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VwGH vom 21.07.1993, 91/13/0119

VwGH vom 21.07.1993, 91/13/0119

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde 1. der J-OHG, 2. des O und 3. der W, alle in Y, alle vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom , GZ. W 1766/2/1-IV/4/91, betreffend Ausnahmegenehmigung gemäß § 48 BAO,

Spruch

A) den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird, soweit sie von der Erstbeschwerdeführerin erhoben wurde, zurückgewiesen,

B) zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird, soweit sie vom Zweitbeschwerdeführer und von der Drittbeschwerdeführerin erhoben wurde, als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die unbeschränkt steuerpflichtigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer sind Gesellschafter der erstbeschwerdeführenden J-OHG. Diese ist zu 60 % an der Firma X-Ges.m.b.H. mit Sitz in K (BRD) beteiligt. Mit Vertrag vom wurde beschlossen, das gezeichnete Kapital der Firma X-Ges.m.b.H. von DM 100.000,-- auf DM 500.000,-- aus Gesellschaftsmitteln (Auflösung der Gewinnrücklage) zu erhöhen.

Da dieser Vorgang vom Doppelbesteuerungsabkommen Republik Österreich - Bundesrepublik Deutschland nicht erfaßt sei, weil die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln in Deutschland vorerst steuerlich unbeachtlich sei, wurde gemäß § 48 BAO der Antrag gestellt, den Buchgewinn aus der Kapitalerhöhung von der inländischen Besteuerung auszunehmen. Als Begründung wurde angeführt, daß § 48 BAO auch bei einer bloß potentiellen Doppelbesteuerung zur Anwendung komme. Dieser Fall liege vor, weil die Kapitalerhöhung in Deutschland anläßlich der Veräußerung der Gesellschaftsanteile versteuert werde.

Mit dem an den Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin adressierten angefochtenen Bescheid wies der Bundesminister für Finanzen den Antrag als unbegründet ab. Das Tatbestandsmerkmal "Abgabenhoheit mehrerer Staaten" sei wohl erfüllt, dies allein reiche jedoch nicht aus, um auf die Erhebung von in den österreichischen Abgabengesetzen geregelten Abgaben verzichten zu können. Als weitere Rechtsvoraussetzung für die Anwendung des § 48 BAO sei es erforderlich, daß die österreichische Entlastungsmaßnahme dem "Ausgleich der in- und ausländischen Besteuerung" diene; darunter werde eine Maßnahme gegen eine tatsächliche Doppelbesteuerung verstanden und es müsse die österreichische Entlastungsmaßnahme aus Gegenseitigkeitserwägungen erforderlich sein. Da im vorliegenden Fall keine der österreichischen Einkommensteuer vergleichbare Abgabe erhoben worden sei, sei die Rechtsvoraussetzung einer tatsächlichen internationalen Doppelbesteuerung nicht gegeben. Die Herstellung eines Gegenseitigkeitsverhältnisses im Einzelfall würde lediglich eine Angleichung an die in Deutschland bestehende Rechtslage bewirken. Ein derartiges Gegenseitigkeitsverhältnis müßte jedoch vom ausländischen Staat an Österreich gerichtet sein. Die Gegenseitigkeitserwägungen seien daher in dem zur Entscheidung vorgelegten Fall insoweit gegenstandslos.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der angefochtene Bescheid der belangten Behörde erging lediglich an den Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin. Da zur Beschwerdeführung an den Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich nur derjenige legitimiert ist, an den der letztinstanzliche Bescheid ergangen ist, kommt der Erstbeschwerdeführerin eine Beschwerdelegitimation nicht zu. Die Beschwerde war daher insoweit, als sie von der Erstbeschwerdeführerin erhoben wurde, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mit Beschluß zurückzuweisen.

Nach § 48 BAO kann das Bundesministerium (richtig: der Bundesminister - siehe z.B. die Erkenntnisse vom , Zl. 1430/78 und vom , Zl. 89/13/0115) für Finanzen bei Abgabepflichtigen, die der Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterliegen, soweit dies zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung oder zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung erforderlich ist, anordnen, bestimmte Gegenstände der Abgabenerhebung ganz oder teilweise aus der Abgabepflicht auszuscheiden oder ausländische, auf solche Gegenstände entfallende Abgaben ganz oder teilweise auf die inländischen Abgaben anzurechnen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Tatbestandsmerkmal "Abgabenhoheit mehrerer Staaten" im völkerrechtlichen Sinn zu verstehen; es geht hierbei um die völkerrechtliche Berechtigung der Staaten, Steuertatbestände zu schaffen. Es kommt somit nicht auf die tatsächliche Besteuerung, sondern bloß auf die potentielle (virtuelle) Besteuerung an. Es geht einzig und allein darum, daß der andere Staat die völkerrechtliche Berechtigung besitzen muß, dies zu tun (vgl. die Erkenntnisse vom , 89/16/0069 und , 90/13/0007).

Das Vorliegen einer bloß "virtuellen Doppelbesteuerung" reicht aber für sich allein noch nicht aus, um auf der Grundlage des § 48 BAO eine Steuerentlastungsmaßnahme nach dem Ermessen (§ 20 BAO) der belangten Behörde vorzunehmen. Es muß nämlich neben der Rechtsvoraussetzung "Abgabenhoheit mehrerer Staaten" noch eine zweite Rechtsvoraussetzung erfüllt sein.

Diese ist alternativ formuliert:

a. Es muß entweder die steuerliche Entlastungsmaßnahme "zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung" erforderlich sein oder

b. es muß eine solche Maßnahme "zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung" erforderlich sein.

Ein "Ausgleich der in- und ausländischen Besteuerung" kann nur dann stattfinden, wenn eine ausländische Besteuerung erfolgt ist; denn nur dann kann begrifflich von einem "Ausgleich" hiefür bei der inländischen Besteuerung gesprochen werden. Mit anderen Worten, das Gesetz verlangt mit dieser zweiten Rechtsvoraussetzung ausdrücklich das Bestehen einer tatsächlichen internationalen Doppelbesteuerung; die bloße Möglichkeit, im Ausland auch in Anspruch genommen zu werden ("virtuelle Doppelbesteuerung"), ist hier nicht ausreichend (vgl. abermals die Erkenntnisse vom , 89/16/0069 und vom , 90/13/0007).

Die Beschwerdeführer gehen - anders als es bei den den von den Beschwerdeführern zitierten hg. Erkenntnissen zugrundeliegenden Sachverhalten der Fall ist - ausdrücklich davon aus, daß die Herstellung von Gegenseitigkeitmaßnahmen, für deren Bestehen eine bloß "virtuelle Doppelbesteuerung" genügt (vgl. Loukota, Vermeidung internationaler Doppelbesteuerungen gemäß § 48 BAO, in: FS Stoll, Steuern im Rechtsstaat, 1990, S 413; Philipp - Loukota, Internationales Steuerrecht2, § 48 BAO Z. 00 Rz. 9), nicht Gegenstand des Antrages war. Die Beschwerdeführer erachten sich vielmehr dadurch in ihren Rechten verletzt, daß für eine Entsteuerungsmaßnahme eine bloß mögliche Doppelbesteuerung genüge. Für den Bereich der "Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung" widerspricht diese Auffassung jedoch - wie ausgeführt - der Rechtslage. Ebensowenig kommt die Rechtsrüge der Beschwerdeführer, § 48 BAO sei für unbeschränkt Steuerpflichtige dem Grunde nach eine zwingende Rechtsnorm und der Bundesminister für Finanzen habe bei diesem Personenkreis nur mehr hinsichtlich der Art und des Ausmaßes der Ausnahmeverfügung freies Ermessen (vgl. Philipp - Loukota, aaO. § 48 BAO Z. 00 Rz. 16 ff), zum Tragen. Auf diesen Gesichtspunkt kommt es schon deshalb nicht an, weil die Rechtsvoraussetzungen der Anwendung des § 48 BAO nicht vorliegen.

Die Beschwerdeführer bringen weiters unter dem Aspekt der Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, die Behörde habe antragswidrig keine Ermessensentscheidung getroffen. Der angefochtene Bescheid enthalte darüberhinaus auch keine Sachverhaltsfeststellungen.

Dem erstgenannten Einwand ist entgegenzuhalten, daß die Behörde zu Recht eine Rechtsentscheidung getroffen hat, weil die Voraussetzung der "Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung" nicht gegeben ist (siehe Stoll, Bundesabgabenordnung - Handbuch, 1980, S 114). Die Frage der Ausübung des Ermessens erübrigt sich somit im Beschwerdefall. In bezug auf den zweitgenannten Vorwurf ist festzuhalten, daß die belangte Behörde nach den allgemeinen Grundsätzen eines geordneten Verfahrens zur ausreichenden Begründung eines Bescheides verpflichtet ist, aus welcher die wesentlichen Ergebnisse des Beweisverfahrens, die bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen und die darauf gestützte Lösung der Rechtsfrage ersichtlich sein müssen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 92/13/0077). Diesen Grundsätzen genügt die Begründung des angefochtenen Bescheides in ausreichendem Maß, weil sich die Behörde in ihren rechtlichen Erwägungen mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer umfassend auseinandergesetzt hat.

Da die belangte Behörde eine Ausnahmegenehmigung - aus den angeführten Gründen zu Recht - nicht erteilt hat, konnte es auf sich beruhen, ob die Voraussetzungen für eine solche Ausnahmegenehmigung insoferne bestanden haben, als ohnehin das Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland Österreich das ausschließliche Besteuerungsrecht zuweist.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.