VwGH vom 19.03.2002, 99/14/0317
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des PK in Z, vertreten durch Mag. Josef Nothdurfter, Wirtschaftsprüfer in 5071 Wals, Lagerhausstraße 505, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. RV614/1-8/1999, betreffend Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer legte der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 1997 eine Kostenaufstellung über beruflich veranlasste Reisen mit einem Gesamtbetrag von S 49.277,-- bei. Über Aufforderung nahm er am schriftlich dazu Stellung und brachte vor, er sei Prokurist einer namentlich genannten Drogeriekette und österreichweit für die Ressortleitung "Expansion" und für das Gebiet Österreich Ost als Regionalverantwortlicher zuständig. Die österreichweite Betätigung im Ressort "Expansion" führe zu sehr vielen Dienstreisen, welche jedoch nicht regelmäßig geplant werden könnten. Es müssten "österreichweit Filialerweiterungen, Filialinstandhaltungen, Filialschließungen, Filialeröffnungen, Filialstandortverlegungen, neue Standorte mit Bauverhandlungen und gewerbebehördlichen Verhandlungen, Verhandlungen mit Professionisten, Vergabe von Aufträgen vor Ort und vieles andere mehr abgewickelt werden". Der Schwerpunkt der Tätigkeit im Ressort "Expansion" liege im Raum Wien. Im Zug der Dienstreisen als Ressortleiter "Expansion" werde auch das Aufgabengebiet als Regionalverantwortlicher der Region Ost abgewickelt. Dabei sei er für 40 Filialen in Wien und Niederösterreich verantwortlich. "Rhythmische Besprechungen" wie auch zahlreiche Einzelgespräche vor Ort kennzeichneten diesen Bereich seiner Tätigkeit.
Dieser Stellungnahme ist eine Liste "Bezirksaufteilung Region-Donaukraft" angeschlossen, aus der Filialen in Wien, Stockerau, Laa an der Thaya, Hollabrunn, Mistelbach und Korneuburg ersichtlich sind.
Das Finanzamt anerkannte die verzeichneten Tagesgelder lediglich in einem um S 23.190,-- gekürzten Ausmaß und begründete dies damit, auf Grund der langjährigen Tätigkeit des Beschwerdeführers sei es als erwiesen anzunehmen, dass ihm günstige Verpflegungsmöglichkeiten in der von ihm bereisten "Region-Donaukraft" (mit den Orten Wien, Stockerau, Mistelbach etc.) soweit bekannt seien, dass ein Verpflegungsmehraufwand ebenso ausgeschlossen werden könne wie bei einem an ein und demselben Ort tätigen Arbeitnehmer.
In seiner dagegen erhobenen Berufung wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen das bereits in der Stellungnahme vom erstattete Vorbringen.
Nach Ergehen einer die Berufung abweisenden Berufungsvorentscheidung vom beantragte der Beschwerdeführer, seine Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen.
Mit dem angefochtenen Berufungsbescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und führte nach Darlegung der Rechtslage aus, bei der Einsicht in die Reiseaufzeichnungen falle auf, dass seine Reisebewegungen den Beschwerdeführer regelmäßig und somit alle zwei bis drei Tage in die Bundeshauptstadt Wien sowie in die genannten umliegenden Gemeinden geführt hätten, sodass hier ein Mittelpunkt der Tätigkeit entstanden sei. Da der Beschwerdeführer bereits seit einigen Jahren aus beruflichen Gründen dieselbe Region bereise, müsse davon ausgegangen werden, dass die genannten Gebiete (Gemeindebezirke) den Mittelpunkt seiner Tätigkeit darstellen würden und er so vertraut mit den örtlichen Gegebenheiten in diesen Bezirken sei, dass der in typisierender Betrachtungsweise bei Reisebewegungen angenommene Verpflegungsmehraufwand nicht mehr anfalle. Die wiederholte Tätigkeit in einem mehrere Orte umfassenden Gebiet führe demnach zu einer solchen Vertrautheit mit den örtlichen Gegebenheiten, dass bei der "Verpflegung und Nahrungsaufnahme" kein Mehraufwand entstehe. Für die Fahrten innerhalb dieses Gebietes könnten daher Tagesgelder nicht gewährt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen gerichtete Beschwerde erwogen:
Mit dem Begriff der "Reise" im Sinn des § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1972 bzw. 1988 hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt auseinander gesetzt und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Aufenthalt an einem Ort, der als Mittelpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen angesehen werden muss, keine Reise darstellt, wobei auf Grund längeren Aufenthalts des Steuerpflichtigen ein Ort zu einem (weiteren) Mittelpunkt der Tätigkeit wird. Der längere Aufenthalt ermöglicht es ihm, sich dort über die Verpflegungsmöglichkeiten zu informieren und so jenen Verpflegungsmehraufwand zu vermeiden, der allein die Annahme von Werbungskosten statt nicht abzugsfähiger (üblicher) Verpflegungsaufwendungen der privaten Lebensführung rechtfertigt. Erstreckt sich die Tätigkeit des Steuerpflichtigen auf mehrere Orte in der Weise, dass jeder Ort - für sich betrachtet - Mittelpunkt der Tätigkeit sein könnte, dann ist jeder dieser Orte als Mittelpunkt der Tätigkeit zu qualifizieren und der Aufenthalt an ihm keine Reise (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/14/0022). Sowohl eine mit Unterbrechungen ausgeübte Beschäftigung an einem Ort als auch wiederkehrende Beschäftigungen an einzelnen, nicht zusammenhängenden Tagen können die Eignung eines Ortes zu einem weiteren Mittelpunkt der Tätigkeit begründen, sofern die Dauer einer solchen wiederkehrenden Beschäftigung am selben Ort insgesamt ein Ausmaß erreicht, welches zum Wegfall der Voraussetzungen des in typisierender Betrachtungsweise unterstellten Verpflegungsmehraufwandes zu führen hat (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis Zl. 95/14/0022 sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/14/0156).
Die belangte Behörde hat "die Bundeshauptstadt Wien sowie ... die genannten umliegenden Gemeinden" als Mittelpunkt der Tätigkeit des Beschwerdeführers gewertet. Der belangten Behörde ist zwar zuzustimmen, dass das (gesamte) Ortsgebiet von Wien als einheitlicher Mittelpunkt der Tätigkeit anzusehen ist und hier nicht eine weitere Einengung vorgenommen werden muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/13/0281), und es kann - wie dargelegt - eine regelmäßig wiederkehrende Tätigkeit an mehreren Orten ebenso viele Mittelpunkte der beruflichen Tätigkeit begründen. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon ein mehrmals täglich befahrenes "Gebiet der ständigen Patrouillentätigkeit" als Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit angesehen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 94/13/0101) und unter der Voraussetzung der häufigen Wiederkehr an die gleichen Orte eine Vertrautheit mit den örtlichen Gegebenheiten "im betrauten Sprengel" angenommen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 96/13/0132). Das letztgenannte Erkenntnis bezog sich auf Bezirksgerichtssprengel, wenn der Steuerpflichtige einzelne Orte innerhalb des jeweiligen Sprengels wiederholt besucht hat.
Im gegenständlichen Fall ist zu beachten, dass die "umliegenden Gemeinden" von Wien ein deutlich größeres Gebiet umfassen als regelmäßig einem Bezirksgerichtssprengel zuzuordnen ist.
Aus den im Akt erliegenden Reiseaufzeichnungen des Streitjahres ergibt sich, dass der Beschwerdeführer wiederkehrend (im Zusammenhang mit Fahrten von oder nach Wien) Stockerau und damit auch Korneuburg besucht hat. Für das in einer nicht zu vernachlässigenden Entfernung liegende Hollabrunn ist in den Reiseaufzeichnungen des Streitjahres nur eine Reise enthalten. Die Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer die umliegenden Gemeinden von Wien in den Jahren vor dem Streitjahr regelmäßig besucht habe, lässt sich nicht auf nachvollziehbare Ermittlungen der Behörde stützen. Solcherart hat die belangte Behörde, indem sie für eine Reisebewegung nach Hollabrunn kein anteiliges Tagesgeld gewährt hat, den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Wie oben dargelegt war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am