VwGH vom 24.09.1999, 99/14/0118

VwGH vom 24.09.1999, 99/14/0118

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der B GmbH & Co KG in W, vertreten durch Dr. Walter Breitwieser, Rechtsanwalt in Wels, Maria-Theresia-Straße 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl RV 132/1-10/1998, betreffend Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg Erkenntnis vom , 92/14/0137, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis (in der Folge Vorerkenntnis) hat der Verwaltungsgerichtshof einen im Instanzenzug die Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten verweigernden Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass die belangte Behörde bei der von ihr nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu treffenden Ermessensentscheidung die Rechtslage verkannt hat, weil sie das Zweckmäßigkeitsmoment allein vom Standpunkt des Gedankens der umfassenden und vollständigen Einbringung fälliger Abgaben beurteilt hat. Der Gerichtshof brachte zum Ausdruck, dass er die Ansicht von Stoll teilt, wonach die Vorschriften über eine Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten sinnlos wären, wenn die Gesamtsteuerrechtsordnung keinen anderen Zweck verfolgte als den, alle Abgaben ausnahmslos einzubringen. Zweckmäßigkeitserwägungen müssten daher unter Bedachtnahme auf den Umstand angestellt werden, dass eine Nachsicht durchaus mit den öffentlichen Interessen der Abgabeneinhebung vereinbar sein kann. Die Ermöglichung der wirtschaftlichen Erholung und Gesundung eines Betriebes und die damit verbundene Erhaltung einer Steuerquelle liege durchaus auch im Interesse des Abgabengläubigers, weshalb der Umstand, dass die Beschwerdeführerin die beantragte Nachsicht in ihr Sanierungskonzept - im Übrigen nach einer in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides Ausdruck findenden Inaussichtstellung - eingebaut habe, nicht gegen die Nachsicht spreche, auch wenn die Sanierung vorerst ohne Beitrag des Abgabengläubigers erfolgversprechend verlaufen sei.

Im fortgesetzten Verfahren erließ das Finanzamt nach Einholung aktueller Daten über die Ertrags- und Vermögenslage der Beschwerdeführerin durch die Finanzlandesdirektion eine die Berufung abweisende Berufungsvorentscheidung, in welcher zunächst darauf hingewiesen wurde, dass den vorliegenden Akten nicht zu entnehmen sei, dass das Finanzamt der Beschwerdeführerin eine Abgabennachsicht in Aussicht gestellt habe. Die vom Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis getroffene Annahme, die Ausführung in der Begründung des Bescheides vom weise auf eine Zusage hin, finde somit keine Bestätigung in den Akten. Gerade dieser Umstand sei einer gründlichen Prüfung unterzogen worden, da im Falle der Bejahung allenfalls Unbilligkeit durch Verstoß gegen Treu und Glauben anzunehmen gewesen wäre. In weiterer Folge ging das Finanzamt anders als die belangte Behörde, welche die Unbilligkeit der Einhebung in der mit dem Vorerkenntnis aufgehobenen Berufungsentscheidung im Hinblick darauf, dass ein Verzicht auf die Abgabenforderungen zur Sanierung eines Unternehmens im Rahmen eines allgemeinen quotenmäßigen Forderungsverzichtes beitragen und im Fall einer solchen Sanierung die Einhebung der Abgabenschuldigkeiten unbillig sein könne, bejaht hatte, davon aus, dass eine Unbilligkeit der Einhebung nicht vorliege, weil infolge der "Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse" der Beschwerdeführerin eine persönliche Unbilligkeit nicht gegeben sei.

Die Beschwerdeführerin stellte einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, in welchem darauf hingewiesen wurde, dass in der Begründung der Berufungsvorentscheidung erstmals festgehalten worden sei, eine der Beschwerdeführerin in Aussicht gestellte Abgabenachsicht sei den Akten nicht zu entnehmen. In der Folge wird unter anderem ausgeführt, dass eine Abgabennachsicht auch mündlich in einer Besprechung am zugesagt worden sei, und beruft sich die Beschwerdeführerin auf eine Unbilligkeit durch Verstoß gegen Treu und Glauben.

Auch die belangte Behörde verneint mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid die Unbilligkeit der Einhebung unter Hinweis darauf, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die wirtschaftliche Lage zur Zeit der letztinstanzlichen Entscheidung über das Nachsichtsansuchen maßgeblich sei, mit der Begründung, dass nach der derzeitigen wirtschaftlichen Lage der Beschwerdeführerin eine wirtschaftliche Notlage, die auf eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung schließen lasse, nicht gegeben sei. Auf eine angebliche Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben könne sich die Beschwerdeführerin nicht mehr stützen, weil ihr mit Bescheid vom eine definitiv negative Entscheidung zugekommen sei. Der Verwaltungsgerichtshof gehe in seinem Vorerkenntnis davon aus, dass die Beschwerdeführerin die beantragte Nachsicht in ihr Sanierungskonzept nach einer Inaussichtstellung durch die Abgabenbehörde eingebaut habe. Diese Annahme basiere auf einer unrichtigen Sachverhaltsannahme. Weder aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten, noch auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerin ergebe sich, dass nach der Abweisung des Nachsichtsansuchens vom mit Bescheid vom Gespräche mit Vertretern der Finanzverwaltung geführt worden seien, bei denen eine Abgabennachsicht in Aussicht gestellt worden sei. Das Nachsichtsgesuch vom , welches Gegenstand dieses Verfahrens sei, sei erst nach Abschluss der Sanierungsmaßnahmen eingebracht worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 236 Abs 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre. Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, welche nach der Lage des Falles eine persönliche oder sachliche sein kann, ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum.

Wiewohl von der belangten Behörde bereits in der mit dem Vorerkenntnis aufgehobenen Berufungsentscheidung richtig erkannt worden war, dass die Einhebung der (vollen) Abgabenschuldigkeiten unbillig sein kann, wenn im Rahmen eines allgemeinen, quotenmäßigen Forderungsverzichtes (Ausgleiches) ein Verzicht auf die Abgabenforderungen zur Sanierung des Unternehmens mit beitragen kann (vgl das hg Erkenntnis vom , 89/14/0196), und die belangte Behörde damals von einer solchen sachlichen Unbilligkeit der Einhebung der Abgaben ausgegangen ist, verneint die belangte Behörde im nunmehr angefochtenen Bescheid ausschließlich die persönliche Unbilligkeit der Einhebung der Abgaben, ohne allerdings sachverhaltsbezogene Feststellungen anzuführen oder Überlegungen aufzuzeigen, die sie dazu bewogen haben, die sachliche Unbilligkeit der Einhebung der Abgaben nicht mehr anzunehmen. Soweit die belangte Behörde nunmehr im Rahmen der Verneinung der persönlichen Unbilligkeit der Einhebung der Abgaben die nach den im Zeitpunkt der Entscheidung gegebenen Verhältnissen relativ gute wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin zum Ausdruck bringt, welche jedenfalls keinen Rückschluss auf eine Existenzgefährdung der Beschwerdeführerin erlaube, sei darauf hingewiesen, dass die Behörde bereits in dem mit dem Vorerkenntnis aufgehobenen Bescheid die Ansicht vertreten hatte, dass sich die wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin so weit gebessert habe, dass eine Abgabennachsicht - wiewohl eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung bejaht worden war - nicht zweckmäßig sei.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher schon durch diesen Begründungsmangel, bei dessen Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigt.

Aus dem angeführten Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl Nr 416/1994. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren war abzuweisen, weil mit der Entrichtung der Pauschalgebühr im Sinn des § 24 Abs 3 VwGG der Abgabenanspruch auch hinsichtlich der Beilagen abgegolten ist.

Wien, am