VwGH vom 22.02.1995, 94/13/0242
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der X-AG in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl GA 7-1246/94, betreffend Säumniszuschläge, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Gegenüber der beschwerdeführenden AG wurden im Anschluß an eine abgabenbehördliche Prüfung im wiederaufgenommenen Verfahren neue Sachbescheide betreffend Umsatzsteuer 1985 und 1986 erlassen, in welchen anstelle einer Gutschrift von rund S 151 Millionen eine Zahllast von rund S 82 Millionen (1985) und anstelle einer Gutschrift von rund S 300 Millionen eine Gutschrift von rund S 108 Millionen festgesetzt wurde. Ausgehend von diesen Mehrergebnissen (somit 1985 rund S 233 Millionen und 1986 rund S 191 Millionen) wurde mit Nebengebührenbescheid vom jeweils ein Säumniszuschlag im Ausmaß von 2 %, insgesamt somit rund S 8,5 Millionen, festgesetzt. In der dagegen erhobenen Berufung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß an den Fälligkeitstagen bzw keine Verpflichtung zur Abgabenentrichtung in Höhe des Mehrergebnisses laut Betriebsprüfung bestanden habe. Überdies fehle es "nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an der Grundvoraussetzung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages auch bei der amtswegigen Rückforderung von unrechtmäßig in Anspruch genommenen Vorsteuergutschriften".
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung unter Hinweis auf § 21 Abs 3 vierter Satz UStG 1972 ab; das in der Berufung zitierte Erkenntnis sei an einen Beschwerdeführer ergangen, welcher mangels Unternehmereigenschaft zur Entrichtung von Umsatzsteuer nicht verpflichtet gewesen sei.
Die Beschwerdeführerin bekämpft den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt Bescheidaufhebung.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 217 Abs 1 BAO verknüpft die Verpflichtung zur Entrichtung
eines Säumniszuschlages mit dem Fälligkeitstag.
§ 21 Abs 1 UStG 1972 bestimmt für die als Abgabe bezeichnete Vorauszahlung den Fälligkeitstag (erster Satz); eine Gutschrift wirkt auf den Tag der Einreichung der Voranmeldung, frühestens jedoch auf den Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, zurück (sechster Satz).
Nach § 21 Abs 5 UStG 1972 wird durch eine Nachforderung auf Grund der Veranlagung keine von Abs 1 und 3 abweichende Fälligkeit begründet.
Führt eine Festsetzung zur Verminderung eines Überschusses, so gilt nach § 21 Abs 3 letzter Satz UStG 1972 als Fälligkeitstag der Nachforderung der Zeitpunkt, in dem die Gutschrift als Überschuß wirksam war.
Auf dem Boden dieser Rechtslage ist die in der vorliegenden Beschwerde unter dem Gesichtspunkt einer Mangelhaftigkeit der Bescheidbegründung gerügte Rückprojektion nicht als rechtswidrig zu erkennen. Dies gilt im Hinblick auf den letzten Satz des § 21 Abs 3 UStG 1972 insbesondere auch hinsichtlich der Verminderung des Überschusses zum .
Das hg Erkenntnis vom , 87/15/0146, und die in diesem Zusammenhang zitierte Literaturstelle bei Kranich/Siegl/Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 21 Anm 40b, stützt die Ansicht der Beschwerdeführerin, wie bereits die belangte Behörde richtig erkannt hat, deshalb nicht, weil im Beschwerdefall - anders als im damaligen Fall - die oben zitierten Bestimmungen des § 21 UStG 1972 zu den rechtlich maßgebenden Fälligkeitszeitpunkten führen und die Fälligkeitsregelung des § 210 Abs 1 BAO nicht anwendbar ist.
Zu Unrecht beruft sich die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt der von ihr als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften auf die Bestimmungen des § 210 Abs 4 und des § 217 Abs 4 BAO.
Tatbestandsvoraussetzung des § 217 Abs 4 BAO ist zunächst, daß ein Bescheid, der eine sonstige Gutschrift zur Folge hatte, abgeändert oder in Verbindung mit einer gleichzeitigen Neufestsetzung der Abgabe aufgehoben wird.
Die Beschwerdeführerin stellt außer Streit, daß die Gutschriften bereits auf die Voranmeldungen zurückzuführen gewesen seien, während die Veranlagungen zu einem "Nullergebnis" geführt hätten. In Abänderung der vorangemeldeten Überschüsse wurde erstmals in dem hinsichtlich der Veranlagung der Umsatzsteuer für 1985 und 1986 wieder aufgenommenen Verfahren ein geringerer Überschuß bzw. anstelle eines Überschusses eine Umsatzsteuerschuld festgesetzt. Bei den vorangemeldeten Überschüssen handelte es sich um keinen Bescheid, und zwar insbesondere weder im Sinne des § 210 Abs 2 BAO noch im Sinne der ersten Tatbestandsvoraussetzung des § 217 Abs 4 BAO. Gegenüber der nach § 21 UStG 1972 bereits eingetretenen Fälligkeit begründet die gemäß § 210 Abs 4 BAO einzuräumende Nachfrist keinen neuen Fälligkeitszeitpunkt.
Der Beschwerdehinweis auf die Aussetzung der Einhebung der Umsatzsteuernachforderungen übersieht, daß der Antrag nicht vor Ablauf der für die Entrichtung der Abgaben zur Verfügung stehenden Frist oder während der Dauer eines diese Abgaben betreffenden Zahlungsaufschubes im Sinne des § 212 Abs 2 zweiter Satz BAO eingebracht wurde.
Was die von der Beschwerdeführerin zitierte Literaturstelle, Stoll, BAO-Handbuch, 544, anlangt, ist auf die dort ua hinsichtlich der Selbstbemessungsabgaben ersichtliche Einschränkung zu verweisen, derzufolge die betreffenden Nachfristen im Regelfall nicht schon "spätestens mit Ablauf" der zur Verfügung stehenden Fristen beginnen, sodaß hinsichtlich der Selbstbemessungsabgaben die Anlastung eines Säumniszuschlages vom Nachforderungsbetrag im allgemeinen nicht verhindert werden kann.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden konnte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.