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VwGH vom 28.04.1999, 94/13/0100

VwGH vom 28.04.1999, 94/13/0100

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. Ludwig Riemer, Rechtsanwalt in Wien I, Graben 27, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat V) vom , Zl. 6/3-3520/93-08, betreffend Einkommensteuer 1988 und 1989 sowie Umsatzsteuer 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der als Vertreter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielte, begann daneben im Jahr 1987 mit einer selbständigen gewerblichen Tätigkeit, die im Zusammenbau und in der Reparatur von Modellautos bestand und bei der das Betriebsergebnis gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wurde. Den aus dieser Tätigkeit erzielten Einnahmen von S 13.030,-- (1987), S 11.280,-- (1988) und S 8.220,-- (1989) standen Ausgaben von S 17.526,-- (1987), S 171.070,-- (1988) und S 268.359,-- (1989) gegenüber.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung für den genannten Zeitraum vertrat der Prüfer (ohne weitere Begründung) die Auffassung, dass die selbständige Tätigkeit des Beschwerdeführers als Liebhaberei zu beurteilen sei. Die damit im Zusammenhang stehenden Kosten seien solche der Lebensführung gemäß § 20 EStG. Allerdings gelte dies nur für die Jahre 1988 und 1989. Ab dem Jahr 1990 habe sich in der Bewirtschaftungsart eine Änderung ergeben: Einerseits habe der Beschwerdeführer seine nichtselbständige Tätigkeit aufgegeben, sodass der Modellbau zu seiner Hauptbeschäftigung geworden sei, andererseits habe er neben seiner Reparaturtätigkeit auch mit der Herstellung eigener Modellbausätze begonnen, was die Anschaffung von Maschinen und Werkzeugen bzw. die Installation einer Trockenanlage erforderlich gemacht habe. Ab 1990 habe daher ein neuer Beobachtungszeitraum zu laufen begonnen.

Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechende Abgabenbescheide.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Die vom Betriebsprüfer als Kosten der Lebensführung bezeichneten Aufwendungen seien "sicherlich" keine solchen. Es handle sich beispielsweise um die Anschaffung von 4.000 Verpackungskartons, 20.000 Schrauben, 5.000 Drehteilen, 4.000 Felgen, 4.000 Reifen etc. Die Verluste seien auf das Überschreiten von Lieferfristen seitens der Zulieferfirmen um insgesamt 19 Monate und die dadurch verursachte Unmöglichkeit, geplante Verkäufe termingerecht vorzunehmen, zurückzuführen.

Das Finanzamt forderte den Beschwerdeführer auf, eine Ertragsrechnung für das Jahr 1992 und eine Prognoserechnung betreffend seine selbständige Tätigkeit für die Jahre ab 1993 vorzulegen.

Der Beschwerdeführer brachte hierauf zwar die Steuererklärungen für das Jahr 1992 ein (diese sind allerdings den Verwaltungsakten nicht angeschlossen), legte aber keine Prognoserechnung vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Betrachte man die Art und den Umfang der geschäftlichen Tätigkeit in den Jahren 1987 bis 1989, so erkenne man, dass die objektive Möglichkeit der Gewinnerzielung nicht gegeben sei. Einerseits sei bedingt durch die nicht selbständige Haupttätigkeit des Beschwerdeführers der Umfang des Geschäftsbetriebes derart gering, dass die Einnahmen jährlich nur ca. S 10.000,-- betrügen; andererseits die Ausgabenstruktur derart, daß ein Einnahmenüberschuß undenkbar erscheine. Überstiegen doch einzelne Ausgaben "z.B. Miete, Telefon und Betriebskosten in den Streitjahren" die gesamten Einnahmen. Bei Fortführung dieser Art der Wirtschaftsführung wäre der Beschwerdeführer niemals in die Gewinnzone gekommen. Im Jahr 1990 sei allerdings eine Änderung der Bewirtschaftungsart eingetreten, was zu einer Einnahmenerhöhung auf ca. S 250.000,-- geführt habe. "Aus einem ehemaligen Hobby sollte nun die Einkunftsquelle" des Beschwerdeführers werden. Das ändere aber nichts daran, dass in den Streitjahren Liebhaberei anzunehmen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass auf den Beschwerdefall die Liebhabereiverordnung (Anwendungsbereich ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 1990) noch nicht anzuwenden war. Es bestand daher für die belangte Behörde grundsätzlich die Möglichkeit, eine Tätigkeit, die an sich das äussere Erscheinungsbild kaufmännischer Aktivitäten aufwies, von Beginn an als Liebhaberei und nicht als steuerlich relevante Einkunftsquelle anzusehen. Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die konkrete Art der Wirtschaftsführung kein positives steuerliches Gesamtergebnis innerhalb eines absehbaren Zeitraumes erwarten ließ (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 93/13/0171).

Die belangte Behörde sieht in den hohen Anfangsverlusten, die auf verhältnismäßig geringe Einnahmen und hohe Ausgaben zurückzuführen waren, das allein entscheidende Indiz dafür, der Tätigkeit des Beschwerdeführers in der von ihm zunächst entfalteten Art und Weise die objektive Ertragsfähigkeit abzusprechen. Dass der Beschwerdeführer bereits im vierten Jahr seiner Tätigkeit ein Vielfaches an Einnahmen erwirtschaftete, indem er seine bis dahin ausgeübte nichtselbständige Tätigkeit aufgab und seinen selbständigen Tätigkeitsbereich wesentlich ausweitete, beurteilt die belangte Behörde als Änderung der Wirtschaftsführung, die einen neuen Beobachtungszeitraum beginnen lasse. In Wahrheit spricht aber nichts dagegen, das kaufmännische Verhalten des Beschwerdeführers einheitlich und als Ganzes zu sehen und in der "Änderung der Wirtschaftsführung" keine Zäsur, sondern eine nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vernünftige Reaktion auf anfängliche geschäftliche Schwierigkeiten zu erblicken. Nichts deutet darauf hin, dass der Beschwerdeführer, wie die belangte Behörde meint, am Beginn seiner Tätigkeit nur seinem Hobby gefrönt hätte.

Die von der belangten Behörde unwidersprochen gebliebene Anschaffung von 4.000 Stück Verpackungskartons, 20.000 Schrauben, 5.000 Drehteilen, 4.000 Felgen und 4.000 Reifen spricht nicht nur deutlich gegen eine solche Annahme; sie erklärt bei einem Steuerpflichtigen, der so wie der Beschwerdeführer, seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben ermittelt, auch die hohen Anfangsverluste. Bei einer solchen Gewinnermittlung stellen nämlich - anders als bei einem Betriebsvermögensvergleich - der Rohstoff- und Wareneinkauf nach Maßgabe der Bezahlung Betriebsausgaben dar, denen erst allmählich entsprechende Betriebseinnahmen folgen. Besonders gilt dies für Reparatur- und Produktionsbetriebe auf einem Sektor, auf dem der Verfügbarkeit über Ersatzteile Bedeutung zukommt. Wenn sich der Beschwerdeführer bereits am Beginn seiner Tätigkeit mit einer Vielzahl von Ersatzteilen eingedeckt hat, die er für die künftige Reparatur von Modellautos benötigte, so können solcherart erwirtschaftete (hohe) Anfangsverluste nicht als Indiz für das Vorliegen von Liebhaberei gewertet werden. Sie können auch nicht im Wege einer Zäsur getrennt von jener künftigen Tätigkeit beurteilt werden, in deren Rahmen die angeschafften Ersatzteile Verwendung finden. Die Vorgangsweise der belangten Behörde würde im Ergebnis dazu führen, den für den wirtschaftlichen Erfolg einer Tätigkeit notwendigen (Anfangs)Aufwendungen die steuerliche Berücksichtigung zu versagen, die später ohne diesen Aufwand nicht möglichen Einnahmen jedoch in voller Höhe steuerlich zu erfassen. Dass eine derartige Vorgangsweise nicht dem Gesetz entspricht, bedarf keiner weiteren Erörterung.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Mangels einer erkennbaren, für die Entscheidung erforderlichen Sachverhaltsermittlung durch die belangte Behörde sieht sich der Gerichtshof für das fortzusetzende Verfahren noch zu folgendem Hinweis veranlaßt:

Eine Tätigkeit, die ihrem äußeren Erscheinungsbild nach kaufmännische Merkmale aufweist, bedarf - soll sie steuerlich als Liebhaberei eingestuft werden - einer sorgfältigen Feststellung zumindest der wesentlichsten Aktivitäten, von denen sie gekennzeichnet ist. Dazu gehören insbesondere Maßnahmen zur Akquisition von Aufträgen, das Vorhandensein der für die Auftragserfüllung erforderlichen Organisation einschließlich allenfalls erforderlicher rechtlicher und tatsächlicher Produktionsmöglichkeiten und geschäftlicher Verbindungen, Beschaffung von Räumlichkeiten, maschineller Ausstattung und Personal, Beachtung der Marktverhältnisse (Bedarf, Konkurrenzverhältnisse) sowie Finanzierung. Ohne eine derartige eingehende Sachverhaltsfeststellung lässt sich kein verlässliches Bild gewinnen, ob die zu beurteilende Tätigkeit objektiv Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg hat oder nicht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am