträgen handle es sich um bezogene und nicht zurückgegebene Kollektionswaren.

Über Befragen des Prüfers nach dem Verwendungszweck bzw Verbleib dieser Kollektionen sei erklärt worden, dass sie bei diversen Vorführungen von Models getragen, nach der Vorführung, soweit noch verwendbar, verschenkt bzw von vornherein an verschiedene Kunden zu Werbezwecken unentgeltlich abgegeben (verschenkt) worden seien. Zum Zweck der Überprüfung dieser Angaben sei daher an den Beschwerdeführer die Aufforderung ergangen, die jeweiligen Empfänger dieser Kollektionen mit Namen und Anschrift, Stückzahl und betragsmäßiger Erfassung nachzuweisen. In der Folge habe jedoch kein einziger Empfänger konkret nachgewiesen werden können, es sei lediglich allgemein darauf hingewiesen worden, dass der Beschwerdeführer um die hundert Kunden betreue. Ein möglicher Verkauf dieser Kollektionen sei gänzlich ausgeschlossen worden, da die von den Models bei Vorführungen getragenen Kollektionen nachher meistens derart in Mitleidenschaft gezogen seien, dass sie bestenfalls noch verschenkt werden könnten. Vom Beschwerdeführer sei auf die Vertragsbedingungen mit der Firma G hingewiesen worden, wonach ein Verkauf dieser Waren nicht gestattet sei. Der entsprechende Punkt des Vertrages mit der Firma G laute jedoch dahin, dass sich der Handelsvertreter verpflichte, bis auf Widerruf die Kollektionen zu einem ermäßigten Preis zu erwerben und diese tunlichst für Werbezwecke (zB Modeschauen, Werbegeschenke etc) zu verwenden. Erhebungen bei der Firma G hätten ergeben, dass es keine vertragliche oder firmeninterne Bestimmung gebe, dass Teile der Kollektionen nicht verkauft werden dürften und dass es dem eigenen Gutdünken des jeweiligen Handelsvertreters überlassen bleibe, ob er die Kollektionen verkaufe oder unentgeltlich weitergebe. In der Folge anerkannte der Prüfer 50 % der diesbezüglich geltend gemachten Beträge als Werbeaufwand. Die restlichen 50 % betrachtete der Prüfer als Wareneinsatz für verkaufte Kollektionen. Unter Berücksichtigung des im Zuge der Schlussbesprechung vorgebrachten Argumentes, dass ein Großteil der Kollektionsteile nach Vorführung durch die Models Gebrauchsspuren aufgewiesen hätten, wurde ein Aufschlag in Höhe von 50 % angesetzt. Der Prüfer rechnete somit die Hälfte des jährlichen Kollektionsaufwandes mit einem 50-%igen Aufschlag dem jeweiligen Jahresumsatz hinzu.

Das Finanzamt erließ entsprechende Abgabenbescheide, gegen welche der Beschwerdeführer Berufung erhob. Darin wurde vorgebracht, dass im Rahmen der Prüfung im Zusammenhang mit dem geforderten Nachweis der Empfänger der "mehrmals gebrauchten und vorgeführten" Kollektionsteile mehrfach auf die Unzumutbarkeit dieser Forderung hingewiesen worden sei. Eine Empfangsbestätigung für den unentgeltlichen Erhalt von ungereinigten, ungebügelten, von Models und Kunden getragenen bzw anprobierten Teilen, im Wesentlichen auch noch von Dienstnehmern (Einkäuferinnen, Verkäuferinnen etc) zu verlangen, erscheine absolut unüblich und für eine zukünftige weitere Geschäftsverbindung eher hinderlich zu sein. In der Folge rügt der Beschwerdeführer auch den ohne Begründung der Höhe nach erfolgten Aufschlag von 50 %.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Begründend wies sie auf die in § 119 und § 138 BAO normierten Mitwirkungspflichten des Abgabepflichtigen sowie darauf hin, dass der Beschwerdeführer diesen Pflichten nicht entsprochen habe. Der Beschwerdeführer sei nur aufgefordert worden, einen detaillierten Nachweis zu erbringen, was mit den Kollektionsteilen geschehen sei. Die Art der Nachweisführung (Glaubhaftmachung) sei ihm freigestellt gewesen. Dem auf die Erfahrung, dass gleichartige Waren von Handelsvertretern durchaus auch verkauft würden, gestützten Ersuchen des Prüfers hätte daher keineswegs bloß entgegengesetzt werden können, es sei unzumutbar, "Rechnungen" vorzulegen. Dies auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Ware möglicherweise (zum Teil) schon getragen worden sei. Einen Nachweis, inwieweit dies der Fall gewesen sei, sei der Beschwerdeführer genauso schuldig geblieben. Einerseits sei nämlich vorgebracht worden, die Ware sei von Models bei Vorführungen getragen und danach an Kunden verschenkt worden, andererseits soll sie an Dienstnehmer (Einkäuferinnen, Verkäuferinnen etc) abgegeben worden sein. Gerade unter dem Aspekt einer "zukünftigen weiteren Geschäftsverbindung" habe eine Namhaftmachung der letztgenannten Personen (Dienstnehmer) nicht hinderlich sein können. Zu beachten sei, dass die Firma G die von ihren Vertretern retournierten (auch gebrauchten) Waren entweder dem Einzelhandel zum regulären Verkauf zuteile oder, was selten vorkomme, bei Auftreten gröberer Mängel dennoch in Detailgeschäften zum Verkauf bringe, wenn auch als Ware zweiter Wahl. Zur Durchführung und zum Ergebnis der Schätzung wies die belangte Behörde abermals darauf hin, dass der Beschwerdeführer nicht bereit gewesen sei, an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Soweit die Abgabenbehörde ohnedies davon ausgegangen sei, es sei ein Teil der Waren unentgeltlich zu Werbezwecken abgegeben worden, könne sich der Beschwerdeführer nicht beschwert erachten. Eine Schätzung von Umsatzerlösen auf der Basis eines Wareneinsatzes im Ausmaß der Hälfte der nicht an die Firma G retournierten Ware habe der Senat für durchaus sachgerecht gehalten. Ein Aufschlag von 50 % erweise sich schon deswegen nicht als überhöht, weil der Beschwerdeführer die Kollektionswaren von der Firma G um die Hälfte des Preises beziehen könne, zu dem die Firma G an die Einzelhändler liefere. Die Kleidungsstücke würden von den Einzelhändlern auch noch mit einem durchschnittlichen Rohaufschlag von 125 % auf den Einstandspreis weiterverkauft. In der Berufung werde nicht eingewendet, ein Aufschlag von 50 % wäre - Verkäufe vorausgesetzt - zu hoch. Selbst bei einem Aufschlag von 100 % würde sich noch immer ein (geschätzter) Verkaufspreis ergeben, der erst dem Einkaufspreis eines Einzelhändlers entspreche.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 119 Abs 1 BAO sind die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offen zu legen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen. Der Offenlegung dienen gemäß § 119 Abs 2 BAO insbesondere die Abgabenerklärungen, Anmeldungen, Anzeigen, Abrechnungen und sonstige Anbringen des Abgabepflichtigen, welche die Grundlage für abgabenrechtliche Feststellungen, für die Festsetzung der Abgaben, für die Freistellung von diesen oder für Begünstigungen bilden oder die Berechnungsgrundlagen der nach einer Selbstberechnung des Abgabepflichtigen zu entrichtenden Abgaben bekannt geben. Gemäß § 138 Abs 1 BAO haben die Abgabepflichtigen und die diesen im § 140 gleichgestellten Personen in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht (§ 119) auf Verlangen der Abgabenbehörden zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung.

In seiner Beschwerde vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, dass eine Schätzung von Verkaufserlösen hinsichtlich entsprechender Teile der Kollektionen nicht hätte erfolgen dürfen.

In diesem Zusammenhang wirft der Beschwerdeführer dem angefochtenen Bescheid zunächst vor, "weder die Betriebsprüfung noch die belangte Behörde haben Einwendungen des Beschwerdeführers bzw dessen Vertreters ernsthaft geprüft oder eine vom Gesetzgeber verlangte Tatsachenfeststellung getroffen". Mangels näherer Ausführungen, welche konkreten Einwendungen ungeprüft geblieben seien und welche Tatsachenfeststellung der Beschwerdeführer vermisst, wird damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt. Gleiches gilt für die Beschwerdebehauptung, die belangte Behörde habe bei Zitierung des § 184 BAO den "zweiten Satz des Abs 1 nicht erwähnt", weil für die Frage einer allfälligen Rechtswidrigkeit von Bedeutung ist, ob die Behörde im Rahmen ihrer Entscheidung gegen eine Norm verstoßen hat, nicht aber, ob sie diese (vollständig) zitiert hat. Ein Verstoß gegen die entsprechende Norm wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet.

Zur Ansicht des Beschwerdeführers, es lasse sich weder aus seinen Büchern noch durch einen sonstigen Hinweis der Schluss ziehen, der Beschwerdeführer habe neben seinen Provisionserlösen weitere erklärungsbedürftige Umsätze erzielt, ist Folgendes zu sagen: Bereits im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung hatte der Prüfer Zweifel an der Richtigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers, er habe die Kollektionsteile, hinsichtlich derer er in seinen Rechenwerken unter "Kollektionsmaterial" entsprechende Aufwendungen verbucht hatte, ausnahmslos unentgeltlich abgegeben (verschenkt). Der Beschwerdeführer wurde daher aufgefordert, für diese Behauptung Nachweise zu erbringen. In der Beschwerde wird eingeräumt, dass ein solcher Nachweis nicht erbracht wurde. Auf den Grundsatz von Treu und Glauben stützt sich der Beschwerdeführer diesbezüglich allerdings zu Unrecht, weil der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, dass aus diesem Grundsatz kein berechtigtes Vertrauen auf das Beibehalten einer von der Abgabenbehörde geübten (unrichtigen) Vorgangsweise abgeleitet werden kann (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , 90/14/0179 mwN). Es kann daher auf sich beruhen, ob im Rahmen einer früheren abgabenbehördlichen Prüfung eine diesbezügliche Beanstandung erfolgte. Der Beschwerdeführer unternahm aber auch keinen Versuch, die unentgeltliche Abgabe von Kollektionsteilen glaubhaft zu machen. Damit bot sich der belangten Behörde aber im Sinn des § 163 BAO - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - sehr wohl ein begründeter Anlass, die sachliche Richtigkeit der Bücher des Beschwerdeführers - ungeachtet ihrer allenfalls formellen Richtigkeit - in Zweifel zu ziehen. Gemäß § 184 Abs 3 BAO sind die Grundlagen für die Abgabenerhebung aber ua dann zu schätzen, wenn die Bücher sachlich unrichtig sind.

Gegen die Höhe der Schätzung als solche werden in der Beschwerde keine Einwendungen mehr erhoben.

Soweit der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der erfolgten Schätzung einen Ermessensmissbrauch in den Raum stellt, ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei einer Schätzung um keine Ermessensentscheidung handelt.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Wien, am