VwGH vom 15.11.1995, 94/13/0142
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Präsidenten der FLD für Wien, NÖ und Bgld, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom , Zl. 6/1 - 1246/93-07, (mP: P in W), betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für 1988 und 1989, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte bezieht Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus seiner Tätigkeit als Regisseur, Schauspieler und Werbesprecher.
Im Zuge einer im Jahr 1992 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung traf die Prüferin die Feststellung, daß in den Jahren 1988 und 1989 geltend gemachte Zahnbehandlungskosten weder als Betriebsausgaben (mit den Beträgen von S 53.900,-- bzw. S 65.660,--) abgezogen noch die darauf entfallenden Vorsteuerbeträge (S 4.900,-- bzw. S 11.200,--) geltend gemacht werden könnten. Gemäß § 20 EStG seien Aufwendungen für die Lebensführung, welche die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringe, auch dann nicht abzugsfähig, wenn sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgten (Tz. 23 des Betriebsprüfungsberichtes vom ).
In der Berufung vom gegen die auf Grundlage des Betriebsprüfungsberichtes ergangenen Abgabenbescheide führte der Mitbeteiligte aus, bei anderen Steuerpflichtigen mögen Zahnarztkosten der privaten Lebensführung zuzuordnen sein. Bei einem Schauspieler lägen die Dinge anders. Die betriebliche Veranlassung ("Instandhaltung des Sprechapparates") sei hier so überwältigend groß, daß die private Mitveranlassung weit in den Hintergrund trete. Für einen Schauspieler sei Berufserfordernis, nicht zu "lispeln", nicht zu "zischen" und nicht zu "blubbern". Es sei dies mit der Rechtsfrage der "typischen Berufskleidung" vergleichbar, die ebenfalls als Werbungskosten oder Betriebsausgaben anerkannt werde. Es sei auch zu erwähnen, daß von den Zahnbehandlungskosten die "übliche Zahnerhaltung" nicht erfaßt sei, weil diese ohnedies von der Gebietskrankenkasse bezahlt werde. Die als Betriebsausgaben geltend gemachten Zahnbehandlungskosten beträfen nur die zusätzlichen Aufwendungen, die durch den Beruf des Mitbeteiligten veranlaßt seien.
Die Betriebsprüferin nahm am zur Berufung dahingehend Stellung, daß von der Betriebsprüfung die private Veranlassung bei der Beurteilung in den Vordergrund gestellt worden sei, weil das Einsetzen von zwei Brücken im Unterkiefer und einer 8-teiligen Brücke im Oberkiefer sicher auch eine altersbedingte Zahnreparatur des "Kauapparates" darstelle. Diese Art von Zahnbehandlung sei nach Ansicht der Betriebsprüferin überhaupt nicht durch den Beruf (Schauspieler - Regisseur) veranlaßt.
In der Folge brachte der Mitbeteiligte ein Schreiben des behandelnden Dentisten vom bei und machte in einer Gegenäußerung zur Stellungnahme der Betriebsprüfung vom geltend, insbesondere den Ausführungen der Betriebsprüfung, daß es sich um eine "altersbedingte Zahnreparatur" gehandelt habe, sei entgegenzutreten. Es sei eine alte obere Brücke saniert worden; der Mitbeteiligte habe diese Brücke bereits seit vielen Jahren.
In der Stellungnahme des Dentisten vom ist davon die Rede, daß die Brücke im Oberkiefer nicht aus medizinischen, sondern rein aus phonetischen und kosmetischen Gründen erneuert worden sei. Durch eine kleine Fraktur der alten oberen Brücke sei es beim Sprechen zu unkontrollierten Zischlauten gekommen, die eine weitere berufliche Tätigkeit des Mitbeteiligten als Schauspieler und Sprecher, vor allem im Bereich des Mikrophonsprechens, gefährdet hätten. Im Zuge der Sanierung des Oberkiefers sei aus den angeführten Gründen auch die Neuanfertigung der unteren Brücken unumgänglich geworden. Zusammenfassend sei festzustellen, sowohl im Oberkiefer, als auch im Unterkiefer seien die technischen Arbeiten aus rein phonetischen und kosmetischen Gründen durchgeführt worden, "um die berufliche Existenz meines Patienten nicht zu gefährden".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - in der Frage der "Zahnreparaturkosten" Folge. Die belangte Behörde ging dabei davon aus, der Mitbeteiligte habe 1988 und 1989 die Kosten für Zahnreparaturen als Betriebsausgaben geltend gemacht und dies mit der beruflichen Notwendigkeit der Instandsetzung des Sprechapparates begründet, zumal er sich als Schauspieler ein "Lispeln", "Zischen" und "Blubbern" aufgrund mangelhafter Zähne (bzw. Zahnersätze) nicht leisten könne. Beim "Gebiß" des Mitbeteiligten sei - wie sich aus der Bestätigung des Dentisten ergebe - die obere Brücke schadhaft geworden, was zu unkontrollierten Zischlauten geführt und den Anlaß gegeben habe, diese Brücke zu erneuern. Die Erneuerung der Brücke im Oberkiefer hätte wiederum die Erneuerung der beiden (Anmerkung: anscheinend intakten) Brücken im Unterkiefer bedingt. Unter Bedachtnahme darauf, daß der Mitbeteiligte in beiden Streitjahren den Großteil seiner Einnahmen als Werbesprecher bezogen habe und dies auch einen tadellosen Zustand seiner Zahnprothesen voraussetze, halte "der Senat die Betriebsnotwendigkeit der Zahnprothesenerneuerungen für gegeben". Die Kosten könnten daher als Betriebsausgaben anerkannt und die Vorsteuern abgezogen werden.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, nahm jedoch von der Erstellung einer Gegenschrift Abstand. Seitens der mitbeteiligten Partei wurde eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 20 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 bestimmt, daß die Aufwendungen für die Lebensführung, welche die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung der Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch dann weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen, wenn sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Ebenso normiert § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a EStG 1988 (anzuwenden erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 1989 - § 125 Z. 1 leg. cit.), daß bei den einzelnen Einkünften Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung eines Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen, nicht abgezogen werden dürfen.
Gemäß § 12 Abs. 2 Z. 2 lit. a UStG 1972 gelten Lieferungen oder sonstige Leistungen nicht als für das Unternehmen ausgeführt, deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) i.S.d. § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 4 EStG 1972 (bzw. § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 5 EStG 1988) sind.
Entsprechend den zitierten Bestimmungen des § 20 EStG muß gerade bei Aufwendungen, die auch in den Kreis der privaten Lebensführung fallen können, ein strenger Maßstab angelegt und eine genaue Unterscheidung vorgenommen werden (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 91/14/0171). Soweit sich Aufwendungen für die Lebensführung und Aufwendungen beruflicher Natur nicht einwandfrei trennen lassen, ist entsprechend dem "Aufteilungsverbot" der gesamte Betrag nicht abzugsfähig (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, Tz 9 ff zu § 20). Krankheitskosten sind nur dann als Betriebsausgaben oder Werbungskosten absetzbar, wenn es sich um eine typische Berufskrankheit handelt oder der Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Beruf eindeutig feststeht (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 85/14/0128, vom , 91/13/0094, und auch vom , 93/13/0047).
Daß es sich bei den im Beschwerdefall strittigen Zahnreparaturkosten um die Folgen einer typischen Berufskrankheit des Mitbeteiligten gehandelt hätte, wird von keiner der Verfahrensparteien behauptet und es ergibt sich dafür nach der Aktenlage auch kein Anhaltspunkt.
Die belangte Behörde hielt die "Betriebsnotwendigkeit der Zahnprothesenerneuerungen" im Hinblick darauf für gegeben, daß der Mitbeteiligte den Großteil seiner Einnahmen als Werbesprecher beziehe und dies auch einen tadellosen Zustand seiner Zahnprothesen voraussetze. Daher könnten die Kosten als Betriebsausgaben anerkannt und die Vorsteuern abgezogen werden.
Mit diesen Ausführungen hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Damit, daß die berufliche Tätigkeit des Mitbeteiligten einen tadellosen Zustand seiner Zahnprothesen voraussetzt, ist nämlich noch nicht gesagt, daß das durch die Beschädigung der Zahnprothese verursachte "Lispeln", "Zischen" und "Blubbern" nicht auch den Bereich der privaten Lebensführung berührte (in der Berufungsschrift vom ist etwa nur davon die Rede, die betriebliche Veranlassung sei "überwältigend groß" gewesen). Nur dann, wenn die Sprechstörungen ausschließlich im Bereich der beruflichen Tätigkeit zum Tragen gekommen wären (so beispielsweise nur beim "Mikrophonsprechen" erkennbar gewesen wären), könnte der unter dem Gesichtspunkt der einschlägigen Gesetzesbestimmungen des § 20 EStG erforderliche eindeutige Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit bejaht werden (vgl. Doralt, EStG2, § 20 Tz 163, Stichwort "Gegenstände des höchstpersönlichen Gebrauches").
Da der Entscheidung der belangten Behörde somit eine unrichtige Rechtsauffassung zugrunde lag, war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.