VwGH vom 03.07.1996, 94/13/0243
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der Dipl.Ing. F KG in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat I) vom , Zl. 6/1 - 1138/94-05, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 1989, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
An der Beschwerdeführerin waren bis zum neben einem Komplementär (Gesellschaftsanteil 40 %) die beiden Kommanditistinnen S. und K. mit einem Kommanditanteil von je 30 % beteiligt. Am verstarb K.
Gesamtrechtsnachfolgerin wurde S., die dadurch ihren Gesellschaftsanteil von 30 % auf 60 % erhöhte.
In den Jahren 1984, 1986 und 1988 hatten alle Gesellschafter der Beschwerdeführerin Rücklagen vom nicht entnommenen Gewinn nach § 11 EStG 1972 gebildet. Der Streit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geht dahin, ob bei Anwendung der Auflösungs- und Nachversteuerungsvorschrift des § 11 Abs. 6 EStG 1972 als Vergleichsbasis für die Entnahmen von S. im Jahr 1989 (S 1,260.470,--) nur der auf diese Gesellschafterin im Wirtschaftsjahr 1988 (Wirtschaftsjahr der Beschwerdeführerin ist gleich dem Kalenderjahr) entfallende Gewinnanteil (Ansicht der belangten Behörde) oder auch der Gewinnanteil 1988 der Erblasserin heranzuziehen ist (Standpunkt der Beschwerdeführerin). Die belangte Behörde gelangte aufgrund ihrer Rechtsansicht zu Mehrentnahmen von S. im Jahr 1989 in Höhe von S 590.094,-- und erachtete dementsprechend in diesem Umfang eine Auflösung und Nachversteuerung der in den Vorjahren gebildeten Rücklagen für erforderlich. Begründet wird dies im angefochtenen Bescheid damit, aus der Bestimmung des § 11 Abs. 6 EStG 1972 könne nicht abgeleitet werden, daß der Vergleichsgewinn des Rechtsnachfolgers um den Gewinnanteil des Vorgängers zu erhöhen sei (wenn der Gesetzgeber dies beabsichtigt hätte, hätte er dies durch eine eigene Formulierung zum Ausdruck gebracht). Dafür spreche auch die Zielsetzung der Vorschrift des § 11 EStG 1972, wonach erreicht werden solle, daß das Kapital im Betrieb verbleibe und nicht entnommen werde.
In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Nach den Beschwerdeausführungen erachtet sich die Beschwerdeführerin einerseits in dem Recht auf Nichtauflösung der gebildeten Rücklage vom nichtentnommenen Gewinn, und andererseits - sollte diese Auflösung dennoch zutreffend sein - in dem Recht darauf verletzt, daß die Auflösung direkt der Gesellschafterin S. zuzurechnen und nicht in den Gewinnverteilungsschlüssel einzubeziehen sei.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 11 EStG 1972 (§ 112 Z. 3 EStG 1988) können natürliche Personen - nach der in dieser Bestimmung näher enthaltenen Regelung - zu Lasten der Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb steuerfreie Rücklagen bilden. Zweck dieser Vorschrift ist eine langfristige Stärkung des Betriebskapitals. Um dies sicherzustellen, müssen die begünstigten nichtentnommenen Gewinnteile durch mindestens fünf Jahre im Betrieb verbleiben. § 11 Abs. 6 leg. cit. enthält dazu die Regelung, wenn in einem der auf das Jahr der Bildung der Rücklage folgenden fünf Wirtschaftsjahre die Entnahmen höher sind als der jeweilige Gewinn des unmittelbar vorangegangenen Wirtschaftsjahres, so sind die steuerfrei gebildeten Rücklagen im Wirtschaftsjahr der Mehrentnahme entsprechend dem Betrag der Mehrentnahmen gewinnerhöhend aufzulösen. Hiebei sind die Mehrentnahmen zunächst auf die für das zeitlich am weitesten zurückliegende Wirtschaftsjahr gebildete Rücklage anzurechnen (§ 11 Abs. 7 EStG 1972 sieht für die gewinnerhöhende Auflösung auch bestimmte Zuschläge vor). Durch die Regelung der Nachversteuerung bei Mehrentnahmen unterstellt der Gesetzgeber, daß der Steuerpflichtige durch die Mehrentnahmen auf die steuerfrei gebildete Rücklage gegriffen und auf diese Weise dem Betrieb das durch die Rücklagenbildung zugeführte Betriebskapital entzogen hat (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Band III: Kommentar, Tz 7 zu § 11). Wird ein Betrieb unentgeltlich übertragen, so hat nach § 11 Abs. 6 vorletzter Satz EStG 1972 der Rechtsnachfolger die Rücklage in seine Eröffnungsbilanz zu übernehmen (§ 6 Z. 9); in diesem Fall sind die vorstehenden Bestimmungen auf den Rechtsnachfolger anzuwenden.
Bereits die Stellung des Halbsatzes "in diesem Fall sind die vorstehenden Bestimmungen auf den Rechtsnachfolger anzuwenden" in seinem Regelungszusammenhang läßt darauf schließen, daß die Bestimmungen über die Auflösung und Nachversteuerung der Rücklage vom nichtentnommenen Gewinn unter Zugrundelegung derselben Basis zu prüfen sind , wie dies beim Rechtsvorgänger vorzunehmen gewesen wäre, somit auch sein Gewinn(anteil) als Vergleichswert für die Beurteilung des Vorliegens von Mehrentnahmen des Rechtsnachfolgers heranzuziehen ist. Dafür spricht auch die aus dem Zweck der Auflösungsvorschrift des § 11 Abs. 6 EStG 1972 hervorgehende Überlegung, daß damit dem Rechtsnachfolger ohnedies die Entnahmemöglichkeit nur in der Höhe eingeräumt wird, die auch beim Rechtsvorgänger zu keiner gewinnerhöhenden Auflösung der Rücklagen geführt hätte. Im "Verbleib des Kapitals im Betrieb" tritt demnach dadurch keine Änderung ein, daß die zulässige Entnahmenhöhe von S. im Jahr 1989 auch auf Basis des für die Rechtsvorgängerin ausgewiesenen Gewinn(anteiles) für das Jahr 1988 geprüft wird (folgte man der Ansicht der belangten Behörde, liefe dies auf eine im Zweck des § 11 Abs. 6 leg. cit. nicht gedeckte "Entnahmesperre" dieses Gewinnanteiles hinaus).
Da die belangte Behörde in der Frage der gewinnerhöhenden Auflösung der Rücklage vom nichtentnommenen Gewinn in bezug auf S. die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid bereits aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Auf die weiters in der Beschwerde angegebene Rechtsverletzung, die gewinnerhöhende Auflösung der Rücklage sei zu Unrecht nicht direkt der Gesellschafterin S. zugerechnet, sondern in den Gewinnverteilungsschlüssel einbezogen worden, war daher nicht mehr weiter einzugehen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft zuviel geltend gemachte Stempelgebühren in Höhe von S 120,--.