VwGH vom 03.02.1993, 91/13/0001
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des P in R, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat IX, vom , GZ. 6/4-4265/89-06, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1985 und 1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.050,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war in den beiden Streitjahren - abgesehen von einer nichtselbständigen Tätigkeit - als Maler freiberuflich tätig. Im Jahre 1985 erzielte er aus dieser künstlerischen Tätigkeit Einnahmen in Höhe von S 336.100,--, im Jahre 1986 solche in Höhe von S 274.471,--.
Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung versagte der Prüfer Aufwendungen für Auslandsreisen in die USA und auf die Bahamas in Höhe von S 133.746,-- für 1985 und von S 66.935,-- für 1986 die Anerkennung als Betriebsausgaben. Weitere als Betriebsausgaben geltend gemachte Aufwendungen wie eine Taucherausrüstung (S 6.870,-- für 1986) wurden gleichfalls nicht als Betriebsausgaben anerkannt.
Gegen die nach der Prüfung ergangenen Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für 1985 und 1986 wurde Berufung erhoben. Unter Bezugnahme auf die entsprechenden Ausführungen im Prüfungsbericht wurde vom Beschwerdeführer die Auffassung vertreten, eine künstlerische Studienreise, die darauf gerichtet sei, Motive, Anregungen und Erkenntnisse für weiteres künstlerisches Schaffen zu gewinnen, könne nicht mit gleichen Maßstäben gemessen werden wie z.B. die Auslandsstudienreise einer Fleischhauervereinigung zur Besichtigung einer Großschlächterei. Auf diesen Studienreisen seien eine erhebliche Anzahl von Kunstwerken geschaffen worden, die in der Folge zu nicht unbedeutenden Einnahmen geführt hätten. Hinsichtlich der vom Prüfer festgehaltenen Begleitung durch die Familie des Beschwerdeführers wurde festgestellt, es gebe mannigfaltige Beispiele der Kunst- und Kulturgeschichte, daß ein Künstler zur Entfaltung seiner vollen Schaffenskraft bestimmte psychosoziologische Voraussetzungen benötige, um seine volle Schaffenskraft und seinen Ideenreichtum zu entwickeln. Es sei für einen Künstler nicht möglich, ein gedrucktes Programm über Besichtigungen und dgl. vorzulegen. In den Jahren 1985 bis 1987 seien vom Beschwerdeführer Bilder mit Auslandsmotiven (gemeint der in Rede stehenden Auslandsreisen) um S 547.120,-- verkauft worden, was einem Anteil von 63 % vom Gesamtumsatz (S 865.738,--) entspreche. Die Taucherausrüstung sei ausschließlich für Unterwasserstudien benötigt worden. Der Umstand, daß der Taucheranzug danach wieder verkauft worden sei, zeige schlüssig, daß dieser für die seinerzeit entstandenen Unterwassermotive benötigt worden sei.
Auf einen entsprechenden Vorhalt der belangten Behörde wurde der Ablauf der in Streit stehenden Reisen in einer Eingabe vom folgendermaßen angegeben:
"a) Reiseverlauf 1985
21.7. Wien - London/Aufenthalt London
23.7. London - New York/Aufenthalt New York
25.7. New York - Orlando
26.7. Orlando - Cayman/Aufenthalt Cayman
5.8. bis 10.8. Cayman - Puerto Rico - Virgin Islands - Cayman
11.8. Cayman - Miami
13.8. Miami - London
14.8. London - Wien
b) Reiseverlauf 1986
13.7. Wien - London/Aufenthalt London, Galeriebesuche
16.7. London - Washington/Aufenthalt dort, ...
19.7. Washington - Exuma, ...
3.8. Rückreise via London."
Dazu wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer könne kein Reise- oder Veranstaltungsprogramm vorlegen. Nach neuerlichen Hinweisen auf die Höhe der erzielten Einnahmen wurde noch angegeben, der Beschwerdeführer habe noch 50 Aquarelle mit Motiven von den beiden Studienreisen in Besitz. Auf einen angeschlossenen Katalog sowie beigeschlossene Fotografien und einen Videofilm wurde verwiesen.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Zu den Reisekosten wurde von der belangten Behörde unter Hinweis auf den vorgelegten Videofilm festgestellt, daß lediglich die skizzierten Impressionen der Reise ihren späteren Niederschlag in der Schaffung von Bildern gefunden hätten; es lägen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß durch die Reisen Kenntnisse erworben wurden, die eine Verwertung im Unternehmen gestatteten; denn an der Kenntnis und Fertigkeit des Malens hätte sich durch die Reisen nichts geändert. Es sei keine Abgrenzung zur Freizeitgestaltung erkennbar. Zu der Taucherausrüstung wurde ausgeführt, es sei bei diesem Aufwand die Freizeitgestaltung im Vordergrund gestanden; eine sekundäre betriebliche Mitveranlassung bei typischen Gegenständen der privaten Lebensführung sei jedoch ohne steuerrechtliche Relevanz. In Abänderung des Umsatz- und Einkommensteuerbescheides 1985 wurde der Aufwand für ein "Brockhaus-Lexikon" von der belangten Behörde nicht als betrieblich veranlaßt anerkannt.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 dürfen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte die Aufwendungen für die Lebensführung abgezogen werden, welche die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. So können die Kosten von Auslandsreisen nur dann als Betriebsausgaben berücksichtigt werden, wenn die Reisen ausschließlich durch den Betrieb (durch den Beruf) veranlaßt sind und die Möglichkeit eines privaten Reisezwecks nahezu auszuschließen ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 88/14/0002). An dieser Auffassung hält der Verwaltungsgerichtshof fest.
Der Beschwerdeführer hat - wie er wiederholt festgestellt hat - die in Rede stehenden Reisen nicht im Rahmen einer lehrgangsmäßigen Organisation unternommen. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde war daher für den Streitfall aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich mit organisierten und geplanten Reisen und deren Programmen beschäftigte, nichts zu gewinnen.
Der ausschließliche berufliche Zweck einer von einem bildenden Künstler unternommenen Reise ist vielmehr an der tatsächlich während der Reise ausgeübten Tätigkeit zu messen. Hiezu hat der Beschwerdeführer in der Berufung angegeben, auf diesen Reisen zahlreiche bildnerische Werke mit Motiven der bereisten Länder geschaffen zu haben. Weiters ist den Ausführungen des Beschwerdeführers zu entnehmen - die im Abgabenverfahren vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel wurden von der belangten Behörde den Verwaltungsakten nicht angeschlossen -, daß er über die während der Reise geschaffenen Aquarelle hinaus auf Grund der verfertigten Skizzen weitere Werke der bildenden Kunst geschaffen hat. Der Umstand, daß während der Reisen zum Teil (lediglich) Skizzen angefertigt wurden, hat für die Frage der Absetzbarkeit der Reisekosten entgegen der Meinung der belangten Behörde keine Bedeutung. Zutreffend wird in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer darauf verwiesen, daß dem Transport von Ölbildern größerer Formate auf Flugreisen zumindest wirtschaftliche Grenzen gesetzt sind.
Auch die Auffassung der belangten Behörde, es liege keine Abgrenzung zur Freizeitgestaltung vor, ist nicht richtig. Voraussetzung für die berufliche Veranlassung einer Auslandsreise ist dabei, daß die "Privatzeiten" während der Reise nicht mehr Raum einnehmen als jenen, der bei der laufenden Berufsausübung im Inland als Freizeit verbleibt. Bei einem bildnerischen Künstler, dessen Tätigkeit das Hervorbringen von Bildwerken im weitesten Sinne, und zwar aus den unterschiedlichsten gestalterischen Positionen heraus, zum Ziele hat, wird dabei die Abgrenzung zur Freizeitgestaltung am Ergebnis des schöpferischen Prozesses als einer objektiven Erscheinung in der Außenwelt zu messen sein.
Vom steuerlichen Vertreter wurden der belangten Behörde im Abgabenverfahren Beweismittel vorgelegt, die allenfalls Rückschlüsse auf das Ergebnis der Tätigkeit des Beschwerdeführers aus Anlaß der in Rede stehenden Auslandsreisen ermöglicht hätten. Auf Grund ihrer unrichtigen Rechtsauffassung hat jedoch die belangte Behörde keine Feststellungen über das Ergebnis und damit über den Umfang der künstlerischen Tätigkeit des Beschwerdeführers während bzw. anläßlich dieser Reisen getroffen.
Es trifft zwar zu, daß eine Begleitung des Steuerpflichtigen durch Familienangehörige - zumindest bei lehrgangsmäßig organisierten Studienreisen - ein Indiz für Privatreisen darstellt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 92/14/0043). Wäre aber eine betriebliche Veranlassung auf Grund der tatsächlich während der Reise ausgeübten beruflichen Tätigkeit anzunehmen, so stünde dem auch die Begleitung durch die Familie des Steuerpflichtigen nicht entgegen, zumal Freizeitbeschäftigungen während des Verlaufes der Reise in einem auch ansonsten neben der beruflichen Tätigkeit geübten Ausmaß für die Beurteilung der Reise als betrieblich veranlaßt nicht schädlich sind.
Zu den Aufwendungen, die dem Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 Z. 1 und 2 EStG 1972 unterliegen, zählen auch Aufwendungen für die Freizeitgestaltung wie z.B. für Sportgeräte im weiteren Sinne (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, S. 450). Nicht nur beruflichen, sondern typischerweise auch privaten Zwecken dienende Anschaffungen, wie im Beschwerdefall eine Taucherausrüstung, sind den gemäß § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 nicht abzugsfähigen Aufwendungen für die Lebensführung zuzuordnen. Ein diesen Grundsätzen allenfalls entgegenstehender Nachweis, daß die Taucherausrüstung, deren Anschaffungskosten (S 6.870,--) im Jahre 1986 zur Gänze als Betriebsausgaben geltend gemacht worden waren, ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich verwendet worden ist, wurde vom Beschwerdeführer nicht erbracht. Entgegen seiner Auffassung können aus dem Umstand, daß die Ausrüstung später wieder (um S 500,--) verkauft worden sei, keine Folgerungen auf eine (nahezu) ausschließliche berufliche Verwendung gezogen werden, zumal eine nähere Präzisierung des diesbezüglichen Vorbringens (Zeitpunkt der Anschaffung, Zeitpunkt und Ort der Schaffung von Werken mit Unterwassermotiven, Zeitpunkt der Veräußerung) unterblieben ist.
Soweit sich der Beschwerdeführer auch dadurch in seinen Rechten verletzt erachtet, daß die belangte Beörde die Aufwendungen für ein Lexikon - in Übereinstimmung mit Literatur und Rechtsprechung (vgl. z.B. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, a.a.O., S. 453 f) - in Abänderung der diesbezüglichen Abgabenbescheide nicht als betrieblich veranlaßt ansah, wurde die Beschwerde nicht näher ausgeführt.
Wenn also die Beschwerde auch hinsichtlich der betrieblichen Veranlassung des Aufwandes für eine Taucherausrüstung und ein Lexikon nicht begründet ist, so hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid dennoch durch die auf einer unrichtigen Rechtsauffassung beruhenden Feststellungsmängel hinsichtlich der vom Beschwerdeführer im Streitzeitraum unternommenen Reisen mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Dabei besteht jedoch für die Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde kein Anspruch auf Schriftsatzaufwandersatz (vgl. Dolp,
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 686, und die dort zitierte Rechtsprechung). Da der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen ist, war an Beilagengebühr ein Betrag von S 90,-- zuzusprechen.