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VwGH vom 09.06.2004, 2003/16/0017

VwGH vom 09.06.2004, 2003/16/0017

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der D Aktiengesellschaft in N, vertreten durch die Arnold Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. RV/570-09/00, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Aktiengesellschaft ist Rechtsnachfolgerin der D Holding GmbH (in der Folge kurz: "Gesellschaft"). Am schloss die Gesellschaft mit ihrer Gesellschafterin, der T Limited, ein "Shareholder Loan Agreement" über die Gewährung eines Gesellschafterdarlehens im Betrag von EUR 28 Mio.

Am erstattete die Gesellschaft gegenüber dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern eine Gesellschaftsteuererklärung nach § 10 Abs. 1 Kapitalverkehrsteuergesetz (KVG) über das Gesellschafterdarlehen, der eine Telekopie des in englischer Sprache abgefassten "Shareholder Loan Agreement" angeschlossen war. Am 26. Mai d.J. reichte sie eine "Arbeitsübersetzung" dieses Vertrages in deutscher Sprache nach, die auszugsweise lautet:

Präambel:

"... hat die Darlehensgeberin sich verpflichtet, der Gesellschaft ein nachrangiges Darlehen gemäß den Bestimmungen des "Mezzanine Loan Agreements" sowie für die darin genannten Zwecke zur Verfügung zu stellen.

...

3. Laufzeit des Darlehens und Rückzahlung

Vorbehaltlich der Rangrücktrittsvereinbarung zwischen P und der Darlehensgeberin wird das Darlehen zur Rückzahlung an die Darlehensgeberin fällig im Falle

3.1. einer Übertragung der gesamten Anteile an der Gesellschaft oder des gesamten Vermögens der Gesellschaft oder eines Börsengangs der Gesellschaft;

3.2. der Entscheidung der Gesellschaft, das Darlehen ganz oder teilweise vor dem Ende der vorstehend festgelegten Laufzeit zurückzuzahlen, wobei eine entsprechende Vorankündigung mit einer Frist von mindestens vier Wochen zu erfolgen hat. Eine derartige vorzeitige Rückzahlung unterliegt keinen zusätzlichen Zinsen oder sonstigen Gebühren, Kosten etc. Die Gesellschaft ist dabei nicht berechtigt, zu verlangen, dass etwaige vorzeitig zurückgezahlte Beträge zu einem späteren Zeitpunkt als Darlehen gewährt werden.

4. Rangrücktritt

4.1. Die Darlehensgeberin erklärt hiermit unwiderruflich den Rangrücktritt ihrer sämtlichen gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen bezüglich des Darlehens, insbesonders Tilgungszahlungen und Zinsforderungen ...

Solange die vorrangigen Forderungen nicht unwiderruflich und vollständig ohne Einschränkung erfüllt sind, besteht Einigkeit zwischen der Darlehensgeberin und der Gesellschaft, dass

...

(iii) die Darlehensgeberin darauf verzichten wird, ihre Forderungen durchzusetzen bzw. ein gerichtliches Verfahren zur Erlangung von durch die Gesellschaft im Zusammenhang mit den nach diesem Vertrag gewährten Darlehen geschuldeter Beträge einzuleiten und auch keinen Antrag auf Eröffnung eines Konkurs-, Zwangsverwaltungs-, Insolvenz- oder ähnlichen Verfahrens stellen wird.

..."

Mit Bescheid vom schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien der Gesellschaft gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Z 2 bis 4 KVG Gesellschaftsteuer in der Höhe von S 3,852.884,-- (EUR 280.000,--) vor.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Gesellschaft vor, in dem Gesellschafterdarlehensvertrag vom sei ein Zinssatz von 9 % p.a. für das Darlehen vereinbart worden, weshalb dieser Rechtsvorgang nicht unter einen der im § 2 Z 2 bis 4 KVG angeführten Tatbestände falle.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies die Erstbehörde die Berufung als unbegründet ab, weil der gegenständliche Darlehensvertrag mit seinen besonderen Rückzahlungsbedingungen und dem Rangrücktritt vom Normalfall echter Darlehen wesentlich abweiche. In der Rangrücktrittserklärung liege ein auflösend bedingter Forderungsverzicht. Ein Verzicht sei aber gesellschaftsteuerrechtlich auch dann relevant, wenn er nicht endgültig, sondern nur befristet oder bedingt erfolge. Der Hinweis auf die Verzinsung nütze wegen der Rangrücktrittserklärung nichts.

In ihrem Vorlageantrag brachte die Gesellschaft ergänzend vor, der vereinbarte Rangrücktritt stelle keinen Verzicht auf eine Forderung dar. Abgesehen davon wäre ein Rangrücktritt - sofern als Forderungsverzicht betrachtet - keinesfalls als auflösend bedingt zu beurteilen. Schließlich könne man die Entstehung einer allfälligen Gesellschaftsteuerschuld nicht bereits mit Abschluss des Darlehensvertrages annehmen. Die Erbringung der Leistung wäre im konkreten Fall der tatsächliche Rücktritt hinter die Forderungen der vorrangigen Gläubiger (die Rechtswirksamkeit des Forderungsverzichts). Auch sei kein anderer gesellschaftsteuerrechtlicher Tatbestand erfüllt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Unter Wiedergabe des § 2 Z 4 KVG führte sie im Wesentlichen aus, durch die gegenständliche Rangrücktrittserklärung sei zwar nicht endgültig auf die Geltendmachung der Rückzahlung verzichtet worden, eine Rückzahlung sollte jedoch erst dann erfolgen, wenn sämtliche gegenwärtigen und darüber hinaus sämtliche zukünftigen Forderungen sämtlicher Banken sowie sämtlicher gegenwärtiger und zukünftiger (anderer) Darlehensgeber erfüllt seien. Mit der Abgabe der Rangrücktrittserklärung sei auflösend bedingt auf die Rückzahlung der Darlehensforderung verzichtet worden, wobei als Bedingung die Tilgung sämtlicher jetzt oder jemals in Zukunft bestehender Darlehen angesehen werde. Da die Hingabe dieses nachrangigen Darlehens unter gleichzeitiger Erklärung eines Rangrücktrittes somit eine Zugangsvoraussetzung zur Gewährung diverser Darlehen an die Gesellschaft gewesen sei, zeige sich der durch die Rangrücktrittserklärung bewirkte Forderungsverzicht geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom , Zl. 85/15/0323, ausgesprochen, dass bei einem unter einer auflösenden Bedingung abgegebenen Zinsenverzicht nach § 5 Abs. 1 erster Satz des Bewertungsgesetzes die Gesellschaftsteuerschuld schon im Zeitpunkt des Verzichts entstehe. Dementsprechend entstehe auch bei einem unter einer auflösenden Bedingung abgegebenen Forderungsverzicht sogleich die Gesellschaftsteuerschuld.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom , B 1531/02, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht verletzt, für das gegenständliche Darlehen bzw. den gegenständlichen Rechtsvorgang keine Gesellschaftsteuer bezahlen zu müssen.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Die Beschwerdeführerin erstattete hierauf eine Replik zur Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 2 Z 4 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVG) in der Fassung des Art. III Z 1 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 629/1994 unterliegen folgende freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft der Gesellschaftsteuer, wenn die Leistung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen:


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a)
Zuschüsse,
b)
Verzicht auf Forderungen,
c)
Überlassung von Gegenständen an die Gesellschaft zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung,
d) Übernahme von Gegenständen der Gesellschaft zu einer den Wert übersteigenden Gegenleistung.
Die belangte Behörde sah im vorliegenden Fall die Gesellschaftsteuerpflicht erkennbar im Grunde des § 2 Z 4 lit. b KVG durch einen (freiwilligen) Verzicht auf die Darlehensforderung gegenüber der Gesellschaft begründet, der geeignet war, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen.
Die Beschwerde führt dagegen zusammengefasst ins Treffen, dass die Gesellschafterin keinen Verzicht auf ihre Darlehensforderung, sondern eine Rückstehungserklärung (Rangrücktrittserklärung) abgegeben habe. Sie habe nur zugesagt, die Forderung nach Maßgabe der Rangordnung nicht gerichtlich geltend zu machen, und daher ihr Recht auf Rückforderung nie aufgegeben.
Der Tatbestand des § 2 Z 4 KVG erfasst die häufig als "verdeckte Einlagen" oder "verdeckte Kapitalzuführung" bezeichneten (freiwilligen) Leistungen (vgl.
Brönner/Kamprad , Kommentar zum Kapitalverkehrsteuergesetz4, Rz 49 zu § 2).
Ein Verzicht auf Forderungen liegt nur vor, wenn endgültig auf eine bereits rechtlich vorhandene Forderung verzichtet wird (vgl. Egly/Klenk , Gesellschaftsteuer-Kommentar4, Rz 138). Zur Annahme eines Verzichts im Sinne der zitierten Gesetzesstelle genügt es nicht, dass der Gesellschafter nur zeitweise eine Geltendmachung der Forderung aufgibt. In solchen Fällen liegt nur eine Stundung vor. § 2 Z 4 lit. b KVG setzt ein Aufgeben des Rechts in der Art voraus, dass dieses damit untergeht (vgl. Takacs , Kommentar zum Kapitalverkehrsteuergesetz (1990), § 2/58).
Gewährt der Gesellschafter seiner Gesellschaft dagegen formal ein Darlehen und ist von vornherein eine Rückzahlung des Darlehens nicht beabsichtigt, so liegt darin ein Zuschuss (vgl. Brönner/Kamprad, aaO, Rz 52 zu § 2).
Die belangte Behörde ist nun von einem auflösend bedingten Verzicht auf die Rückforderung des Darlehens ausgegangen, bis sämtliche gegenwärtige oder zukünftige (andere) Darlehen getilgt sind. Dass schon alleine die Erklärung des Rangrücktrittes nach Punkt 4.1 erster Satz des Gesellschafter-Darlehensvertrages geeignet wäre, einen Forderungsverzicht im besagten Sinn zu begründen, meinte offensichtlich auch die belangte Behörde nicht (zu den verschiedenen Ausformungen von Rangrücktritts- bzw. Rangrückstehungsvereinbarungen vgl. Thunshirn , Rangrücktrittsvereinbarungen im Steuerrecht, SWK 1997, Seite 507 ff, mwN, insbesondere Seite 511, Pkt. 6, betreffend Kapitalverkehrsteuer).
Einen Verzicht im besagten Sinn vermag der Verwaltungsgerichtshof jedoch auch aus Punkt 4.1 zweiter Absatz Unterabsatz iii des Darlehensvertrages nicht abzuleiten. In diesem Zusammenhang ist vorerst anzumerken, dass das "Shareholder Loan Agreement" in diesem Teil sinngemäß übersetzt nur davon spricht, dass die Darlehensgeberin nicht danach trachten werde (" ... the Lender shall not seek ..."), ihre Ansprüche durchzusetzen, nicht jedoch von einem "verzichten" (engl. to renounce/disclaim/release/waive etc.), sodass schon gegen die Richtigkeit der Übersetzung Bedenken bestehen.
Aber auch dem (deutschen) Wortlaut der "Arbeitsübersetzung" zufolge werde die Darlehensgeberin - solange die vorrangigen Forderungen nicht unwiderruflich und vollständig ohne Einschränkungen erfüllt worden sind - nur darauf "verzichten", ihre Forderungen durchzusetzen bzw. ein gerichtliches Verfahren zur Erlangung der durch die Gesellschaft im Zusammenhang mit den nach diesem Vertrag gewährten Darlehen geschuldeten Beträge einzuleiten, und werde auch keinen Antrag auf Eröffnung eines Konkurs-, Zwangsverwaltungs-, Insolvenz- oder ähnlichen Verfahrens stellen . Selbst unter Zugrundelegung dieser Formulierung begab sich die Darlehensgeberin daher nicht ihres materiell-rechtlichen Anspruches aus dem Darlehensvertrag, sondern sagte lediglich zu, bis zum Erlöschen der vorrangigen Forderungen von der gerichtlichen Geltendmachung ihrer Forderungen aus dem Darlehensvertrag abzusehen.
Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift einen Forderungsverzicht nunmehr in Punkt 3. des Darlehensvertrages erblickt und ihre Ansicht im hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/16/0065, bestätigt sieht, ist dem zu entgegnen, dass auch dieser Vertragspunkt schon von seinem Wortlaut her nicht von einem Forderungsverzicht, sondern nur von der Fälligkeit der Darlehensrückzahlung spricht, und der vorliegende Beschwerdefall von dem dem zitierten hg. Erkenntnis vom zu Grunde liegenden schon insofern abweicht, als damals die vereinbarte Unverzinslichkeit des Darlehens für die Gesellschaftsteuerpflicht ausschlaggebend war.
Die Annahme der belangten Behörde, es liege ein Verzicht im Sinn des § 2 Z 4 lit. b KVG vor, findet daher im Vertragswerk, insoweit dieses von der belangten Behörde für die rechtliche Beurteilung herangezogen wurde, keine Deckung.
Andererseits lässt sich an Hand der vorliegenden Ermittlungsergebnisse und Feststellungen insbesondere über das "Shareholder Loan Agreement" die Frage noch nicht abschließend beantworten, ob unter Zugrundelegung des gesamten Regelungswerkes -

somit auch unter Einbeziehung der in diesem Vertrag genannten "Senior Facilities Agreement", "Mezzanine Loan Agreement" und Rangrücktrittsvereinbarung zwischen P und der Darlehensgeberin (Gesellschafterin) - nach dem maßgeblichen Willen der Vertragsparteien eine Rückzahlung des Darlehens überhaupt nicht beabsichtigt oder im Ergebnis vollkommen in das Belieben der Gesellschaft gestellt war; wäre dies der Fall, läge in dem gegenständlichen "Darlehen" - dessen Eignung vorausgesetzt, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen - ein Zuschuss im Sinn des § 2 Z 4 lit. a KVG, womit die Frage eines "Verzichts" im erörterten Sinn dahingestellt bliebe. Hiezu bedarf es jedoch auf Basis einer verlässlichen Übersetzung ergänzender Ermittlungen und Feststellungen über den Inhalt der in eine solche Beurteilung miteinzubeziehenden genannten Vereinbarungen.


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Nach dem Gesagten maß die belangte Behörde schon der dem Abgabenverfahren zu Grunde gelegten "Arbeitsübersetzung" zu Unrecht die Bedeutung eines Forderungsverzichts bei, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes nach § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am