VwGH vom 29.07.2004, 2003/16/0471
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner sowie die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der M Transporte GmbH in C (Schweiz), vertreten durch Dr. Robert Eiter, Rechtsanwalt in 6500 Landeck, Malser Straße 13/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Zollsenat 2, vom , Zl. ZRV/0003-Z2L/02, betreffend Sachhaftung gemäß § 80 Abs. 4 ZollR-DG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Hauptzollamtes Innsbruck vom wurde gegenüber der beschwerdeführenden Gesellschaft Zoll und Einfuhrumsatzsteuer in der Höhe von insgesamt S 242.968,-- sowie S 18.071,-- an Abgabenerhöhung, insgesamt somit S 261.039,-- (entspricht EUR 18.970,44) festgesetzt. Begründend wurde ausgeführt, dass ein in der Schweiz, somit außerhalb des Zollgebietes der Gemeinschaft, auf die beschwerdeführende Gesellschaft zugelassener Sattelschlepper im Auftrag der beschwerdeführenden Gesellschaft zwischen April 1997 und Februar 1998 zur gewerblichen Beförderung innerhalb des Zollgebietes der Europäischen Gemeinschaften verwendet worden sei, ohne dass dafür eine güterbeförderungsrechtliche Bewilligung vorgelegen sei. Durch die vorschriftswidrige Verwendung des Sattelschleppers sei die Zollschuld kraft Gesetzes entstanden; auf Grund der Einfuhr des Sattelschleppers aus dem Drittlandsgebiet in das Inland sei Einfuhrumsatzsteuer vorzuschreiben gewesen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung entschied das Hauptzollamt Innsbruck mit Berufungsvorentscheidung vom dahin, dass die Abgabenerhöhung an Stelle von S 18.071,-- mit S 38.984,--, insgesamt somit ein Betrag von S 281.952 (entspricht EUR 20.490,25) festgesetzt wurde. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Nach zwei vorangegangen - als rechtswidrig erkannten - Beschlagnahmen verfügte das Hauptzollamt Innsbruck mit Bescheid vom die Beschlagnahme des seit in Verwahrung befindlichen Sattelschleppers zur Geltendmachung der Sachhaftung für die auf dem Fahrzeug lastende Eingangsabgabenschuld in der Höhe von insgesamt EUR 21.636,66. Zur Einbringung dieser Abgabenschuld könne das beschlagnahmte Fahrzeug verwertet werden. Nach der Begründung sei die Beschlagnahme gerechtfertigt, zumal "die Zollschuldnerin ihren Sitz im Zollausland (Schweiz) hat und diese seit Beginn des Abgabenverfahrens keine einzige Zahlung auf ihr im "Saldo" befindliches Abgabenkonto beim Hauptzollamt Innsbruck geleistet hat."
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies das Hauptzollamt Innsbruck mit Berufungsvorentscheidung vom ab.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. In der Begründung gab die belangte Behörde den Gang des Verwaltungsverfahrens wieder und stellte die einschlägige Rechtslage und Rechtsprechung dar. Die beschwerdeführende Gesellschaft habe als Halterin über den Sattelschlepper verfügen können. Dass sie nicht Inhaberin des Fahrzeuges gewesen sei, habe sie nicht behauptet. Die Beschlagnahme liege im öffentlichen Interesse insbesondere an der Einbringung der vorgeschriebenen Eingangsabgaben, weil zwischen der Eigentümerin des Fahrzeuges und der beschwerdeführenden Gesellschaft ein Rechtsverhältnis (Finanzierungsleasingvertrag) bestehe, das die Haftung der Eigentümerin mit der Sache auch dann nicht ungerechtfertigt erscheinen lasse, wenn diese kein wie immer geartetes Verschulden treffe. Dem öffentlichen Interesse sei gegenüber der "Billigkeit" der Vorzug zu geben.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gesellschaft Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 963/03, abgelehnt und die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat. In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde macht die beschwerdeführende Gesellschaft Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend; sie erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtdurchführung einer Beschlagnahme verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde - unbestritten mittlerweile rechtskräftig - als Schuldnerin jener Abgabenschuld, zu deren Gunsten die Beschlagnahme des Sattelschleppers verfügt wurde, in Anspruch genommen.
Gemäß Art. 80 Abs. 4 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) haften Waren, für die eine Zollschuld entstanden ist und die sich im Besitz eines Zollschuldners oder eines nach den Abgabenvorschriften persönlich Haftenden befinden, ohne Rücksicht auf die Rechte anderer Personen für die auf sie entfallenden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben und können aus diesem Grund von der Zollstelle beschlagnahmt werden. Die Haftung beginnt mit dem Entstehen und endet mit dem Erlöschen der Zollschuld. In gleicher Weise haften Waren, die sich im Besitz einer anderen Person befinden, sofern diese wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass der Zollanmeldung unrichtige oder unvollständige Angaben zu Grunde gelegt worden waren, dass die Waren vorschriftswidrig in das Zollgebiet oder aus einer Freizone oder einem Freilager in einen anderen Teil des Zollgebiets verbracht worden waren, dass die Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen worden waren oder dass Umstände vorgelegen hatten, die zu einer Entstehung der Zollschuld nach Art. 204 ZK geführt haben.
Nach § 4 Abs. 2 Z 3 ZollR-DG bedeutet im Zollrecht Besitz jegliche Form der Innehabung einer Ware.
Die beschwerdeführende Gesellschaft führt zunächst für ihren Standpunkt ins Treffen, die Leasinggeberin sei Eigentümerin des Sattelschleppers; diese Gesellschaft sei weder Zollschuldnerin noch persönlich Haftende. Die beschwerdeführende Gesellschaft bzw. deren Organe hätten (Hinweis auf § 80 Abs. 4 Satz 3 ZollR-DG) nicht gewusst und nicht wissen müssen, dass die Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden sei. Das Strafverfahren gegen den Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft sei noch nicht abgeschlossen, weshalb keine rechtskräftige Entscheidung über das Verschulden vorliege.
Mit diesen Argumenten verkennt die beschwerdeführende Gesellschaft den Umstand, dass sie als Zollschuldnerin in Anspruch genommen wurde, und keine "andere Person" im Sinne der genannten Bestimmung ist, in deren Besitz sich die Waren befanden. Der für die Beschlagnahme von Waren im Besitz solcher Personen vorausgesetzte Verschuldensmaßstab ist bei der beschwerdeführenden Gesellschaft als Zollschuldnerin nicht anzulegen. Die Innehabung des Sattelschleppers hat die beschwerdeführende Gesellschaft nicht bestritten. Im Übrigen kommt es auf das Eigentum am beschlagnahmten Gegenstand nicht an (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 86/16/0214).
Soweit sich die beschwerdeführende Gesellschaft auf eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums beruft, ist sie darauf zu verweisen, dass der mit dieser Angelegenheit bereits befasste Verfassungsgerichtshof (vgl. auch den Beschluss vom , B 963/03) keine Bedenken in diese Richtung geäußert hat; im Übrigen ist der Verwaltungsgerichtshof zur Prüfung, ob der Beschwerdeführer in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde, nicht zuständig (vgl. Art. 133 Z 1 B-VG).
Mit ihrer im Hinblick auf das von der belangten Behörde geübte Ermessen aufgestellten Behauptung, es liege "eindeutig eine Bevorzugung der Europäischen Union" vor, weil sie weder die Eingangsabgaben noch Forderungen der Leasinggeberin befriedigen könne, zeigt sie keinen Ermessensfehler der belangten Behörde auf; mit diesen Argumenten wird nämlich weder eine Übermessensüberschreitung noch ein Ermessensmissbrauch behauptet (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung2, Rz 10 zu § 20 BAO).
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die beschwerdeführenden Gesellschaft geltend, es fehlten Feststellungen über die Voraussetzungen einer Beschlagnahme, wenn sich die Ware im Besitz einer anderen Person befinde.
Im Hinblick auf die bei der Rechtsrüge gemachten Ausführungen war die belangte Behörde nicht gehalten, solche Feststellungen zu treffen.
Da die beschwerdeführende Gesellschaft eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen vermochte, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung konnte im Hinblick auf die einfach zu lösende Rechtsfrage in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am