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VwGH vom 25.11.1992, 91/13/0030

VwGH vom 25.11.1992, 91/13/0030

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde der S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat IX, vom , GZ 6/4-4161/90-03, betreffend Einkommensteuer 1983, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 89/13/0015, verwiesen. Nach diesem Erkenntnis, mit dem der damals angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden ist, mangelte es an konkreten Feststellungen darüber, ob und inwieweit die tatsächliche Verfügungsgewalt der Beschwerdeführerin über die ihr gehörige Eigentumswohnung in S., B-Str. 47, und damit die Möglichkeit, dieselbe, für welche sie angeblich nicht einmal einen Schlüssel besaß, jederzeit für ihre Wohnzwecke nutzen zu können, durch den unbestrittenen Umstand beseitigt wurde, daß ihr Vater Hans W. in dieser Wohnung wohnte.

Im fortgesetzten Verfahren wurde Hans W. in Anwesenheit des steuerlichen Vertreters der Beschwerdeführerin neuerlich als Zeuge vernommen. Der Zeuge verneinte die Frage, ob die Beschwerdeführerin im Jahre 1983 jederzeit die Möglichkeit gehabt habe, die gegenständliche Eigentumswohnung zu benutzen. Sie habe lediglich in der Zeit von "kurz vor Weihnachten" bis Ende Jänner 1984 die Wohnung benutzt. Ein "Gesamtbenutzungsrecht" für die Wohnung sei der Beschwerdeführerin nicht zur Verfügung gestanden. Das Zimmer, in dem sich die Winterbekleidung der Beschwerdeführerin befand, sei nur als Gästezimmer benutzt worden. Der Zutritt sei ihr daher nicht jederzeit möglich gewesen. Die Beschwerdeführerin habe nicht über einen Schlüssel zur Wohnung verfügt.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1983 neuerlich teilweise stattgegeben und darin wiederum die Auffassung vertreten, daß die Beschwerdeführerin unbeschränkt steuerpflichtig sei. Die belangte Behörde verwies dazu insbesondere auf die ursprüngliche Aussage des Zeugen Hans W. vom , auf den Umstand, daß der zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Vater abgeschlossene Mietvertrag einem Fremdvergleich nicht standhalte, und auf den Umstand der polizeilichen Meldung der Beschwerdeführerin. Zum Vorbringen, die Beschwerdeführerin habe über keinen Schlüssel für die Wohnung verfügt, wurde im angefochtenen Bescheid ausgeführt, es sei denkbar, daß die Beschwerdeführerin die Wohnungsschlüssel im Hinblick auf ihre lang andauernden Auslandsaufenthalte zur Vermeidung von Verlusten ihrem Vater überlasse, um sie bei Bedarf wieder zu erhalten. Ein Wohnungseigentümer könne die tatsächliche Herrschaft über seine Wohnung auch durch dritte Personen ausüben, die im Besitz des Schlüssels sind.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, "in eventu" dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde ist auf Grund der von den Abgabenbehörden aufgenommenen Beweise zu der Auffassung gelangt, daß eine tatsächliche Verfügungsgewalt der Beschwerdeführerin zumindest über ein Zimmer der in Rede stehenden Eigentumswohnung zu bejahen ist. In einem Fall, in dem die Behörde in Ausübung der freien Beweiswürdigung zu ihrer Entscheidung gelangte, obliegt es dem Verwaltungsgerichtshof zu prüfen, ob die Tatsachenfeststellungen auf aktenwidrigen Annahmen oder auf logisch unhaltbaren Schlüssen beruhen oder in einem mangelhaften Verfahren zustande gekommen sind. Somit ist zu prüfen, ob das Ergebnis der von der Behörde durchgeführten Beweiswürdigung mit den Denkgesetzen und den Erfahrungen des täglichen Lebens in Einklang steht und die Sachverhaltsannahme der Behörde in einem von wesentlichen Mängeln freien Verfahren gewonnen wurde (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 82/13/0181).

Die belangte Behörde hat mit eingehender Begründung dargestellt, warum sie der Erstaussage des Zeugen Hans W., nach deren Kernstück der Beschwerdeführerin ein Zimmer der ihr gehörigen Eigentumswohnung ständig zur Verfügung steht, mehr Glauben schenkte als der Aussage vom , die vom Zeugen in Anwesenheit des steuerlichen Vertreters der Beschwerdeführerin und zum Teil - wie aus der darüber aufgenommenen Niederschrift ersichtlich ist - unter unmittelbarer Einflußnahme des Parteienvertreters auf die Beantwortung einzelner Fragen durch den Zeugen abgelegt worden ist. Dabei entspricht die Auffassung der Behörde, daß Angaben bei der ersten Vernehmung der Wahrheit in aller Regel am nächsten kommen, der Lebenserfahrung (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 90/16/0176).

Den Einwendungen der Beschwerdeführerin gegen die Würdigung der vorliegenden Beweise ist zunächst entgegenzuhalten, daß auch eine Niederschrift, in der die Fragen an den Zeugen nicht wiedergegeben, sondern in der als Resümeeprotokoll der wesentliche Inhalt der Aussage zusammengefaßt wird, als taugliches Beweismittel in Betracht kommt. Auch daß die Behörde bei der Auseinandersetzung mit den in Rede stehenden Niederschriften in einzelnen Punkten sprachlich vom Wortlaut dieser Niederschriften abgewichen ist, ist für die vorgenommene, vom Ergebnis her unbedenkliche Beweiswürdigung nicht weiter von Bedeutung.

Die belangte Behörde hat sich weiters im angefochtenen Bescheid mit dem Beweismittel einer mit datierten Urkunde über einen "Mietvertrag" zwischen Hans W. und der Beschwerdeführerin befaßt und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, daß dadurch der Ausschluß einer Verfügungsgewalt der Beschwerdeführerin (zumindest über einen Raum der gegenständlichen Wohnung) nicht bewiesen worden ist. Abgesehen davon, daß die Leistung eines Gesamtzinses einschließlich aller Nebenleistungen in Höhe von S 1,-- monatlich für eine Wohnung im Ausmaß von 120 m2 nicht als Entgelt und somit diese Vereinbarung mangels der für einen Bestandvertrag wesentlichen Voraussetzung der Entgeltlichkeit überhaupt nicht als ein Mietvertrag angesehen werden kann, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Vorerkenntnis ausgesprochen, daß eine derartige Vereinbarung zwischen Fremden wohl nicht geschlossen worden wäre. Im Hinblick auf die sich aus § 63 Abs. 1 VwGG ergebende Bindungswirkung an diese im Vorerkenntnis geäußerte Anschauung erübrigt es sich, auf die dagegen vorgebrachten Einwendungen der Beschwerdeführerin näher einzugehen. Es kann weiters dahingestellt bleiben, ob die aus der Aussage des Zeugen Hans W. gezogene Folgerung der belangten Behörde, die vorgelegte Urkunde über einen "Mietvertrag" sei nachträglich (also erst im Zuge des gegenständlichen Abgabenverfahrens) angefertigt worden, schlüssig ist; einer solchen Vereinbarung ist nämlich nach den im Beschwerdefall vorliegenden Gegebenheiten schon ihres Inhaltes wegen keine Beweiskraft für das Vorhandensein eines ernstlichen Vertragswillens beizumessen. Der von der Beschwerdeführerin zutreffend hervorgehobene Umstand, daß eine Vereinbarung vorliegender Art nicht der Verpflichtung zur Gebührenanzeige (vgl. § 31 Abs. 1 GebG 1957) unterliegt, war daher nicht weiter wesentlich.

Auch die Aussage der belangten Behörde, es sei denkbar, daß die Beschwerdeführerin die Wohnungsschlüssel jemandem anderen zur Vermeidung eines Verlustes während ihrer lang andauernden Auslandsaufenthalte (gemeint: zur Aufbewahrung) überläßt, erscheint durchaus schlüssig. Wenn sich die Beschwerdeführerin im gegebenen Zusammenhang gegen den Hinweis der belangten Behörde auf das Urteil des ehemaligen deutschen Reichsfinanzhofes vom (richtig: vom , VI A 964, 965/33), RStBl 1934, S. 341, wendet, so ist ihr entgegenzuhalten, daß der genannte Gerichtshof in diesem Urteil ebenfalls zur Frage der unbeschränkten Steuerpflicht von der Ausübung der Herrschaft über eine Wohnung durch dritte (also von der Partei verschiedene) Personen, die im Besitz der Schlüssel seien, gesprochen hat.

Die polizeiliche An- und Abmeldung ist schließlich, wie von der Beschwerdeführerin zutreffend hervorgehoben wird, für die Frage des Wohnsitzes nicht entscheidend; gerade in Zweifelsfällen kann dies aber einen Beurteilungsanhalt bieten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 89/16/0020).

Es stellt ein im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliches neues Vorbringen dar, daß das "Schlafzimmer" (das nach der ersten Aussage des Zeugen Hans W. von der Beschwerdeführerin benutzt wurde) wegen seiner geringen Nutzfläche zum Wohnen nicht geeignet sei. Demgegenüber hatte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am ausgeführt, das "Schlafzimmer" sei als Gästezimmer eingerichtet. Da von der Beschwerdeführerin somit im Abgabenverfahren eine Behauptung, das in Rede stehende Zimmer sei zum Wohnen ungeeignet, nicht aufgestellt worden ist, war die belangte Behörde auch nicht verpflichtet, zu diesem Thema einen Augenschein durchzuführen. Die von der Beschwerdeführerin angestellten Überlegungen, ob Hans W. bei der am vorgenommenen Amtshandlung (erfolglos versuchte Zeugeneinvernahme in Abwesenheit des Vertreters der Beschwerdeführerin) "lediglich" die Aussage, aber nicht den Zutritt zur Wohnung verweigert habe, gehen daher ins Leere.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin war die belangte Behörde auch nicht von Amts wegen verpflichtet, den Zeugen Hans W. im Rahmen der mündlichen Verhandlung im Ergebnis ein drittes Mal zum Sachverhalt einzuvernehmen, zumal dem Abgabenverfahren der Grundsatz der unmittelbaren Beweisaufnahme fremd ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 90/16/0156). Die weitere Rüge, die Beschwerdeführerin selbst sei nicht zur mündlichen Verhandlung zwecks Aufklärung des Sachverhaltes vorgeladen worden, kann schon deswegen einen Verfahrensmangel nicht aufzeigen, weil die belangte Behörde in der dem steuerlichen Vertreter zugestellten Vorladung zur mündlichen Verhandlung ausdrücklich - soferne sich die Beschwerdeführerin im Inland aufhalte - ihr persönliches Erscheinen erbeten hat.

Es war somit nicht erkennbar, daß die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Das Eventualbegehren, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben, wurde von der Beschwerdeführerin nicht näher begründet. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.