VwGH vom 27.03.1996, 94/13/0178
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag.DDr. Jahn, über die Beschwerde des O in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. 6/5-1774/92-01, betreffend den "Übergang der Entscheidungspflicht auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz hinsichtlich die Einkommensteuerveranlagung der Jahre 1988 und 1989 betreffende Wiederaufnahmeanträge, Berufungen und Anträge gemäß § 212a BAO", zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Devolutionsantrag und machte darin die Verletzung der sechsmonatigen Entscheidungsfrist durch die Abgabenbehörde erster Instanz "zu den Berufungen und Wiederaufnahmeanträgen sowie den gemäß § 212a BAO beantragten Aussetzungen der Einhebungen zu den Jahreserklärungen für das Jahr 1988 und 1989" geltend. Zum Teil werde es "ein Jahr her sein", daß weder über die Berufungen, noch über die Aussetzungsanträge und "schon gar nicht" über die, zum Teil schriftlich, zum Teil per Telefax und zum Teil auf der Rückseite der Jahreserklärungen gestellten Anträge entschieden worden sei. Es seien "exorbitant" hohe Abgabenfestsetzungen erfolgt und Abgaben "aufgebrummt" worden, deren gänzliche Grundlage fehle. Es werde die Entscheidung "über alle offenen Rechtsmittel, Anträge und Begehren, erliegend in den Akten des Finanzamtes für den 8., 16., 17. Bezirk Wien, in der im Betreff genannten Steuernummer," durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz begehrt.
Im angefochtenen Bescheid referierte die belangte Behörde zunächst den Akteninhalt des beim Finanzamt für den Beschwerdeführer geführten Einkommensteueraktes:
Am sei die Einkommensteuererklärung für das Jahr 1988 eingebracht und mit Bescheid vom dieses Jahr zur Einkommensteuer veranlagt worden (darin seien entsprechend § 192 BAO einheitlich und gesonderte Einkünfte aus Gewerbebetrieb angesetzt worden). Der Einkommensteuerbescheid 1988 sei in Rechtskraft erwachsen. Am sei eine - offenbar vom Vertreter des Beschwerdeführers unterschriebene - Einkommensteuererklärung für 1989 eingereicht worden, die auf der letzten Seite folgenden Vermerk enthalte: "Falls Festsetzung erfolgte wird Wiederaufnahme und Neufestsetzung beantragt". Die Veranlagung 1989 sei mit Bescheid vom erklärungsgemäß (wiederum unter Ansatz eines einheitlich und gesonderten Gewinnanteiles) durchgeführt worden; auch dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen.
Nach Darstellung der Rechtslage zu § 311 BAO führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, die im gegenständlichen Antrag vorgebrachte Behauptung, es wären Anträge auf Wiederaufnahme der Einkommensteuerveranlagungsverfahren für 1988 und 1989 eingebracht worden, finde im vorliegenden Steuerakt keine Deckung. Sollten die für die Jahre 1988 und 1989 am 20. bzw. eingereichten Abgabenerklärungen nach Meinung des Beschwerdeführers Anträge auf Wiederaufnahme der Einkommensteuerveranlagungsverfahren darstellen, so werde übersehen, daß diese Abgabenerklärungen vor Erlassung der betreffenden Einkommensteuerbescheide eingebracht worden seien. Berufungen oder Anträge auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO lägen nicht vor, sodaß das diesbezügliche Vorbringen jeder Grundlage entbehre. Da die behauptete Säumnis des Finanzamtes somit nicht vorliege, sei der Antrag abzuweisen gewesen.
In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 311 Abs. 1 BAO sind die Abgabenbehörden verpflichtet, über die in Abgabenvorschriften vorgesehenen Anbringen (§ 85) der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden. Werden Bescheide der Abgabenbehörden erster Instanz der Partei nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen bekannt gegeben (§ 97), so geht gemäß § 311 Abs. 2 BAO auf schriftliches Verlangen der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz über.
In der Beschwerde wird vorgebracht, durch die Abweisung des Devolutionsantrages "blieben alle meine Eingaben auf Herabsetzung meiner Steuerpflicht unerledigt". Es treffe nicht zu, daß die im angefochtenen Bescheid erwähnten Eingaben vom
20. bzw. "meine einzigen einschlägigen Eingaben in diesem Verfahren geblieben sind". Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ergäben sich aus den Steuerakten für 1988, 1989 und die Folgejahre alle "meine Anträge auf Wiederaufnahme, meine Berufungen und meine Anträge gemäß 212a Bundesabgabenordnung".
Diesem allgemein gehaltenen, durch keinerlei konkretisierte Hinweise auf bestimmte Anbringen untermauerten Vorbringen gelingt es nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Soweit in der Beschwerde geltend gemacht wird, durch "Beschlagnahmemaßnahmen konnte ich meinem Verfahrenshelfer meine Abgabenakte der Jahre 1988, 1989 und für die Folgejahre nicht vorlegen, sodaß ich bei meinen Beschwerdeausführungen die jene einzelnen Aktenstellen nicht zitieren kann, über die sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in aktenwidriger Weise hinwegsetzt", ist dem entgegenzuhalten, daß auch hier weder Beschlagnahmemaßnahmen konkret bezeichnet werden (für die sich nach der Aktenlage im übrigen kein Anhaltspunkt bietet), noch dargestellt wird, welche Eingaben des Beschwerdeführers damit im einzelnen gemeint sein könnten. Da der Beschwerdeführer weiters hinsichtlich seiner Verfahrensrüge, hätte die belangte Behörde "ihre vermeintlichen Feststellungen aus den Akten vorgehalten", so "hätte ich Gelegenheit zur Aufklärung gehabt", das Aufzeigen jeglicher Relevanz unterläßt, war bei der Beurteilung des Beschwerdefalles von dem im angefochtenen Bescheid an Hand der Aktenlage festgestellten Sachverhalt auszugehen, der jedenfalls bezüglich "Berufungen" und "Aussetzungsanträge nach § 212a BAO" keine der Entscheidungspflicht unterliegende Anbringen ausweist (dazu, daß bei Berufungen ein Antrag nach § 311 BAO im übrigen auch unzulässig wäre, siehe z.B. Reeger/Stoll, Kommentar zur Bundesabgabenordnung, Anm. 7 zu § 311).
Es kann dahingestellt bleiben, ob - wie in der Beschwerde geltend gemacht wird - der auf der letzten Seite der Abgabenerklärung 1989 ausgewiesene Vermerk "Falls Festsetzung erfolgte wird Wiederaufnahme und Neufestsetzung beantragt" als Wiederaufnahmeantrag zu werten gewesen wäre. Fehlen Angaben über die Rechtzeitigkeit eines Wiederaufnahmeantrages i.S.d.
§ 303 Abs. 2 BAO oder über den Wiederaufnahmsgrund, so hat dies nämlich - ohne daß hiefür eine Mängelbehebung in Betracht käme - zur Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages zu führen (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Tz 30 und 31 zu § 303, sowie beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 95/14/0055, 95/14/0069). Durch die Abweisung des Devolutionsantrages konnte der Beschwerdeführer damit auch hier im Ergebnis nicht in seinen Rechten verletzt sein.
Soweit in der Beschwerde letztlich ausgeführt wird, "meine Eingaben zu einer Herabsetzung der Steuerbemessung für 1988 und 1989" hätten auch zu amtswegigen Bescheidberichtigungen bzw. zur Bescheidaufhebung in Ausübung des "Aufsichtsrechtes" führen müssen, genügt es darauf hinzuweisen, daß derartige Maßnahmen weder Gegenstand des Devolutionsantrages noch des angefochtenen Bescheides waren.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.