TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 23.11.1994, 91/13/0111

VwGH vom 23.11.1994, 91/13/0111

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat I) vom , Zl. 6/1-1343/88-01, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1985 und 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.310,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausschließlich über die Höhe der Abschreibungsgrundlage einer im Jahr 1974 erworbenen Liegenschaft im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Jahre 1985 und 1986. Unbestritten ist, daß das Gebäude seinerzeit gegen einen Barkaufpreis von S 750.000,-- sowie Übernahme von drei Darlehen erworben wurde. Zwei der Darlehen waren unverzinslich und betrugen S 1,937.722,50 (Laufzeit ca. 20 Jahre) bzw. S 1,766.194,-- (Laufzeit 75 Jahre). Die Abschreibung der Gebäude erfolgte bis einschließlich 1984 erklärungsgemäß von den Anschaffungskosten, wobei sämtliche Darlehen mit dem Nennbetrag berücksichtigt wurden.

Erstmals für das Jahr 1985 vertrat die Abgabenbehörde die Auffassung, daß die beiden unverzinslichen Darlehen bei Ermittlung der Abschreibungsgrundlage abzuzinsen gewesen wären und zwar von S 1,937.722,50 auf S 1,351.561,50 und von S 1,766.194,-- auf S 225.896,21. Diese Vorgangsweise, die dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid zugrundeliegt, wird vom Beschwerdeführer bekämpft. Geltend gemacht wird inhaltliche Rechtswidrigkeit.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung auf die Bewertungsregeln des Bewertungsgesetzes, wonach der Wert unverzinslicher befristeter Forderungen und Schulden mit jenem Betrag anzusetzen ist, der nach Abzug von jährlichen Zinsen in Höhe von 5,5 v.H. des Nennwertes bis zur Fälligkeit verbleibt (§ 14 Abs. 3 BewG).

Der Beschwerdeführer vertritt demgegenüber den Standpunkt, daß die Anschaffungskosten unter Beachtung der Bestimmungen des § 6 EStG 1972 anzusetzen seien und zwar auch dann, wenn das betreffende Wirtschaftsgut - wie im Beschwerdefall - Privatvermögen und nicht Betriebsvermögen darstellt.

Der Gerichtshof teilt aus folgenden Überlegungen die Rechtsansicht des Beschwerdeführers:

Richtig ist, daß die Bestimmungen des ersten Teiles des Bewertungsgesetzes, zu denen auch § 14 BewG gehört, gemäß § 1 Abs. 1 BewG grundsätzlich auch für die Einkommensteuer gelten; dies jedoch nur insoweit, als sich nicht aus einkommensteuerlichen Vorschriften etwas anderes ergibt. Letzteres trifft auf den Inhalt des Begriffes "Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes" zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 89/14/0289). Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 8 EStG 1972 gehören zu den Werbungskosten auch Absetzungen für Abnutzung und für Substanzverringerung. Im unmittelbar darauf anschließenden Klammerausdruck wird auf § 7 Bezug genommen, wo die Absetzung für Abnutzung (AfA) näher geregelt ist. Die in § 7 EStG 1972 enthaltenen Regeln sind daher grundsätzlich nicht nur im betrieblichen, sondern auch im außerbetrieblichen Bereich zu beachten. Zu diesen Grundsätzen gehört unter anderem die Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage. Als solche gelten die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des abzuschreibenden Wirtschaftsgutes. Der Begriff der Anschaffungs- oder Herstellungskosten ist somit im betrieblichen Bereich derselbe wie im außerbetrieblichen. Damit ist allerdings über den Inhalt dieses Begriffes noch nichts gesagt. Das Einkommensteuergesetz 1972 enthält nämlich keine diesbezügliche Begriffsumschreibung, verwendet den Begriff allerdings häufig und insbesondere auch in seinem § 6, der die Bewertung der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens regelt. Da für die Bewertung des Betriebsvermögens die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung gelten (§ 4 Abs. 2, § 5 EStG 1972), sind diese heranzuziehen, um den Inhalt des Begriffes "Anschaffungs- oder Herstellungskosten" zu bestimmen.

Schon vor der Kodifizierung eines großen Teiles der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung durch das Rechnungslegungsgesetz, BGBl. Nr. 475/1990, galten als Anschaffungskosten alle Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen (vgl. nunmehr § 203 Abs. 2 HGB). Dazu gehören auch Verbindlichkeiten, die der Erwerber als Gegenleistung für die Übertragung des Vermögensgegenstandes übernimmt (vgl. Quantschnigg-Schuch Einkommensteuerhandbuch3, Tz 53 zu § 6). Verbindlichkeiten sind grundsätzlich mit dem Rückzahlungsbetrag anzusetzen. Eine Abzinsung dieses Betrages kommt nicht in Betracht, es sei denn, in der Verbindlichkeit wären Zinsenkomponenten enthalten, die nämlich in Wahrheit nicht Anschaffungskosten der Verbindlichkeit darstellen, sondern als laufender Zinsenaufwand zu berücksichtigen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 85/14/0134). Ein solcher Fall liegt der Beschwerde jedoch nicht zugrunde. Das grundsätzliche Abzinsungsverbot von Verbindlichkeiten ergibt sich aus § 6 Z. 3 EStG 1972. Danach sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der Z. 2 anzusetzen. Die Z. 2 des § 6 EStG 1972 sieht unter anderem vor, daß Aktivvermögen höchstens mit den tatsächlichen Anschaffungskosten bewertet werden darf. Während einer Wertminderung durch eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert Rechnung getragen werden kann bzw. getragen werden muß, ist die Berücksichtigung einer allfälligen Werterhöhung mit Rücksicht darauf, daß nicht verwirklichte Gewinne nicht ausgewiesen werden dürfen, unzulässig. Für Verbindlichkeiten gilt dies mit umgekehrtem Vorzeichen (sogenanntes Imparitätsprinzip): Während der Erhöhung einer Verbindlichkeit durch einen entsprechenden Wertansatz (höherer Teilwert) Rechnung zu tragen ist, kommt ein Wertansatz, der niedriger ist als der Rückzahlungsbetrag, nicht in Betracht. Diese aus dem Vorsichtsprinzip des ordentlichen Kaufmannes abgeleitete Bewertungsregel (vgl. § 201 Abs. 1 Z. 4 HGB) bestimmt unter anderem den Begriff der Anschaffungskosten im Einkommensteuerrecht, und zwar - wie bereits erwähnt - ohne Rücksicht darauf, ob die angeschafften Wirtschaftsgüter dem Betriebsvermögen oder dem Privatvermögen zuzurechnen sind. Der von der belangten Behörde ins Treffen geführten Rechtsansicht Stolls (Rentenbesteuerung3, 38 ff) vermag sich der Gerichtshof demnach nicht anzuschließen.

Da somit eine Abzinsung von Darlehen gemäß § 14 Abs. 3 BewG gegen die im Bereich des Einkommensteuerrechtes zu beachtenden Rechtsvorschriften betreffend die Ermittlung der Anschaffungskosten eines Wirtschaftsgutes verstößt, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Art. III Abs. 2 der zitierten Verordnung war nicht anzuwenden, weil der Schriftsatzaufwand in geringerer Höhe geltend gemacht wurde, als der Rechtslage zum Zeitpunkt des Kostenbegehrens (Verordnung, BGBl. Nr. 104/1991) entspricht. Der Ersatz von Stempelgebühren war nur in jener Höhe zuzusprechen, in der Stempelgebühren für Schriftsätze und Beilagen zu entrichten waren, die der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienten, wobei zu beachten ist, daß die Stempelgebühr pro Beschwerdeausfertigung auch dann nur S 120,-- beträgt, wenn die Beschwerde aus mehreren Bogen besteht.