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VwGH vom 29.07.2004, 2003/16/0137

VwGH vom 29.07.2004, 2003/16/0137

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des Mag. W in A, vertreten durch DDr. Gunter Peyrl und Mag. Sigrun Teufer-Peyrl, Rechtsanwälte in 4240 Freistadt, Pfarrgasse 20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Zollsenat 1, vom , Zl. ZRV/224-Z1W/2002, betreffend Haftung für Abgabenschulden gemäß § 9 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach der Aktenlage wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom über Vermögen der W. KG das Ausgleichsverfahren und mit Beschluss vom der Konkurs eröffnet. Einzige persönlich haftende Gesellschafterin der W. KG war die W. GmbH, über deren Vermögen ebenfalls mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom der Konkurs eröffnet wurde. Die W. GmbH vertrat die W. KG selbstständig. Der Beschwerdeführer war vom bis zum Alleingeschäftsführer der W. GmbH.

In einem gegen die W. KG erlassenen Rückstandsausweis vom machte das Zollamt Wien Einfuhrumsatzsteuer, Säumniszuschläge sowie Außenhandelsförderungsbeiträge samt Nebengebühren in der Höhe von insgesamt S 180.006,20 geltend. Diese Forderung wurde am selben Tag im Ausgleichsverfahren über das Vermögen der W. KG angemeldet.

In dem mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom bestätigten Ausgleich verpflichtete sich die W. KG zur Zahlung einer 40 %igen Quote in Raten von 15 %, 5 % und 20 %. Nach Zahlung der ersten beiden Raten wurde die dritte Rate von der W. KG nicht mehr entrichtet, was zur erwähnten Konkurseröffnung geführt hat.

Im Konkurs der W. KG meldete das Hauptzollamt Wien die im Rückstandsausweis vom geltend gemachten Forderungen an Einfuhrumsatzsteuer und "sonstigen Nebengebühren" in der Höhe von insgesamt S 90.003,10 an. Von diesem Betrag erhielt der Abgabengläubiger eine im Konkursverfahren festgestellte Quote von 12,8 %. Der Konkurs über das Vermögen der W. KG wurde am aufgehoben.

Mit Bescheid vom verpflichtete das Hauptzollamt Wien den Beschwerdeführer als Haftungspflichtigen gemäß den §§ 9, 80 BAO zur Zahlung der aushaftenden Abgabenschulden der W. KG in der Höhe von S 78.461,21. Nach der Begründung hafte der Beschwerdeführer als Geschäftsführer infolge schuldhafter Verletzung der ihm in dieser Eigenschaft auferlegten Verpflichtungen für die im Konkurs angemeldete - mittlerweile uneinbringliche - Forderung, von der die Konkursquote von 12,8 % abgezogen worden sei. Der nunmehr geltend gemachte Betrag setze sich zusammen aus S 75.117,21 an Einfuhrumsatzsteuer, S 937,-- an Außenhandelsförderungsbeitrag, S 2.154,-- an Säumniszuschlägen, S 72,-- an handelsstatistischer Gebühr und S 181,-- an sonstigen Nebengebühren.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe mangels Geschäftsführerfunktion zu dieser Zeit auf die Erfüllung des Ausgleichs keinen Einfluss gehabt, weshalb er für die aushaftende Forderung nicht herangezogen werden könne. Im Übrigen sei ein außergerichtliches Moratorium zwischen der W. KG und den Ausgleichsgläubigern zustande gekommen. Während seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bis sei die W. KG lediglich überschuldet, aber nicht zahlungsunfähig gewesen. Für die Zahlungen an die Abgabenbehörden sei "intern" der Vater des Beschwerdeführers zuständig gewesen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen, woraufhin der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag stellte. In diesem verwies der Beschwerdeführer auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 96/15/0049, das im Beschwerdefall nicht anzuwenden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung gab sie den Gang des Verwaltungsverfahrens wieder und stellte die einschlägige Rechtslage dar. Den eingangs wiedergegebenen - im Wesentlichen unbestrittenen - Sachverhalt beurteilte die belangte Behörde dahin, dass der Beschwerdeführer als selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der selbstständig vertretungsbefugten Komplementär-GmbH der W. KG für die zwischen dem und dem fällig gewordenen Abgabenbeträge hafte. Die im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 96/15/0049, vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Rechtsauffassung sei auf den Beschwerdefall schon deshalb anzuwenden, weil der Haftungsbescheid gegen den Beschwerdeführer zu einem späteren Zeitpunkt erlassen worden sei. Nach dem genannten Erkenntnis stehe die rechtskräftige Bestätigung eines Ausgleichs der Geltendmachung der Haftung auch für die die Ausgleichsquote übersteigenden Abgabenschulden nicht entgegen. Die im Jahre 1994 fällig gewordenen Beträge seien innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist geltend gemacht worden; die im Jahr 1993 fällig gewordenen Abgaben seien nicht verjährt, weil die Verjährungsfrist durch die im Jänner 1995 erfolgte Anmeldung der Forderung im Ausgleich unterbrochen worden sei. Da der Beschwerdeführer nicht dargelegt habe, dass ihn an der Nichtentrichtung der Abgaben kein Verschulden getroffen habe, dürfe angenommen werden, er sei seiner Verpflichtung in schuldhafter Weise nicht nachgekommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich dadurch in seinen Rechten verletzt, dass die belangte Behörde die Verjährung des Haftungsanspruches verneint, die Säumniszuschläge vorgeschrieben, die interne Aufteilung der Geschäftsführeragenden bei der Beurteilung des Verschuldens nicht beachtet, trotz privatrechtlichem Moratoriums die Durchgriffshaftung bejaht und entgegen dem Grundsatz der Billigkeit den gesamten Betrag vorgeschrieben habe.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte; der Beschwerdeführer hat darauf repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bringt der Beschwerdeführer in der Beschwerde vor, die durch die Anmeldung der Forderung im Ausgleichsverfahren bedingte Unterbrechung der Verjährung der Abgabenforderung beziehe sich nur auf den Hauptschuldner, somit die W. KG, während die Verjährung gegenüber dem Haftenden weiter laufe. Die im Jahre 1993 fällig gewordenen Abgaben seien daher gegenüber dem Beschwerdeführer verjährt.

Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

Nach Abs. 2 leg. cit. wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Bescheides gemäß §§ 201 und 202 unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Nach der gegenüber § 238 BAO spezielleren Bestimmung des § 9 Abs. 1 Ausgleichsordnung (AO) (vgl. Ritz, BAO-Kommentar2, RZ 14 zu § 238 BAO) wird durch die Anmeldung einer Forderung im Ausgleichsverfahren die Verjährung während der Dauer des Verfahrens und, wenn dieses aufgehoben wird, bis zum Ablauf der im Ausgleich für die letzte Zahlung bestimmten Frist unterbrochen.

Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 91/13/0037, hat der Verwaltungsgerichtshof den bis dahin vertretenen Standpunkt einer personenbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen für den Bereich der Einhebungsverjährung nicht aufrecht erhalten und sich zur Auffassung der anspruchbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen derart bekannt, dass Amtshandlungen nach § 238 Abs. 2 BAO die Verjährung des in § 238 Abs. 1 BAO genannten Rechtes gegenüber jedem unterbrechen, der als Zahlungspflichtiger in Betracht kommt, ohne dass es rechtlich von Bedeutung wäre, gegen wen sich solche Amtshandlungen gerichtet hatten.

Obwohl im Beschwerdefall keine Amtshandlung im genannten Sinne zu beurteilen ist, erstreckt sich die hier vom Beschwerdeführer für die Primärschuldnerin nicht bezweifelte Unterbrechungswirkung auf Grund der Anmeldung der Forderung im Ausgleichsverfahren der W. KG zufolge des im eben genannten Erkenntnis eines verstärkten Senates zum Ausdruck gebrachten Grundsatzes, dass sich die Wirkung einer Unterbrechung nicht mehr auf eine bestimmte (natürliche oder juristische) Person, sondern auf den Anspruch selbst bezieht, auch auf den Haftenden. Die Anmeldung der in Rede stehenden Forderung im Ausgleich über das Vermögen der W. KG erfolgte am . Gemäß § 9 Abs. 1 AO begann die Unterbrechung mit diesem Zeitpunkt und dauerte bis zur Konkurseröffnung am , weshalb die seit 1993 fälligen Forderungen - für die im Jahr 1994 fällig gewordenen Forderungen hat der Beschwerdeführer keine Verjährung behauptet - auch gegenüber dem Beschwerdeführer nicht verjährt sind.

Soweit der Beschwerdeführer seine Haftung für Verzugszinsen und Säumniszuschläge bestreitet, ist er auf die Bestimmung des § 7 Abs. 2 BAO zu verweisen, nach der sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2 BAO erstrecken; nach dem zuletzt genannten Absatz gehören zu den Nebenansprüchen insbesondere auch der Verspätungszuschlag (Abs. 2 lit. b), die Nebengebühren der Abgaben, wie die Stundungszinsen, die Aussetzungszinsen, die Säumniszuschläge und die Kosten des Vollstreckungs- und Sicherungsverfahrens (Abs. 2 lit. d). Der Beschwerdeführer hat nicht behauptet, dass er eine Befreiung für Zinsen und Gebühren in Anspruch nehmen kann, weshalb die zitierten Bestimmungen im Beschwerdefall anzuwenden sind.

Führt der Beschwerdeführer für seinen Standpunkt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/16/0077, ins Treffen, dem zufolge nach rechtskräftiger Bestätigung des Zwangsausgleiches infolge Akzessorietät der Haftung ein nach § 9 BAO in Anspruch genommener Geschäftsführer von einer die Ausgleichsquote übersteigenden Haftung befreit war, ist er auf das von dieser Meinung abgehende Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 96/15/0049, zu verweisen, nach dem - zusammengefasst - der Abschluss eines (Zwangs-)Ausgleichs keinen Einfluss auf die Haftung nach § 9 BAO hat, somit die rechtskräftige Bestätigung eines Ausgleichs des Primärschuldners der Geltendmachung der Haftung nach den §§ 80 ff BAO auch für die die Ausgleichsquote übersteigenden Abgabenschulden nicht entgegen steht. Soweit sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf ein die Haftung ausschließendes "privatrechtliches Moratorium" bezieht, entfernt er sich vom festgestellten Sachverhalt, weshalb die Rechtsrüge in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt wurde.

Weiter meint der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 95/15/0173, dass es im Falle eines Ausgleichs der Billigkeit entspräche, dass sich der Haftungsanspruch betragsmäßig an der Ausgleichsquote orientiere. Dabei übersieht er, dass die Rechtsausführungen im genannten Erkenntnis darauf basieren, dass nicht über das Vermögen des Primärschuldners, sondern über das Vermögen des Haftenden das Ausgleichsverfahren eröffnet wurde; nur der zuletzt genannte Umstand ist bei der Ermessensübung zu berücksichtigen. Inwieweit die geänderte Rechsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf die Ermessensübung gemäß § 20 BAO Einfluss nehmen hätte können, führt der Beschwerdeführer nicht näher aus.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer das Fehlen von Feststellungen zu seiner Behauptung, sein Vater hätte trotz der Übertragung der Geschäftsführertätigkeit an den Beschwerdeführer die Führung und Leitung des Betriebes nicht aus der Hand gegeben und insbesondere die steuerlichen Belange auch vor seiner Wiederbestellung zum Geschäftsführer im Dezember 1994 besorgt.

Indem sie Feststellungen zu diesem Punkt unterließ, hat die belangte Behörde aber keine Verfahrensvorschriften verletzt, weil sich der Beschwerdeführer in seiner Funktion als Alleingeschäftsführer nicht darauf berufen kann, dass er die Verantwortung für die entsprechenden Abgabenangelegenheiten an einen nicht mit der Geschäftsführung beauftragten Mitarbeiter übertragen habe (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 91/13/0037).

Schließlich beruft sich der Beschwerdeführer hinsichtlich des von ihm zu beweisenden Fehlens eines Verschuldens auf einen Beweisnotstand, weil er zum Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme als Haftender keinen Zugang mehr zu Unterlagen gehabt habe, weshalb die belangte Behörde eine amtswegige Ermittlungspflicht getroffen hätte. Der Beschwerdeführer legt aber nicht dar, weshalb ihn kein Verschulden treffe, sodass die Erheblichkeit des Verfahrensmangels nicht aufgezeigt wurde. Es liegt nämlich am Beschwerdeführer, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (vgl. das eben zitierte Erkenntnis eines verstärkten Senates vom ).

Insgesamt ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am