VwGH vom 08.04.1992, 91/13/0116
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des D in B, vertreten durch Dr. A, Rechtanwalt in N, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. 6/4-4027/90-04, betreffend Verspätungszuschlag von Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde von der Abgabenbehörde am aufgefordert, Abgabenerklärungen unter anderem betreffend die Umsatz- und Einkommensteuer 1988 bis einzureichen. Diese Frist verstrich ungenützt. Mit Erinnerung vom wurde dem Beschwerdeführer für den Fall der Nichtabgabe derselben Abgabenerklärungen bis die Festsetzung einer Zwangsstrafe angedroht. Mit Eingabe vom wurde ein Antrag auf Gewährung einer Nachfrist zur Abgabe der Steuererklärungen bis eingebracht. Mit verfahrensleitendem Bescheid vom wurde dieses Ansuchen abgewiesen, jedoch ausgeführt, daß die genannten Erklärungen noch als fristgerecht eingebracht gelten, wenn sie bis längstens beim Finanzamt eingereicht werden. In der Folge langten die Abgabenerklärungen am beim Finanzamt ein. Im Rahmen der Veranlagung zur Umsatzsteuer und Einkommensteuer für 1988 wurde hinsichtlich der Umsatzsteuer ein Verspätungszuschlag von 0,1 % und hinsichtlich der Einkommensteuer ein solcher von 1,9 % der jeweils festgesetzten Abgabe auferlegt.
In einer dagegen eingebrachten Berufung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die Erklärungen zum termingerecht eingebracht worden wären. In einer als Berufungsfortsetzung bezeichneten Eingabe wurde vorgebracht, daß dem Beschwerdeführer die Verfügung vom unbekannt geblieben sei.
Mit dem nunmehr mit Beschwerde angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die Frist zur Abgabe der Erklärungen am abgelaufen wäre, weshalb der Verspätungszuschlag infolge unentschuldbarer Verspätung festzusetzen gewesen wäre. Zur bewilligten Einreichung der Erklärungen bis wurde ausgeführt, daß sich dieser "Teil des Schreibens" auf die in der Erinnerung vom erfolgte Androhung der Festsetzung einer Zwangsstrafe bezogen hätte, da die Frist bereits mit abgelaufen gewesen wäre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften eingebrachte Beschwerde.
Nach dem Beschwerdevorbringen erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf richtige Anwendung der §§ 135 Abs 1 und 115 BAO verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 134 Abs 2 BAO kann die Abgabenbehörde im Einzelfall auf begründeten Antrag die in Abgabenvorschriften bestimmte Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung verlängern. Wird einem Antrag auf Verlängerung der Frist zur Einreichung der Abgabenerklärung nicht stattgegeben, so ist für die Einreichung der Abgabenerklärung eine Nachfrist von mindestens einer Woche zu setzen.
Gemäß § 135 BAO kann die Abgabenbehörde Abgabepflichtigen, die die Frist zu Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, einen Zuschlag bis zu 10 % der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist.
Während die belangte Behörde die Ansicht vertritt, die Festsetzung des Verspätungszuschlages sei deswegen gerechtfertigt, weil die Frist zur Abgabe der Erklärungen am abgelaufen sei, die Erklärungen aber erst am und daher verspätet eingereicht worden seien, vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, daß die Erklärungen innerhalb der mit verfahrensleitender Verfügung vom eingeräumten Frist und daher fristgerecht eingebracht worden seien, weshalb der Beschwerdeführer neben der Behauptung, daß ihm die verfahrensleitende Verfügung vom nicht zugekommen sei, unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit rügt, daß die belangte Behörde keine Feststellungen über ein Verschulden des Beschwerdeführers getroffen habe.
Wiewohl weder der Beschwerdebehauptung, dem Beschwerdeführer sei die verfahrensleitende Verfügung nicht zugekommen, noch der nicht näher begründeten Ansicht, die Übernahme der Verfügung vom durch seine Gattin sei "irrtümlich und rechtswidrig", im Hinblick auf
§ 16 Zustellgesetz, gefolgt werden kann, ist die Beschwerde berechtigt:
Die Frist zur Einreichung der Abgabenerklärungen für 1988 ist am abgelaufen. Mit verfahrensleitendem Bescheid vom hat das Finanzamt ein nach Ablauf dieser Frist eingereichtes "Fristverlängerungsansuchen" abgewiesen. Obwohl die gesetzliche Bestimmung des § 134 Abs 2 zweiter Satz BAO nicht zur Anwendung kommen konnte, weil ein Antrag auf Fristverlängerung im Sinne des § 134 Abs 2 erster Satz leg cit begrifflich nur innerhalb offener Frist möglich ist, wurde eine "Nachfrist" gewährt, bzw ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Erklärungen noch als fristgerecht eingebracht gelten, wenn sie bis längstens beim Finanzamt eingereicht werden. Der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht, daß sich "dieser Teil des Schreibens" (vom ) auf die in der Erinnerung vom erfolgte Androhung der Festsetzung einer Zwangsstrafe beziehe, kann deshalb nicht gefolgt werden, weil eine Erinnerung mit Androhung einer Zwangsstrafe keine (neuerliche) Frist eröffnet, innerhalb welcher Erklärungen als FRISTGERECHT EINGEBRACHT gelten können. Die gegebenenfalls erfolgende Einbringung der Abgabenerklärungen bis zu dem in der Zwangsstrafenandrohung festgesetzten Termin bewirkt lediglich, daß die angedrohte Zwangsstrafe nicht festzusetzen ist. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlages wegen verspäteter Einreichung der Abgabenerklärung schließt dieser Umstand dann nicht aus. Wollte die Behörde die Fristverlängerung, wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt, tatsächlich auf die Zwangsstrafenandrohung beziehen, hätte sie nicht von fristgerecht eingebracht geltenden Erklärungen sprechen dürfen, sondern zum Ausdruck bringen müssen, daß die angedrohte Zwangsstrafe nicht festgesetzt werden würde, wenn die Erklärungen nunmehr bis einlangen.
Gegenständlich wurde jedoch zweifellos - wenn auch rechtswidrig - eine Nachfrist im Sinne des § 134 Abs 2 zweiter Satz gesetzt, bei deren Einhaltung ein Verspätungszuschlag ausgeschlossen ist. Daß die belangte Behörde dies verkannt hat, belastet den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden konnte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991.