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VwGH vom 17.05.2004, 2003/17/0134

VwGH vom 17.05.2004, 2003/17/0134

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde des YE in Wien, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. Alfred Strobl in 1170 Wien, Hernalser Hauptstraße 141, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. ABK - 80/02, betreffend Haftung für Gebrauchsabgabe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Haftungsbescheid vom zog der Magistrat der Stadt Wien den Beschwerdeführer gemäß § 171 iVm §§ 7 Abs. 1 und 54 Abs. 1 iVm §§ 2 und 5 der Wiener Abgabenordnung 1962 (WAO) für die bei der E & Co GmbH im Abgabenjahr 1996 entstandene Abgabenschuldigkeit an Gebrauchsabgabe samt Nebengebühr in der Höhe von insgesamt S 1.535,-- zur Zahlung heran. Dies mit der Begründung, die schuldhafte Verletzung der dem Geschäftsführer als Vertreter der abgabenpflichtigen juristischen Person gemäß § 54 WAO auferlegten Pflichten sei dadurch gegeben, dass der Beschwerdeführer es unterlassen habe, für die termingerechte Entrichtung der Gebrauchsabgabe Sorge zu tragen.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, 1995 sei wegen einer Generalsanierung samt Fassadenrenovierung des Gebäudes der darin befindliche Gaststättenbetrieb der Primärschuldnerin mehrmals unterbrochen und seit 1996 komplett eingestellt worden. Aus diesem Grunde seien weder die Lichtreklame genutzt noch Tische im Gastgarten aufgestellt worden.

Mit Bescheid vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die der Haftung zu Grunde liegenden Abgabenforderungen, die am fällig geworden seien, bestünden zu Recht. Die erschwerte Einbringlichkeit dieser Abgabenrückstände bei der Primärschuldnerin sei unbestritten und stehe auf Grund der Betriebsauflassung fest. Die übrigen Haftungsvoraussetzungen, nämlich die bis währende Stellung des Beschwerdeführers als Vertreter der Primärschuldnerin, dessen Pflichtverletzung sowie dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und deren Ursächlichkeit für die erschwerte Einbringung seien nicht weiter bestritten und auf Grund der Aktenlage als verwirklicht anzusehen.

Mit dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/17/0136, wurde der genannte Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Darin führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass eine Prüfung, ob bei der ab mit A GmbH firmierenden Primärschuldnerin die Abgaben "ohne Schwierigkeiten" einbringlich gewesen seien, nicht stattgefunden habe. Die belangte Behörde sei vielmehr vom Nichtbestehen der Primärschuldnerin ausgegangen, weil weder im Firmenregister noch im Zentralgewerberegister für Wien die Firma "E & Co GmbH." aufgeschienen sei. In einem im Verwaltungsakt befindlichen Aktenvermerk sei jedoch lediglich die Änderung des Firmenlautwortes laut Generalversammlungsbeschluss vom , nicht aber die Liquidation/Löschung der Firma festgehalten worden. Die belangte Behörde habe in Verkennung der Rechtslage keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Abgabe bei der mit der geänderten Firmenbezeichnung - nach der Aktenlage des damaligen Haftungsverfahrens - weiterhin bestehenden Primärschuldnerin "ohne Schwierigkeiten" habe eingebracht werden können oder nicht.

Mit dem angefochtenen (Ersatz-)Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung neuerlich als unbegründet ab. Zum Berufungsvorbringen, infolge Betriebseinstellung Anfang 1996 seien die genehmigte Lichtreklame und die genehmigte Tischaufstellung unbenützt geblieben, führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 9 Abs. 1 Gebrauchsabgabegesetz 1966 (Wr GebrauchsAbgG) der Träger der Gebrauchserlaubnis bis zu deren Erlöschen abgabepflichtig sei. Nach § 4 Abs. 4 leg. cit. erlösche die Gebrauchserlaubnis im Zeitpunkt des Einlangens einer Verzichtserklärung. Der Abgabepflichtige habe aber einen solchen Verzicht nicht rechtzeitig, das heißt vor Eintritt der Fälligkeit der Gebrauchsabgabe, erklärt. Die vom Beschwerdeführer angeführten Beweise (Fotos und Zeugen) seien daher mangels Relevanz des Beweisthemas nicht aufzunehmen.

Auf Grund des Firmenbuchauszuges vom stehe fest, dass der Beschwerdeführer am zum alleinigen Geschäftsführer der Primärschuldnerin bestellt worden sei und diese Funktion bis zum inne gehabt habe. Aus diesem Firmenbuchauszug gehe auch hervor, dass die Primärschuldnerin unter der geänderten Firmenbezeichnung ("A GmbH") nicht mehr existiere, weil diese am gemäß § 40 des Firmenbuchgesetzes amtswegig gelöscht worden sei. Es stehe daher fest, dass die gegenständlichen Abgabenforderungen bei der Primärschuldnerin nicht mehr eingebracht werden könnten.

Die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ergebe sich aus der Missachtung der Vorschriften über den Zeitpunkt der Entrichtung der Gebrauchsabgabe für das Jahr 1996 bis zum . Der Beschwerdeführer habe ein konkretes Sachvorbringen, wonach ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten nicht möglich gewesen sei, nicht erstattet, weshalb von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich ua in seinem Recht, nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zur Haftung als ehemaliger Geschäftsführer herangezogen zu werden, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 Wiener Abgabenordnung (WAO), LGBl. Nr. 21/1962 idF LGBl. Nr. 40/1992, haften die in den §§ 54 ff bezeichneten Vertreter und sonstigen Verpflichteten neben dem Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern und sonstigen Verpflichteten auferlegten Pflichten, sei es abgabenrechtlicher oder sonstiger Pflichten, bei den Abgabepflichtigen nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.

Nach § 54 Abs. 1 WAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen; sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Zu den in § 54 Abs. 1 WAO genannten Personen gehören auch die Geschäftsführer einer GmbH.

Nach § 7 Abs. 1 WAO in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 40/1992 ist nicht mehr die Uneinbringlichkeit Voraussetzung für die Haftung - wie bei § 7 Abs. 1 WAO in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 40/1992 und § 9 BAO -, sondern der Umstand, dass die Abgabe beim Abgabepflichtigen nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann. Diese Schwierigkeiten der Einbringung müssen auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters zurückzuführen sein. Auch nach der neuen Fassung des § 7 WAO kann das tatbestandsmäßige Verschulden in einem vorsätzlichen oder in einem fahrlässigen Handeln oder Unterlassen bestehen. Der Verwaltungsgerichtshof hält seine Rechtsprechung aufrecht, nach welcher eine schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten anzunehmen ist, wenn der Vertreter keine Gründe darlegen kann, auf Grund derer ihm die Erfüllung unmöglich gewesen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/17/0066).

Aufgabe des Geschäftsführers ist es darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden. Widrigenfalls haftet der Geschäftsführer für die in Haftung gezogene Abgabe zur Gänze (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/17/0144, mwN). Diese Ausführungen zur Uneinbringlichkeit gelten entsprechend für die hier maßgebliche Voraussetzung, dass die Abgabe nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann.

Die Beurteilung, ob die Haftung dem Grunde nach zu Recht besteht, obliegt im Berufungsverfahren der Berufungsbehörde; sie hat dabei grundsätzlich von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung auszugehen. Es liegt im Wesen einer meritorischen Berufungsentscheidung, dass die Berufungsbehörde die Sache nach allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten neu zu überprüfen hat. Sie hat daher im Falle einer Haftungsinanspruchnahme die hiefür maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen, die im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides gegeben sind (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 88/17/0216, und vom , Zl. 96/15/0049).

Wie bereits im Vorerkenntnis zum vorliegenden Beschwerdefall vom , Zl. 2000/17/0136, ausgeführt, ist Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH nach der genannten Bestimmung ua, dass die Abgaben bei der Primärschuldnerin nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können.

Im nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde festgestellt, dass die Primärschuldnerin unter der geänderten Firma am gemäß § 40 Firmenbuchgesetz amtswegig gelöscht worden ist.

§ 40 Firmenbuchgesetz, BGBl. Nr. 10/1991 idF BGBl. I Nr. 74/1999, lautet:

"§ 40. (1) Eine Kapitalgesellschaft, die kein Vermögen besitzt, kann auf Antrag der nach dem Sitz der Gesellschaft zuständigen gesetzlichen Interessenvertretung oder der Steuerbehörde oder von Amts wegen gelöscht werden; mit der Löschung gilt die Gesellschaft als aufgelöst. Eine Abwicklung findet nicht statt. Sofern das Vorhandensein von Vermögen nicht offenkundig ist, gilt eine Kapitalgesellschaft bis zum Beweis des Gegenteils auch dann als vermögenslos, wenn sie trotz Aufforderung durch das Gericht die Jahresabschlüsse und gegebenenfalls die Lageberichte (§§ 277 ff HGB) von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht vollständig vorlegt.

(2) Vor der Löschung sind die nach dem Sitz der Gesellschaft zuständige gesetzliche Interessenvertretung und die Steuerbehörde zu hören, sofern diese nicht ohnehin selbst Antragsteller waren. Äußern sich diese Stellen binnen vier Wochen nicht, so gilt ihre Zustimmung als gegeben.

(3) Gerichte und Steuerbehörden haben einander die erbetenen für die Vollziehung dieses Bundesgesetzes erforderlichen Auskünfte zu erteilen.

(4) Stellt sich nach der Löschung das Vorhandensein von Vermögen heraus, das der Verteilung unterliegt, so findet die Abwicklung statt. Die Abwickler sind auf Antrag eines Beteiligten vom Gericht zu ernennen."

Daraus ergibt sich, dass die amtswegige Löschung gemäß dieser Bestimmung das Vorliegen von Vermögenslosigkeit der Gesellschaft zur Voraussetzung hat. Die Feststellung der belangten Behörde, die gegenständliche Abgabe sei (zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vom ) uneinbringlich gewesen, kann daher nicht als unschlüssig erkannt werden, auch wenn - nach dem Beschwerdevorbringen - die gegenständlichen Abgabenschuldigkeit während eines früheren Geschäftsbetriebes der Primärschuldnerin (nämlich in den Jahren 1996 bis 2000) bei der Primärschuldnerin etwa durch Taschenpfändung eines Kellners einbringlich gewesen sein sollte.

Die (amtswegige) Löschung hat zwar nur deklarativen Charakter, weil die Gesellschaft auch mit der Auflösung nicht endet und so lange fortbesteht, als noch Vermögen vorhanden ist (vgl. Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriss des österreichischen Gesellschaftsrechts5, 445 ff.). Das Vorhandensein von Vermögen im Zeitpunkt der Bescheiderlassung behauptet aber der Beschwerdeführer nicht einmal vor dem Verwaltungsgerichtshof. Aus diesem Grunde ist auch die Rüge, die belangte Behörde habe das Parteiengehör verletzt, indem sie den Beschwerdeführer vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides von der amtswegigen Löschung der Primärschuldnerin nicht in Kenntnis gesetzt habe, nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Das erstmalige Vorbringen in der Beschwerde, durch die vorübergehenden Betriebsunterbrechungen im Zuge der Haussanierung sei ein Liquiditätsengpass eingetreten, der alle Gläubiger gleich betroffen habe und eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Beschwerdeführer ausschließe, verstößt gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende, aus § 41 VwGG abzuleitende Neuerungsverbot.

Zum Vorwurf, die belangte Behörde habe keine Ermittlungen über das Vorliegen der übrigen Haftungsvoraussetzungen durchgeführt, ist auf die oben angeführte Rechtsprechung hinzuweisen, wonach es Aufgabe des Geschäftsführers ist darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge habe tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, und eine schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten anzunehmen ist, wenn der Vertreter keine Gründe darlegen kann, auf Grund derer ihm die Erfüllung unmöglich gewesen ist. Der Umstand, dass eine zum Geschäftsführer bestellte Person rechtsunkundig bzw. der deutschen Sprache nur mangelhaft mächtig ist, enthebt sie nicht dieser Obliegenheit, weil der Geschäftsführer einer GmbH nach der Rechtsprechung dafür einzustehen hat, dass er über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt.

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am