VwGH vom 22.03.2000, 99/13/0253
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fössl, über die Beschwerde des Dr. P in R, vertreten durch Mag. Rudolf Varadi, Wirtschaftsprüfer in Eisenstadt, Pfarrgasse 33, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat X) vom , Zl. RV/520-17/02/98, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1992 und 1993, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 95/13/0124, hinzuweisen. In dem damaligen Beschwerdeverfahren war (u.a.) betreffend Einkommensteuer 1989 bis 1993 strittig, ob die belangte Behörde für diese Jahre zu Recht nach § 293b BAO berichtigte Einkommensteuerbescheide erlassen durfte, weil es sich bei der bisher erfolgten begünstigten Besteuerung nach § 37 Abs. 1 EStG 1988 für Nebeneinkünfte aus selbstständiger Arbeit um die Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen gehandelt habe. Der Verwaltungsgerichtshof verneinte diese Frage der Zulässigkeit einer Bescheidberichtigung für die Jahre 1992 und 1993 und folgte dabei dem damaligen Beschwerdevorbringen, wonach in diesen Jahren aus den Abgabenerklärungen (und deren Beilagen) der Sachverhalt betreffend die Herkunft der mit "selbstständige Einkünfte" bzw. "Einkünfte" gemäß "§ 37/2, 3 EStG" bezeichneten Einkunftsbeträge nicht ersichtlich gewesen sei.
Der gegenständlichen Beschwerde ist im Zusammenhalt mit dem vorgelegten angefochtenen Bescheid zu entnehmen, dass nach Ergehen des erwähnten Erkenntnisses vom das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom der Berufung hinsichtlich der auf § 293b BAO gestützten Bescheide Folge gab (und demnach die "unter KZ 423" der Einkommensteuererklärung 1992 und 1993 erklärten Einkünfte wieder dem Hälftesteuersatz unterzogen wurden).
Am übermittelte das Finanzamt dem Beschwerdeführer einen Ergänzungsauftrag und stellte dabei u.a. die Frage, um welche Art von Einkünften es sich bei den unter KZ 423 der Einkommensteuererklärungen 1992 und 1993 angeführten Einkünften handle. In der Vorhaltsbeantwortung vom erklärte der Beschwerdeführer, dass es sich dabei um Einkünfte aus schriftstellerischer Tätigkeit gehandelt habe. Daraufhin nahm das Finanzamt mit Bescheiden vom die Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 1992 und 1993 wieder auf, wobei in den neu erlassenen Einkommensteuerbescheiden die schriftstellerischen Einkünfte (für die im Geltungsbereich des EStG 1988 kein begünstigter Steuersatz mehr zustehe) dem Normalsteuersatz unterworfen wurden.
Die gegen die Wiederaufnahmebescheide eingebrachte Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die strittige Verfahrenswiederaufnahme hinsichtlich Einkommensteuer 1992 und 1993 beziehe sich auf die Erstbescheide vom bzw. , nicht aber auf die berichtigenden Einkommensteuerbescheide 1992 und 1993 vom . Die gemäß § 293b BAO erlassenen berichtigenden Bescheide seien nur zu den beiden Erstbescheiden hinzugetreten und auch nur der Teilrechtskraft unterlegen. Die vom Finanzamt verwendete Begründung für die Berichtigung nach § 293b BAO sei von einer "irrelevanten Vermutung, nicht aber von bekannten Tatsachen" ausgegangen. Die der Berufung gegen die berichtigenden Einkommensteuerbescheide 1992 und 1993 stattgebenden Berufungsvorentscheidungen stünden in keiner Beziehung zur Wiederaufnahme des Verfahrens. Zum Zeitpunkt der Erstbescheide habe das Finanzamt das Vorliegen schriftstellerischer Einkünfte nicht gewusst. In Anbetracht der nicht geringfügigen Auswirkungen (Nachforderungen 1992 20.193 S und 1993 18.346 S) habe das Finanzamt bei ihrer Ermessensentscheidung zur Wiederaufnahme auch zu Recht dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit den Vorzug gegenüber dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit eingeräumt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln nur aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens derart zu beurteilen, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wieder aufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wieder aufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Das "Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln" im Sinn des § 303 Abs. 4 BAO bezieht sich damit auf den Wissensstand (auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres (vgl. dazu beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 94/13/0070, und vom , 93/14/0187, 0188). Dass den Abgabenerklärungen des Beschwerdeführers für die Jahre 1992 und 1993 allein nicht zweifelsfrei die fehlende Berechtigung zur Inanspruchnahme der beanspruchten Steuersatzbegünstigungen nach § 37 EStG 1988 zu entnehmen war, ergibt sich bereits aus den Ausführungen im Vorerkenntnis (im damaligen Beschwerdeverfahren hat der Beschwerdeführer u.a. auch damit argumentiert, die jeweiligen Beträge seien "nur" in der KZ 423 eingetragen gewesen und in den Beilagen sei nicht aufgeschienen, um welche Einkünfte es sich gehandelt habe oder aus welcher Quelle sie geflossen seien). Ob das Finanzamt bei der (erstmaligen) Erlassung der Bescheide für 1992 und 1993 nach der nunmehr vorgetragenen Ansicht in der Beschwerde hätte wissen "müssen", dass der Beschwerdeführer schriftstellerische Einkünfte bezogen habe, weil das Finanzamt "richtigerweise jahrelang bis einschließlich 1988 die schriftstellerischen Einkünfte mit dem Hälftesteuersatz veranlagt hat und überdies auch für 1989 bis 1991 dies aus der Aktenlage ersehen konnte", ist bei der allein auf der Basis der Abgabenerklärungen des Beschwerdeführers für die Jahre 1992 und 1993 vorzunehmenden Beurteilung nicht von Bedeutung (vgl. nochmals das oben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom ). Es kam für die nunmehr strittige Frage der Verfahrenswiederaufnahme auch nicht auf den Wissensstand des Finanzamtes zum Zeitpunkt der Berichtigung nach § 293b BAO im Jahr 1994 an.
Da ein behördliches Verschulden an der Nichtfeststellung maßgeblicher Tatsachen der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs. 4 BAO nicht entgegensteht (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 97/15/0219), zeigt die Beschwerde auch damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, wenn sie darauf hinweist, die Nachholung des Vorhaltes vom sei zeitlich verspätet, weil diese Maßnahme im Rahmen der Veranlagung hätte getroffen werden müssen. Ziel einer amtswegigen Wiederaufnahme ist es, insgesamt ein rechtmäßiges Ergebnis zu erreichen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 2/96). Es ist insgesamt nicht erkennbar, dass die Behörde bei der verfügten Wiederaufnahme nicht vom Ermessen im Sinn des Gesetzes (vgl. Art. 130 Abs. 2 B-VG) Gebrauch gemacht hätte.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war diese ohne
weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung nach § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am