VwGH vom 30.10.1996, 94/13/0126
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des Dkfm. O in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom , Zl. 6/3 - 3043/94-05, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1989 bis 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer erwarb als Mitglied einer Bauherrengemeinschaft im Juli 1989 zwei Eigentumswohnungen und im Februar 1990 zwei Garagenabstellplätze einer in den Jahren 1989 bis 1991 errichteten Eigentumswohnungsanlage (insgesamt beinhaltend 44 Wohneinheiten und 27 PKW-Abstellplätze). Er vermietete diese Eigentumswohnungen und PKW-Abstellplätze nach Fertigstellung der Wohnanlage ab Dezember 1991 an jeweils verschiedene Mieter.
Mit dem angefochtenen Bescheid anerkannte die belangte Behörde aus diesen Vermietungen erklärte negative Einkünfte (die Objekte waren großteils fremdfinanziert) und Vorsteuerbeträge nicht, weil Liebhaberei vorliege. Im wesentlichen vertrat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid dazu die Ansicht, die Vermietung sei für die Jahre 1990 und 1991 dem § 1 Abs. 2 Z. 1 der Liebhabereiverordnung vom , BGBl. Nr. 322, (im folgenden: LiebhabereiVO) zuzuordnen und dem Beschwerdeführer sei die Widerlegung der dort enthaltenen Liebhabereivermutung nicht gelungen. Auf das Jahr 1989 sei zwar die LiebhabereiVO nicht anzuwenden, insgesamt ändere sich an der Gesamtbeurteilung betreffend Liebhaberei aber auch für dieses Jahr nichts. Vom Beschwerdeführer im Zuge einer durchgeführten Betriebsprüfung vorgelegte Prognoserechnungen enthielten zu hoch prognostizierte Einnahmen und zu niedrig angesetzte Ausgaben, sodaß die vom Beschwerdeführer "angesprochenen 12 Jahre laut Aktenlage nicht realistisch sind". Insgesamt positive Ergebnisse würden dadurch "weit" über die vom Beschwerdeführer angegebenen 12 Jahre hinausgeschoben. Auch finde die Ansicht des Beschwerdeführers, in den Beobachtungszeitraum seien die ersten drei Jahre (1989 bis 1991) nicht einzubeziehen (Vermietung ab ), in der LiebhabereiVO keine Deckung. In der Prognoserechnung des Beschwerdeführers, die auf ca. 12 Jahre hinauslaufe, weise dieser auch auf von Anfang an beabsichtigte vorzeitige Kreditrückzahlungen hin, die der Beschwerdeführer im Jahre 1993 begonnen habe. Da der Beschwerdeführer aber im Zeitraum der Streitjahre durch nichts habe erkennen lassen, daß er von Anbeginn die Absicht gehabt hätte, den per erstellten Kreditvertrag mit seiner 20-jährigen Laufzeit durch vorzeitige Tilgungen "zu verkürzen", sei der Betriebsprüfung Recht zu geben, daß in der vorzeitigen "Kreditzahlung" eine Änderung der Wirtschaftsform zu sehen sei, "so daß nach diesem Zeitpunkt Liegendes keine brauchbare Handhabe mehr für die Beurteilung, ob Voluptuar vorliege, abgibt". Sei aber eine Änderung der "Wirtschaftsform" zu unterstellen, dann ergebe sich, daß der Beschwerdeführer "in einem überschaubaren Zeitraum, im Sinne der Verwaltungsgerichtshofjudikatur, nicht zu insgesamt positiven Ergebnissen" hätte gelangen können. Auch die Behauptung des Beschwerdeführers, die "fraglichen Wohnungen" seien lediglich zur nachhaltigen Altersversorgung erworben worden, sei "durch nichts Aktenkundiges erwiesen". Wohl aber habe der Beschwerdeführer "zwei Kinder, für die eine spätere Nutzung dieser Wohnungen sehr wohl in Betracht kommt (die Mietverträge laufen auf ein Jahr und werden jeweils um ein Jahr verlängert), als auch diese Wohnungen (samt Garagen) für den Bw. sehr wohl eine Vermögensanlage bedeuten, womit die subjektive Komponente stark hervorgehoben wird". Da der in Rede stehenden Vermietung die Eigenschaft einer Einkunftsquelle für die Streitjahre abzusprechen sei und auch im Sinne des Umsatzsteuergesetzes Voluptuar vorliege, sei die Berufung gegen die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide 1989 bis 1991 insoweit abzuweisen gewesen, woran auch der Umstand nichts ändere, daß der Beschwerdeführer laut Vorbringen in der mündlichen Berufungsverhandlung Ende Dezember 1993 noch weitere vorzeitige Darlehensrückzahlungen geleistet habe und den Restbetrag bis spätestens Juni 1994 begleichen wolle.
Nach den weiteren Ausführungen im angefochtenen Bescheid habe der Beschwerdeführer, ein Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, "seit Jahren, vom Finanzamt unbeanstandet, seine Gewinne nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr (1.3. bis 28.2.) ermittelt und erklärt". Die Betriebsprüfung habe eine entsprechende Umstellung auf das Kalenderjahr vorgenommen und "ließ den erklärten Gewinn bis und den (unstrittig) ermittelten Gewinn bis in das Jahr 1991 fallen". Soweit der Beschwerdeführer diese Kumulation im Jahre 1991 bekämpfe, sei er im Recht. Daß er nach dem EStG nicht nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr seinen Gewinn ermitteln dürfe, bestreite der Beschwerdeführer nicht. Zutreffend habe der Beschwerdeführer auch erkannt, "da für die Kalenderjahre 1989 bis 1991 keine Bilanzen vorliegen, daß die Gewinne für diese Jahre im Schätzungswege zu ermitteln sind". Für das Kalenderjahr 1989 habe der Beschwerdeführer als Schätzungsgrundlage angeboten, 2/12 des Gewinnes des Wirtschaftsjahres 1988/1989 und 10/12 des Gewinnes des Wirtschaftsjahres 1989/1990 anzusetzen. Demgegenüber vertrete die belangte Behörde die Ansicht, daß zu dem auf diese Weise ermittelten Gewinn des Kalenderjahres 1989 10/12 des Gewinnes des Wirtschaftsjahres 1988/89 hinzuzurechnen seien. Der Beschwerdeführer habe, wenn auch zu Unrecht, so doch für das Jahr 1988 eine Bilanz für den Zeitraum bis gelegt und sei dementsprechend für das Jahr 1988 veranlagt worden. Somit sei der Gewinn für den Zeitraum bis und für den Zeitraum bis "1." (gemeint wohl: 31.) Dezember 1989, "weil die Notwendigkeit eines Überganges von einem abweichenden Wirtschaftsjahr auf ein Kalenderjahr als gegeben anzusehen ist", im Jahr 1989 kumuliert anzusetzen. Der Einkommensteuerbescheid 1989 sei daher auch insoweit abzuändern gewesen.
In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und "in eventu" Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten "auf Geltendmachung des Vorsteuerabzuges sowie auf Berücksichtigung von Werbungskosten" sowie "auf eine kalenderjahresweise Feststellung der Einkünfte" verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur Frage der Liebhaberei ist eingangs darauf hinzuweisen, daß die LiebhabereiVO vom , BGBl. Nr. 322, - nach der Aufhebung ihres eine Übergangsbestimmung enthaltenden Art. II durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , V 53/91, Slg. 12.943 - auf Tatbestände anzuwenden ist, die ab ihrem Inkrafttreten (mit dem der Kundmachung der Verordnung im Bundesgesetzblatt folgenden Tag, das ist der ) verwirklicht worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat hinsichtlich Einkommensteuer dieses Inkrafttreten dahingehend ausgelegt, daß die Verordnung ab der Veranlagung 1990 anzuwenden ist. Hinsichtlich Umsatzsteuer hat er hingegen ausgesprochen, der aus der Verordnung gewonnene Liebhabereibegriff sei im zeitlichen Geltungsbereich dieser Verordnung grundsätzlich auch im Zusammenhang mit § 2 Abs. 5 Z. 2 UStG heranzuziehen; in zeitlicher Hinsicht seien aber erst nach dem getätigte Umsätze erfaßt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 95/14/0052, m.w.N.). Für den Beschwerdefall bedeutet dies somit (Ergehen des angefochtenen Bescheides mit seiner Zustellung am ), daß für das Jahr 1989 und, soweit Umsatzsteuer betroffen ist, für Zeiträume vor dem die LiebhabereiVO keine Anwendung findet.
Die belangte Behörde hat ihrer Liebhabereibeurteilung erkennbar - und zwar auch in der Frage der "Widerlegung der Liebhabereivermutung" im Sinne des § 2 Abs. 4 der LiebhabereiVO - jene in der Verwaltungsgerichtshofjudikatur bisher vertretene Ansicht zugrunde gelegt, wonach das Ausbleiben eines Totalüberschusses innerhalb eines Zeitraumes von 12 Jahren ab Aufnahme der Vermietungstätigkeit die Beurteilung als Liebhaberei rechtfertigte. Diese Rechtsansicht hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 93/13/0171, durch einen verstärkten Senat aufgegeben und dabei zum Ausdruck gebracht, daß unter einem absehbaren Zeitraum zur Möglichkeit der Erzielung eines wirtschaftlichen Gesamterfolges bei einer Vermietungstätigkeit eine Zeitspanne verstanden werden muß, die zum getätigten Mitteleinsatz bei Betrachtung der Umstände des konkreten Falles in einer nach der Verkehrsauffassung vernünftigen, üblichen Relation steht. Absehbar ist ein solcher Zeitraum, der insbesondere im Verhältnis zum eingesetzten Kapital und zur verkehrsüblichen Finanzierungsdauer für die Abdeckung des insgesamt getätigten Aufwandes bis zur Erzielung des wirtschaftlichen Gesamterfolges nach bestehender Übung in Kauf genommen wird. Maßstab ist hierbei die Übung jener Personen, bei denen das Streben nach der Erzielung von Einkünften beherrschend im Vordergrund steht und anderweitige Motive, etwa jenes nach Kapitalanlage, späterer Befriedigung eines Wohnbedürfnisses oder Steuervermeidung für ihr Handeln nicht maßgebend sind. Handeln nach dem Wirtschaftlichkeitsprinzip schließt längerfristige Rentabilitätsberechnungen nicht aus. Eine Zeitspanne, die nach den wirtschaftlichen Gepflogenheiten des betroffenen Verkehrskreises als übliche Rentabilitätsdauer des geleisteten Mitteleinsatzes kalkuliert wird, muß noch als absehbar gelten.
Ausgehend von ihrer nicht mehr als zutreffend zu erachtenden Rechtsauffassung hat die belangte Behörde keine Sachverhaltsfeststellungen darüber getroffen, ob und innerhalb welchen Zeitraumes der Beschwerdeführer mit seiner Vermietungstätigkeit einen Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten unter gedanklicher Ausklammerung der vorzeitigen Kreditrückzahlungen hätte erwirtschaften können. Ohne solche Feststellungen läßt sich aber - sowohl vor als auch nach dem zeitlichen Geltungsbereich der LiebhabereiVO - rechtlich in keinem Fall beurteilen, ob die wirtschaftlichen Ergebnisse der Vermietungstätigkeit des Beschwerdeführers auch unter gedanklicher Ausklammerung der vorzeitigen Darlehensrückzahlung als steuerlich relevante Einkünfte anzusehen wären (vgl. neuerlich das zitierte Erkenntnis vom , 93/13/0171). Es bedarf daher im Beschwerdefall keiner Prüfung der behördlichen Rechtsauffassung zur Frage einer rechtserheblichen Änderung der Bewirtschaftungsart.
Gemäß § 2 Abs. 1 EStG 1988 ist der Einkommensteuer das Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat. § 2 Abs. 5 leg. cit. sieht für buchführende Land- und Forstwirte und protokollierte Gewerbetreibende (§ 5) vor, daß diese den Gewinn auch nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln dürfen; in diesem Fall ist der Gewinn bei Ermittlung des Einkommens für jenes Kalederjahr zu berücksichtigen, in dem das Wirtschaftsjahr endet.
Die belangte Behörde und der Beschwerdeführer gehen übereinstimmend davon aus, daß der Beschwerdeführer (ein selbständig tätiger Wirtschaftstreuhänder) "seit Jahren" zu Unrecht der Gewinnermittlung ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr zugrunde gelegt hat (so auch in den Jahren 1988 und 1989). War aber die Einkünfteermittlung nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr von vornherein unzulässig, kann sich die Frage der "Notwendigkeit eines Überganges von einem abweichenden Wirtschaftsjahr auf ein Kalenderjahr" nicht stellen. Die belangte Behörde hat damit den für das "abweichende Wirtschaftsjahr" vom bis ermittelten Gewinn insoweit zu Unrecht der Einkommensermittlung für das Kalenderjahr 1989 zugrunde gelegt, als dieser auf den Zeitraum 1. März bis entfiel.
Da die belangte Behörde damit sowohl zur Frage der Liebhaberei als auch der Einkommenszurechnung auf Grundlage einer nicht zutreffenden Rechtsansicht entschieden hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.