VwGH vom 14.09.1994, 91/13/0233
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Mag. H in I, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VII) vom , Zl. 6/4-4127/91-07, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1989, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Richter an einem Gerichtshof. In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1989 machte er die Kosten eines häuslichen Arbeitszimmers im Ausmaß von S 8.141,60 als erhöhte Werbungskosten geltend.
Das Finanzamt versagte diesem Aufwand die steuerliche Abzugsfähigkeit mit der Begründung, daß einem nichtselbständig Erwerbstätigen in der Regel an seiner Dienststelle ein "Arbeitsplatz" zur Verfügung stehe, sodaß ein häusliches Arbeitszimmer grundsätzlich nicht erforderlich sei.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Im Hinblick auf seine hohe Arbeitsbelastung sei er genötigt, pro Tag durchschnittlich ca. 4,5 Stunden zusätzlich zu einem Acht-Stunden-Tag zu arbeiten. Bedenke man, daß der Beschwerdeführer "seinen Verpflichtungen als Familienvater, Kindererzieher und Ehegatte nachzukommen verpflichtet" sei, so sei es unter Berücksichtigung einer angemessenen Zeit der Ruhe zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der Arbeitskraft unabdingbar, daß ein Teil der Arbeit "in das Wochenende hineingetragen" werde. Auch sei es für eine störungsfreie Arbeit notwendig, diese in "einem Bereich vollkommener Abgeschiedenheit" verrichten zu können. In den Wintermonaten komme hinzu, daß das Gerichtsgebäude an den Wochenenden nicht ausreichend beheizt werde. Das häusliche Arbeitszimmer beinhalte nur notwendige Büroausstattung, wie einen Wandverbau (als Bibliothek bezeichnet) der "ausschließlich" mit beruflicher Fachliteratur und Akten bestückt sei, einen Schreibtisch, einen Sessel und eine Sitzgruppe für zwei Personen. Der Arbeitsraum liege am Ende einer Reihe von Räumlichkeiten und sei vom Wohnbereich abgegrenzt.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. Werbungskosten könnten nur anerkannt werden, wenn sie notwendig seien. Das bedeute, daß der Abgabepflichtige seine Aufwendungen so niedrig wie möglich zu halten habe. Die vom Beschwerdeführer behauptete zeitliche Arbeitsbelastung stelle "Extremwerte" und keinen Durchschnittswert dar. Es sei davon auszugehen, daß der durchschnittliche Zeitbedarf geringer sei als vom Beschwerdeführer dargestellt. Die vom Beschwerdeführer aufgezeigten Störungen im Amt, wie Telefonate und Anfragen von Kollegen gehörten auch bei anderen Arbeitnehmern zum alltäglichen Berufsbild, ohne daß deswegen ein häusliches Arbeitszimmer notwendig erscheine. Gleiches gelte für die Rücksichtnahme auf private Obliegenheiten und die damit begründete Notwendigkeit von Wochenendarbeit.
Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Die unbegründet gebliebene Annahme des Finanzamtes, daß der Beschwerdeführer unrichtige Angaben über seine zeitliche Arbeitsbelastung gemacht habe, sei auf das entschiedenste zurückzuweisen. Der Beruf eines Richters könne nicht mit dem eines weisungsgebundenen Angestellten verglichen werden. Ein Richter bestimme ausschließlich selbst, "welchen Umfang er seiner Tätigkeit auf Grund der Sach- und Rechtslage zuzumessen hat".
Im Zuge des Berufungsverfahrens ordnete die belangte Behörde einen Augenschein gemäß § 182 BAO an. Dieser wurde vom Finanzamt unter Berufung auf § 144 BAO an dem in der Steuererklärung angegebenen Wohnsitz des Beschwerdeführers vorgenommen. Über die Besichtigung der Wohnung wurde eine Niederschrift aufgenommen, in der der Beschwerdeführer im wesentlichen folgende Angaben machte:
Der Arbeitsraum enthalte an drei Seiten einen Wandverbau (Bibliothek). Die Bücher seien zu ca. 60 % Fachliteratur und zu 40 % andere Werke der Literatur (als "Privatsammlung" bezeichnet). Es handle sich um "1.600 Stück - maximal". Das im Raum befindliche aber nicht angeschlossene Farbfernsehgerät sei "ein Reservegerät für meine private Sphäre". Die ebenfalls vorhandene Stereoanlage werde zwar von den Kindern des Beschwerdeführers benutzt, wenn letzterer nicht anwesend sei; dies sei ihnen aber vom Beschwerdeführer verboten worden. Der Beschwerdeführer selbst verwende den Raum ausschließlich beruflich. Die Raumgröße sei in der Steuererklärung irrtümlich mit 10,93 m2 angegeben worden und betrage in Wirklichkeit ca. 18 m2.
Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Es könne dahingestellt bleiben, ob für den Beschwerdeführer die Notwendigkeit bestehe, ein häusliches Arbeitszimmer beruflich zu nutzen. Die Kosten für ein solches Arbeitszimmer könnten nämlich jedenfalls nur dann als erhöhte Werbungskosten Berücksichtigung finden, wenn der betreffende Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich den beruflichen Zwecken diene. Dies treffe im Beschwerdefall nicht zu, weil der Beschwerdeführer in seinem Arbeitsraum auch private Gegenstände (private Bibliothek, Fernsehgerät, Stereoanlage) aufbewahre und es den Erfahrungen des täglichen Lebens entspreche, daß eine Stereoanlage auch privatem Musikhören diene. Weiters sei festgestellt worden, daß die Stereoanlage auch von den Kindern des Beschwerdeführers in seiner Abwesenheit benutzt werde. Ob der Beschwerdeführer dies formell verboten habe, sei irrelevant.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach ständiger hg. Rechtsprechung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, sind die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer nur unter der Voraussetzung als erhöhte Werbungskosten steuerlich absetzbar, daß die ausgeübte Tätigkeit die Haltung eines beruflich genutzten Arbeitsraumes in der Wohnung unbedingt notwendig macht. Zusätzlich zu dieser Notwendigkeit muß der beruflich genutzte Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflichen Zwecken dienen (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/13/0145, und die dort zitierten weiteren Fundstellen).
Der Beschwerdeführer rügt zunächst, daß die Besichtigung seiner Wohnung auf § 144 BAO anstatt richtig auf § 182 BAO gestützt wurde. Gemäß § 144 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde bei Personen, die nach abgabenrechtlichen Vorschriften Bücher oder Aufzeichnungen zu führen haben, Nachschau halten. Diese Nachschau dient, wie sich aus Abs. 2 der zitierten Bestimmung ergibt, der Einsichtnahme in Unterlagen, die für die Abgabenerhebung maßgeblich sind. Da die von der belangten Behörde angeordnete Besichtigung keiner derartigen Einsichtnahme diente, sondern ausdrücklich auf § 182 BAO (Vornahme eines Augenscheines) Bezug nahm, hat das Finanzamt seine Amtshandlung zu Unrecht auf § 144 BAO gestützt. Der Beschwerdeführer legt allerdings nicht dar, inwieweit er durch diese unrichtige Bezeichnung der Rechtsgrundlage für die "Nachschau" (richtig: Augenschein) in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt wurde. Sein Vorbringen, die "Nachschau" hätte ihm so rechtzeitig angezeigt werden müssen, daß er sich darauf hätte einstellen und einen "Zufallsbefund" ausschließen können, ist unberechtigt. Der belangten Behörde ist vielmehr darin zuzustimmen, daß in vielen Fällen der Zweck eines Augenscheines bei vorheriger Verständigung dadurch vereitelt werden kann, daß dem Abgabepflichtigen die Möglichkeit eingeräumt wird, die tatsächlichen Verhältnisse vorübergehend in einer für sein Vorbringen zweckmäßigen Weise zu verändern und damit der amtswegigen Wahrheitsfindung entgegenzuwirken.
Auch mit seinem weiteren Vorbringen, die belangte Behörde habe seine Wohnung falsch, nämlich mit einem zweiten Wohnsitz des Beschwerdeführers bezeichnet, sodaß unklar geblieben sei, wo sich nun der Arbeitsraum tatsächlich befinde, zeigt der Beschwerdeführer keine relevante Rechtswidrigkeit auf. Unbestritten ist nämlich, daß der RICHTIGE Arbeitsraum in seiner Anwesenheit besichtigt wurde, daß er selbst Größe und Einrichtung dieses Raumes detailliert in der Niederschrift angegeben hat und daß auch die Wahrnehmungen des Behördenorgans mit diesen Angaben übereinstimmten. Die auf einem Irrtum der belangten Behörde beruhende unrichtige Ortsangabe hat daher für die Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes keine Bedeutung.
Schließlich vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, daß die Aufbewahrung privater Gegenstände in einem Raum, dessen Beurteilung als ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflichen Zwecken dienend, nicht entgegenstehe. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Ebenso wie die bloße Aufbewahrung beruflich genutzter Gegenstände, etwa eines beruflich genutzten Archivs oder sonstiger beruflicher Unterlagen einen Raum zu einen beruflich genutzten machen kann, ist umgekehrt ein Raum, in dem privat genutzte Gegenstände in einem nicht vernachlässigbaren Ausmaß aufbewahrt werden, nicht ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich genutzt. Ein Raum dient nämlich seinem Wesen nach nicht nur dem Aufenthalt von Menschen, sondern auch der Aufbewahrung von Gegenständen. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, er lese die der Privatsphäre zuzurechnenden Bücher außerhalb des Raumes in dem sie aufbewahrt werden, können daher der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Der Umfang der Privatbibliothek der vom Beschwerdeführer mit rund 600 bis 700 Bänden (= 40 % von insgesamt 1600 Bänden) angegeben wurde, ist nicht so geringfügig, daß der Raum, in dem die Bücher aufbewahrt werden, als nahezu ausschließlich beruflichen Zwecken dienend angesehen werden könnte.
Mit seinem Vorbringen, die Privatbibliothek sei nur vorübergehend im Arbeitsraum untergebracht gewesen, verstößt der Beschwerdeführer gegen das Neuerungsverbot des § 41 VwGG. Die Behauptung, er sei auf Grund des besonderen Zeitdruckes, der auf den unangemeldeten Augenschein zurückzuführen sei, nicht in der Lage gewesen, mit genügender Deutlichkeit darzulegen, daß er die Privatbibliothek nur vorübergehend im Arbeitsraum untergebracht habe, überzeugt nicht. Selbst wenn der Beschwerdeführer bei dem für ihn überraschenden Augenschein an einem derartigen Vorbringen gehindert gewesen sein sollte, so darf nicht übersehen werden, daß der Augenschein am vorgenommen, der angefochtene Bescheid aber erst am , also mehr als vier Monate später, ausgefertigt wurde. Dem Beschwerdeführer stand daher jedenfalls genügend Zeit zur Verfügung, um sein niederschriftliches Vorbringen noch entsprechend zu ergänzen.
Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrigt sich ein Eingehen auf das zeitliche Ausmaß und die Notwendigkeit der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers in seiner Wohnung. Gleiches gilt für die Behauptung des Beschwerdeführers, die Stereoanlage diene "fast auschließlich nur" dazu, um Nachrichten zu hören.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.