VwGH vom 26.04.2000, 99/14/0249
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der L KG in H, vertreten durch Dr. Bernhard Huber und Mag. Eva Huber-Stockinger, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Schillerstraße 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. RV-087.94/1-7/1994, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus dem Bericht über die bei der beschwerdeführenden KG, die im Jahr 1988 auf den Bilanzstichtag 28. Februar übergegangen ist, für den Zeitraum 1987 bis 1989 durchgeführte Buch- und Betriebsprüfung ergibt sich, dass im Jahre 1983 eine Rücklage für nicht entnommenen Gewinn gemäß § 11 EStG 1972 gebildet worden ist, und zwar zu Lasten des Gewinnanteiles des Gesellschafters Hubert A mit dem Betrag von S 896.848,-- und zu Lasten des Gewinnanteils der Gesellschafterin Siegtraud A mit dem Betrag von S 640.605,--. Im Wirtschaftsjahr vom 1. Jänner bis zum überstiegen die Entnahmen den (adaptierten) Gewinn des Jahres 1987, und zwar hinsichtlich Hubert A mit dem Betrag von S 889.168,-- und hinsichtlich Siegtraud A mit dem Betrag von S 676.750,--. In Höhe dieser Entnahmenüberhänge, für Siegtraud A maximal in Höhe der gebildeten Rücklage, sei gemäß § 11 Abs. 6 EStG 1972 eine gewinnerhöhende Rücklagenauflösung vorzunehmen. Weiters sei gemäß § 11 Abs. 7 leg. cit. ein entsprechender Zuschlag anzusetzen.
Der Prüfer ging davon aus, dass der Gewinn des Vorjahres im Sinn des § 11 Abs. 6 EStG 1972 ein Sechstel des steuerlichen Gewinnes des Jahres 1987 und somit hinsichtlich Hubert A S 729.086,-- und hinsichtlich Siegtraud A S 520.775,-- betrage, weil das Wirtschaftsjahr 1988 nur zwei Kalendermonate umfasse. Hubert A und Siegtraud A hätten am eine Einlage von je S 1,5 Mio. getätigt. Am 10. März und am seien sodann Entnahmen von mehr als S 3 Mio. getätigt worden. Im Hinblick auf den mit § 11 EStG 1972 verfolgten Zweck einer dauernden Stärkung des Betriebskapitals könnten aber Einlagen, die nur zum Zweck der Umgehung einer Nachversteuerung kurze Zeit vor dem Bilanzstichtag erfolgten und kurze Zeit später wieder abgezogen würden, nicht anerkannt werden. Die Mehrentnahmen errechneten sich daher wie folgt:
Hubert A Siegtraud A SUMME
Gewinn 1987 lt. HB 4,374.514,-- 3,124.652,--
Anteil 1/6 für Vergleich 729.086,-- 520.775,--
Einlagensaldo lt. HB 1.246,-- 182.975,--
- Entnahme 10.3. 759.500,-- 520.500,-- 1,280.000,--
- Entnahme 26.4. 860.000,-- 860.000,-- 1,720.060,--
Entnahmensaldo -1,618.254,-- -1,197.525,-- 3.000.000,--
Gewinn 1987 729.086,-- 520.775,--
Entnahmen lt. Bp 1,618.254,-- 1,197.525,--
Mehrentnahme lt. Bp 889.168,-- 676.750,--
Die Berufung gegen den nach Wiederaufnahme des Verfahrens ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid für 1988 wendet sich gegen die gewinnerhöhende Auflösung der Rücklage. Es treffe nicht zu, dass die am getätigten Einlagen mit den Entnahmen vom und vom im Zusammenhang stünden und nur den Zweck verfolgt hätten, eine Nachversteuerung der im Jahre 1983 gebildeten Rücklage zu vermeiden. Die Entnahmen vom hätten Einkommensteuervorauszahlungen betroffen und somit keine willkürlichen Zahlungen. Die Einkommensteuer werde laufend aus dem Betriebsvermögen beglichen. Der Vorwurf des Missbrauches sei unangebracht. Es sei nicht möglich gewesen, die Einlage früher als am zu tätigen, weil zuerst der Gewinn des Vorjahres habe ermittelt werden müssen, um eine Feststellung darüber treffen zu können, welche Entnahmen vorgenommen werden dürfen. Im Wirtschaftsjahr Jänner/Februar 1988 habe innerhalb von zwei Monaten der Vorjahresgewinn ermittelt und der Betrag der Entnahmen im Sinn des § 11 EStG 1972 überprüft werden müssen. Dies sei bei einem Wirtschafsjahr von 12 Monaten kein Problem, bei einem Wirtschaftsjahr von nur zwei Monaten müsse die Einlage aber zwangsläufig in zeitlicher Nähe zum Bilanzstichtag liegen. Ein Missbrauch werde von der Rechtsprechung und von den Einkommensteuerrichtlinien dann angenommen, wenn die Einlage kurz vor dem Bilanzstichtag erfolge und die Mittel kurz nach dem Bilanzstichtag in Form einer willkürlichen Entnahme ohne Zweckgebundenheit entnommen würden. Die regelmäßig aus dem Betriebsvermögen erfolgende Einkommensteuerzahlung dürfe nicht als Missbrauch angesehen werden. Die Bildung der Gewinnrücklage diene der anhaltenden Stärkung des Betriebsvermögens, weshalb jedenfalls Entnahmen, die zu keiner Minderung des Betriebskapitals führten, nicht schädlich seien. Im Wirtschaftsjahr 1988/1989 sei ein Gewinn von S 9,228.000,-- erzielt worden. Bei Außerachtlassung der AfA und einer Teilwertabschreibung ergebe sich ein ordentliches Betriebsergebnis von S 10.670.000,--. Saison bedingt würden in den Frühjahrsmonaten März und April die höchsten Umsätze erzielt und somit die höchsten Gewinne erwirtschaftet. Es könne daher angenommen werden, dass der in diesem Zeitraum erzielte Ertrag wesentlich höher sei als der Betrag, der sich für diese zwei Monate bei einer gleichmäßigen Verteilung des Gewinnes ergebe. Im Zeitraum vom 1. März bis zum seien saldiert 2,8 Mio. S entnommen worden. Dieser Betrag entspreche nach vorsichtiger Schätzung dem in diesem Zeitraum erzielten Gewinn. Durch die am getätigte Entnahme sei daher das Betriebskapital nicht vermindert worden, sondern im Hinblick auf den erzielten Gewinn erhalten geblieben.
Der Prüfer gab in der Folge die mit datierte Stellungnahme zur Berufung ab. In dieser Stellungnahme, die der Beschwerdeführerin vom Finanzamt vorgehalten wurde, wird unter anderem ausgeführt, die Einlage von S 3 Mio. auf das betriebliche Girokonto, die mit einem Betrag von S 2, 850.000,-- auf das Firmensparbuch umgebucht worden sei, sei zur Gänze durch Überziehung des privaten Vermietungsgirokontos Konto Nr. 19760 finanziert worden. Dadurch sei auf jenem Konto ein Negativsaldo von S 2,999.065,-- entstanden, der erst wieder durch die Entnahme aus dem Betrieb vom in Höhe von S 2,8 Mio. getilgt worden sei. Da die Kreditzinsen höher seien als die Sparbuchzinsen und das auf dem betrieblichen Sparbuch liegende Geld tatsächlich zur Abdeckung des Sollsaldos des Vermietungsgirokontos verwendet worden sei, sei nach Ansicht des Prüfers die ursprüngliche Absicht, das Geld wieder zu entnehmen, erwiesen.
In einer Stellungnahme vom brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, durch die Entnahmen vom sei das Betriebskapital nicht geschmälert, sondern lediglich der Gewinn, der bis zum Tag der Entnahme erwirtschaftet worden sei, entnommen worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Darstellung des Verfahrensganges und der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen wird ausgeführt, im Wirtschaftsjahr 1988 (1. Jänner bis 28. Februar) hätten Entnahmen von S 729.086,-- (Hubert A) und S 520.775,-- (Siegtraud A) getätigt werden dürfen, ohne die Rechtsfolgen des § 11 Abs. 6 EStG 1972 auszulösen. Aus der Handelsbilanz ergebe sich für das Wirtschaftsjahr 1988 ein Einlagensaldo von S 1.246,-- und S 182.975,--. Dabei sei berücksichtigt, dass die Ehegatten Hubert und Siegtraud A am Einlagen von insgesamt S 3 Mio. getätigt hätten. Am seien jedoch S 759.500,-- und S 520.500,-- sowie am weitere S 2,8 Mio. entnommen worden. Von der Rechtsprechung sei der Grundsatz entwickelt worden, dass eine für nur wenige Tage getätigte Einlage, für die ein betrieblicher Zwang nicht nachgewiesen werde, die durch § 11 Abs. 6 EStG 1972 vorgesehene Rücklagenauflösung nicht hintanhalten könne. Im gegenständlichen Fall seien die Einlagen kurz vor dem Bilanzstichtag und ohne beachtlichen außersteuerlichen Grund, wie er etwa im Liquiditätserfordernis des Betriebes gelegen sein könnte, getätigt worden. Der Hinweis auf die fällige Einkommensteuervorauszahlung sei in diesem Zusammenhang nicht stichhaltig, zumal diese Zahlungsverpflichtung nicht die Notwendigkeit einer Einlage mit sich bringe. Es werde auch darauf verwiesen, dass es in der freien Disposition des Unternehmers liege, Entnahmen zu tätigen, wobei die Gründe für die Entnahme bedeutungslos seien. Die Beschwerdeführerin habe vorgebracht, dass zwischen Einlage und Entnahme nicht bloß eine "kurze Zeit" verstrichen sei. Die belangte Behörde halte dem entgegen, dass auf der Grundlage des § 22 BAO von einem Missbrauch im Zusammenhang mit § 11 Abs. 6 EStG 1972 nur gesprochen werden könne, wenn zwischen der Einlage und der Entnahme ein bestimmter zeitlicher Konnex bestehe. Dabei hänge es von den Umständen des Einzelfalles ab, von welcher Dauer auszugehen sei. Durch die vom Betriebsprüfer dargestellten Geldflüsse und die Verwendung des Geldes (nach der Entnahme) zur Abdeckung des Sollstandes auf dem Vermietungskonto sowie den vom Betriebsprüfer dargestellten Umstand, dass Kreditzinsen höher seien als Sparbuchzinsen, werde untermauert, dass die Beschwerdeführerin durch die Einlage eine Umgehungshandlung gesetzt habe.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 11 Abs. 6 EStG 1972 sind, wenn in einem der auf das Jahr der Bildung der Rücklage für nichtentnommenen Gewinn folgenden fünf Wirtschaftsjahren die Entnahmen höher sind als der jeweilige Gewinn des unmittelbar vorangegangenen Wirtschaftsjahres, die steuerfrei gebildeten Rücklagen im Wirtschaftsjahr der Mehrentnahmen entsprechend dem Betrag der Mehrentnahmen gewinnerhöhend aufzulösen. Gemäß § 11 Abs. 7 EStG 1972 erhöht sich der gewinnerhöhend aufzulösende Betrag um je 5 % für jedes Wirtschaftsjahr, um das die Rücklage (der Rücklagenteil) gegenüber dem Jahr der Bildung später aufgelöst wird.
Wenn im selben Wirtschaftsjahr sowohl Entnahmen als auch Einlagen getätigt worden sind, sind bei Berechnung der Mehrentnahmen im Sinn des § 11 Abs. 6 EStG 1972 Einlagen und Entnahmen gegeneinander aufzurechnen, es sei denn, dass die Einlage nur kurze Zeit um den Bilanzstichtag im Betrieb verbleibt und darin eine Umgehungshandlung zu erblicken ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Slg. 5320/F, vom , 81/14/0119, sowie vom , 92/13/0305, und Schögl/Wiesner/Nolz/Kohler, EStG 1972, 9. Auflage, § 11 Anmerkung 7). Eine mit den Entnahmen zu verrechnende Einlage muss den Wert des Betriebsvermögens erhöhen; werden Wirtschaftsgüter mit Fremdmitteln angeschafft und anschließend eingebracht, wird auch die Schuld zum Betriebsvermögen, weshalb insoweit keine mit den Entnahmen zu saldierende Einlage gegeben ist (vgl. Schubert/Pokorny/Schuch/Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch2, Seite 261).
Nach der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Einlagen, die nur zum Zwecke der Umgehung der Nachversteuerung nach § 11 Abs. 6 mit der entsprechenden Umgehungsabsicht geleistet werden, die Rücklagenauflösung nicht hintanhalten. Dabei ist eine Umgehungsabsicht in der Regel anzunehmen, wenn Einlagen nur kurze Zeit um den Bilanzstichtag im Betrieb verbleiben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/13/0239).
Wenn die belangte Behörde im gegenständlichen Fall die Einlagen vom , soweit sie bereits am wieder entnommen worden sind, nicht im Sinne der obigen Ausführungen mit den Entnahmen des Wirtschaftsjahres vom 1. Jänner bis zum verrechnet hat, so kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die belangte Behörde konnte nämlich davon ausgehen, dass die Mittel dem Betrieb nur für kurze Zeit rund um den Bilanzstichtag verblieben sind und hiefür außersteuerliche Gründe nicht gegeben waren. Einkommensteuerschulden zählen nicht zu den betrieblichen, sondern zu den privaten Schulden. Es besteht keine maßgebliche, im betrieblichen Geschehen wurzelnde Veranlassung, die Mittel, mit denen ca. 2 Wochen später Einkommensteuerschulden getilgt werden sollen, vorher in den Betrieb einzubringen, wenn sie im betrieblichen Bereich im Wesentlichen nur auf einem Sparbuch "geparkt" werden.
Hinsichtlich der Entnahmen vom wurde im Verwaltungsverfahren vorgebracht, sie fänden Deckung im Gewinn, der in der Zeit vom Beginn des Wirtschaftsjahres 1988/1989 bis zum Tag der Entnahme erwirtschaftet worden sei. Die Beschwerde zeigt zu Recht auf, dass sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit diesem Vorbringen nicht auseinander gesetzt hat. Darin ist ein relevanter Verfahrensfehler der belangten Behörde zu erblicken. Von einer Umgehung der sich aus § 11 Abs. 6 EStG 1972 ergebenden Entnahmebeschränkung kann nämlich nicht die Rede sein, wenn im nachfolgenden Wirtschaftsjahr Gewinne erwirtschaftet werden und Beträge in Höhe der bereits erwirtschafteten Gewinne entnommen werden. Daran vermag weder die zeitliche Nähe der Entnahmen zu den früheren Einlagen noch der Umstand etwas zu ändern, dass die seinerzeitigen Einlagen zu einem großen Teil auf einem Sparbuch gebucht und die Beträge für die Entnahmen des nachfolgenden Wirtschaftsjahres von diesem Sparbuch abgezogen worden sind.
Für das fortgesetzte Verfahren wird jedoch folgendem Umstand wesentliche Bedeutung beizumessen sein:
Nach den von der Beschwerdeführerin unwidersprochen gelassenen Ausführungen in der ihr vorgehaltenen Stellungnahme des Betriebsprüfers vom sind die Einlagen von S 3 Mio. über ein privates Vermietungsgirokonto finanziert worden. Durch die Einlagenleistung sei ein Schuldenstand von S 2,999.065,-- entstanden. Ist aber die Einlage im Ausmaß von S 2,999.065,-- fremdfinanziert, so wird, weil mit der Einlage eines Wirtschaftsgutes auch die Finanzierungsverbindlichkeit in das Betriebsvermögen eingeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 99/15/0106, 0107), insoweit eine Verrechnung der Einlagen mit im Wirtschaftsjahr 1988 getätigten Entnahmen ausgeschlossen seien, als die Einlagen nicht zu einer Erhöhung des Wertes des Betriebsvermögens, sondern zu einer Ausweitung des betrieblichen Schuldenstandes geführt haben.
Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am